„Gesucht: Der neue Mann Part 2“

Gesellschaft

Männer haben es schwer. Sie sterben im Schnitt sechs Jahre früher, arbeiten länger und sind vom Sozialabstieg bedroht. So gibt es dreimal so viele obdachlose Männer als Frauen, von Alkoholikern und Drogenabhängigen mal ganz zu schweigen.
Früher war es für Männer einfach. Mann lernte einen Beruf (studierte) und darin arbeitete man dann fest verwurzelt sein leben lang. In der Familie war das die Grundlage des Rollenbilds: Der Mann bringt die Brötchen, die Frau streicht sie. Dazu kümmert sie sich um Haushalt & Kinder. Der Mann als Versorger. Jetzt hat sich viel verändert. Zum Glück und auch zum Unglück. Die Rollen sind zersprengt und zwar nicht nur die der Familie, sondern auch die gesellschaftlichen. Ein Beruf reicht heute für ein Berufsleben kaum mehr aus. Flexibilität ist angesagt, Der Job bestimmt das Leben, aber nicht mehr als solide Grundlage auf dem die Familie sich aufbaut, sondern als flexibler Unsicherheitsfaktor. Weiterbildung, Umschulung oder gar Umzug müssen heute mit ein kalkuliert werden. Dazu kommt, dass die Lebenshaltungskosten drastisch gestiegen sind, so dass oftmals ein klassisches Gehalt nicht mehr ausreicht. Dazu kommt, dass die Bildung, vor allem für Frauen sich in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert haben, so dass viele junge Frauen Berufe erlernen oder studieren und danach selbstverständlich auch in ihren Berufen arbeiten wollen. Dazu mussten sie sich mit ihrer Rolle auseinander setzen, was viele getan haben und dadurch ist vieles selbstverständlich geworden. Nun sind die Männer durcheinander – alles hat sich geändert, alles scheint unsicher zu sein. Was bleibt da für den Mann, außer gestiegenen Erwartungen? Und diese Erwartungen sollen und wollen ja auch viele Männer erfüllen. Da wäre als erstes die Familie, ein guter Vater sein, Zeit mit den Kindern verbringen, Zeit für mit der Frau, miteinander was erleben und das Leben gestalten. Der Job fordert ebenfalls volle Konzentration. Überstunden sind normal, werden heute fast überall verlangt und der Lebensstandard fordert ein Übriges. Karriere? Wenn möglich, auch noch aufsteigen. Sicherheit suchend. Gemeinde, noch mal ein ganz schwieriges Thema: Leiten ja, dienen nein. Kurz und knapp zusammengefasst. Über die Feminisierung der Gemeinden in Part 3 dann mehr. Auch wenn der Tag schon voll geplant ist wie sieht es mit Hobbys aus? Männer brauchen Hobbys und Freunde. Braucht nicht jeder Mann einen Freund, mit der über alles reden kann oder einfach nur einem Fußballspiel zuschaut?
Mann sein ist nicht einfach, zwischen Macho und Sitzpinkler, zwischen Bono und Brad Pitt?
Vorurteile oder Realität? Männer lesen nicht!? Wirklich? Oder einfach nur weniger? Oder einfach nur was anderes? Mann sein ist subjektiv, einzigartig und besonders. Vergleichen und Verallgemeinern ist Sünde. Jeder Mann ist einmalig und doch Kind seiner Zeit. Und dann gibt es da doch diese Linien die sich durchziehen, Verunsicherungen, Erwartungen und natürlich das Schweigen. Das Schweigen darf nicht fehlen, wenn es um Männer geht. Ja. Und zum Schluss noch ein Experte, der nichts anderes macht als Männer zu untersuchen, ob’s das besser macht?

„So hat Männerforschung in den vergangenen Jahren einen neuen und anderen Blick auf die moderne Männlichkeit vorbereitet. Es ist eine dialektische Optik: Männer sind sozial und politisch noch immer das privilegierte Geschlecht. Aber dafür haben sie einen hohen Preis an Lebensqualität, Streß und Krankheit zu zahlen. Diese Opferseite männlicher Täterdynamik hat der Feminismus nicht zu sehen vermocht. Einstmals positive Qualitäten von Mannsein werden mittlerweile gesellschaftlich umgedeutet. Ehemals männlicher Mut wird heute als männliche Aggressivität denunziert; aus Leistungswillen wird Karrierismus, aus Durchsetzungsvermögen männliche Herrschsucht, und das, was einst als männliche Autonomie hochgelobt war, wird nun kritisiert als die männliche Unfähigkeit zur Nähe und als männliche Angst davor. Die »ideologische« Verunsicherung ist also quasi total.“

Prof. Walter Hollstein, Berlin in seiner „Männerforschung“

10 Comments

  1. Hm, sehr coole Beschreibung der gegenwärtigen Situation. Da finde ich mich schon wieder … auch wenn ich noch einiges aus deiner Aufzählung noch nicht auf mich beziehen kann, mangels fehlendem Job und Familie 😉

    Grönemeyer hat das schon 1984 mit seinem Lied “Männer” sehr gut getroffen, und seitdem ist es nicht besser geworden.

