„100 Zeilen Glück“

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Habe heute, wider erwarten, doch noch eine Jubiläumsausgabe der „Tempo“ bekommen. 20 Jahre nach erscheinen und zehn Jahre nach der letzten Ausgabe gibt es nun die Sonderauflage und es ist, als ob Tempo nie weg gewesen wäre: Prall gefüllt auf über 370 Seiten wird in der üblich arroganten Weise die Welt aufgeteilt, in „vor und nach Tempo“. Grell, fett und provozierend wird versucht ein gesellschaftliches Abbild zu reproduzieren, was, wie früher auch, zwischen Genie & Wahnsinn hin- und herwogt.

Die Zeitschrift die mein Jugendalter wie kaum eine andere prägte und mich in ein ständiges Wechselbad zwischen pure Freude und schlechten Gewissen stieß, lässt vieles wieder hochleben. Da sind sie wieder, die Begleiter meiner Jugend, wie alte Bekannte erscheinen sie, nie weg gewesen: Glaser, Biller, Horx, Jürgs, Hüetlin oder Kreye. Manche tauchen jetzt, wie aus dem nichts wieder auf, manche sind zu treuen Weggefährten geworden.

Und es gibt sie wieder, die legendären Tempo Aktionen. Dieses Mal unter dem Motto: „Wie rechts ist Deutschland“. Dutzende verdiente deutscher Prominenter wurde im Namen der fiktiven „Nationalakademie“ eine Ehrendoktorwürde für ihre großen Verdienste an Deutschland angeboten. Sie mussten nur den Zielen und Grundsätzen der Akademie schriftlich zustimmen, dann steht dem Empfang der Doktorwürde in einer großen Zeremonie nichts mehr im Wege. Interessant war nur, dass diese Grundsätze gespickt waren mit Originalzitaten aus Hilters „Mein Kampf“ und dem Wahlprogramm der NPD. Dass unglaublich geschah, vierzehn Promis sagten trotzdem zu. Der erste, wen wundert’s, war Dieter Bohlen. Aber auch ernsthaftere sagten zu, wie unser ehemaliger Kultusminister und Professor für Politische Theorie Nida-Rümelin, der Sänger Udo Jürgens, Bergsteiger Reinhold Messner, Sportikone Wasmeier oder Unternehmer Hipp. Was die Herren dazu bewogen hat? Ich weiß es nicht. Es ist auf alle Fälle erschreckend. Interessant ist, dass ausgerechnet eine DVU Abgeordnete wegen nationalistischen unvereinbarem Inhalt absagte, ebenso wie viele Andere.

Ja, Stolz kann eine Falle sein, der eigene, wie auch der fürs Vaterland…

9 Comments

  1. Ich habe den Einwand, daß man zum erkennen von Hitler-Zitaten erstmal sein Hauptwerk auch gelesen haben müßte. Das dürfte aber einstigen Auflagenstärken nicht im entfernstesten mehr nahekommen .. ergo: wer hat das Ding gelesen?

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  2. sorry wegen dem doppeleintrag:

    was genau war die “tempo” und wer was so die zielgruppe und warum gibt es die tmepo nicht mehr?

    (weil sie kann ja soo schlecht nicht gewesen sein – nach deiner lautdatio)

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  3. @manni: Die Zielgruppe waren junge Erwachsene, die sich dem Mainstream entziehen wollten. Das Bild von mir ist auch etwas verklärt. Tempo war am Anfang besonders stark durch ihre Kolumnen und Reportagen, viele junge Schriftsteller schrieben, aber mit der Zeit wurde es immer unübersichtlciher. Warum tempo letztendlich gescheitert ist, keine Ahnung.

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  4. Ja, das kenne ich auch, man sammelt etwas, hebt es jahrelang auf, braucht es nie, wirft es dann weg und just, dann merkt man, dass man es doch noch gerne hätte und sei es aus sentimentalen Gründen.

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