    Hm, vielleicht ist das zu weit hergeholt, aber im antiken Rom hatten viele Männer eine Frau, die für den Haushalt zuständig war und für die Nachkommen, und dann hatte Mann eine Mätresse, mit der man Spaß haben konnte. Hat sich das vielleicht umgedreht? Heute sucht die Frau den Frauenversteher zum reden und ausheulen, als besten Freund, den braven Hausmann als Brötchenverdiener und den wilden Liebhaber, der für das Feuer im Leben sorgt.
    Der Mann irgendwo gefangen zwischem metrosexuellem Dandy, Frauenflüsterer und wildem Liebhaber …?

    Das kommt mir grad spontan aus dem Bauch heraus, aber so recht könnte ich das nicht festmachen, ob das wirklich stimmt. Was meint ihr?

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  2. @kapeka:
    Das ist vielleicht überspitzt, aber doch ein kleines bisschen wahr, denke ich.
    Ich habe Herrn Eldregdes Männerbuch auch mal gelesen und fand diesen Gedanken recht interessant: Dass ein Grundmissverständnis des christlichen Männerbilds darin besteht, Christen müssten in erster Linie “nett” sein, was sie letztlich zu zahnlosen Löwen macht und ihre eigentlichen Stärken verschüttet – so ungefähr.
    Auch wenn sich das im Klischeebereich bewegt, denke ich doch, dass “typisch männliche” Attribute wie Initiation, Mut, Vorwärtsgehen etc. einen Mann für Frauen attraktiv machen, gleichzeitig aber oft bei Frauen der Wunsch besteht, den Mann “zu zähmen”. Vielleicht haben in diesem Spannungsfeld die Frauen momentan eher die Oberhand. Oh oh, ich bewege mich auf dünnem Eis…. was denkt ihr?

    Was ich auf jeden Fall für mich selber feststelle, ist, dass nichts so attraktiv ist, wie ein Mann der seine Männlichkeit nicht für sich selber nutzt sondern in den Dienst von Jesus stellt. Demut gepaart mit Stärke ist ziemlich sexy. 🙂

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  3. @kapeka: Ich glaube, dass die “Geschichte des Mannes” auf alle Fälle wichtig ist und ein Großteil unserer Prägung ausmacht. Wir sind ja immer teil unserer Kultur und vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir im Übergang Moderne/Postmoderne leben und die Verunsicherung besonders auf die Männer schlägt…

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  4. @esther: Ich weiß nicht, ob “Christenmänner” gezähmt werden müssen, ich glaube, dass Frauen auch und gerade “wilde Männer” lieben. Ich denke, dass das Problem eher ist, dass diese männlichen Attribute in der Gemeinde kaum vorkommen und einen niedrigen Stellenwert haben.

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  5. @Toby: ich stimme dir völlig zu. Denke aber, dass die momentane Situation in Gemeinden, wie du sie beschreibst, mit darauf zurückzuführen ist, dass Frauen das Gemeindeleben und die “Spiritualität” zunehmend mitprägen und mitlerweile auch dominieren. Und damit auch ein “softeres” Menschenbild vorgeben, das sich eben auch auf die Männer auswirkt. Das “zähmen” also vielleicht eher als Gruppen- und nicht als Individualprozess…. macht das Sinn?

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  6. @esther: Ja, das macht für schon Sinn, nur glaube ich, dass das nicht nur ein momentaner Prozess ist, sondern, dass die Frauen seit Jahrzehnten die Basis der Gemeinde sind. Die Männer hatten zwar die Leitung, das Gemeindeleben bestand/besteht aber vorwiegend aus Frauen. Da muss man ja nur mal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden zählen…

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  7. Was mich in diesem Zusammenhang mal interessieren würde: Wie empfindet der männliche Teil der Gemeinde denn die “moderneren” Musikstile in Gottesdiensten? Was ist mit den soften Texten neuerer Anbetungslieder? “Zieh mich zu dir hin” etc. etc….

    Die passende Anekdote dazu: Ich erinnere mich an eine spannende Unterhaltung mit einem englischen Prof auf einer frommen Medizinerkonferenz. Er kritisierte den Lobpreis als zu emotionslastig, ich verteidigte ihn mit der Argumentation, es wäre wichtig in Gottes Gegenwart zu sein, sich seiner Nähe zu versichern usw. Daraufhin lächelte er nachsichtig und sagte, das sei wohl eine typisch weibliche Wahrnehmung. Als er Christ geworden sei, habe er das nicht getan, weil er sich so hilflos und schwach gefühlt habe, sondern “because I thought: Here is something worth dying for.”
    Ich war ein bisschen beeindruckt. 🙂

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  8. @esther: Ja, ich glaube schon, dass Anbetung was mit männlich und weiblich zu tun, eben so mit der Persönlichkeit und dem emotionalen Empfinden und doch kenne ich viele Männer die mit einer “kürzeren Anbetung” sehr gut leben könnten. Die Frage ist sicher, in welcher Form man Gott begegnet und welche dieser Formen sich in einen Gottesdienst integrieren lässt. Gottesdienst hat ja immer was mit Gemeinschaft und Beziehung zu tun.

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