“Gesellschaftstransformation” Part 1

Gerechtigkeit, Gesellschaftstransformation, Mission

Eine Frage, die mich seit einiger Zeit beschäftigt, dreht sich um das Stichwort Gesellschaftstransformation. Ein großes Wort, das aber eine zukunftsweisende Bedeutung von Christen haben kann. Die inhaltliche Fragestellung von Gesellschaftstransformation ist nicht so einfach in ein paar Sätzen zu beschreiben und ich überlege gerade, ob ich darüber in den nächsten Tagen/Wochen etwas blogge. Die Richtung ist jedenfalls folgende: Die letzten Jahrzehnte war unser missionarischer Glaube (im evangelikalen Raum) weitgehend auf die Individualbekehrung aus. Menschen entscheiden sich für Jesus. Viele missionarische Aktionen waren darauf ausgelegt und geprägt wurde dies von Amerika (Billy Graham etc.) und auch von einer pietistischen Orthodoxie. Dadurch gab es sicherlich viel Segen und es geht auch nicht um eine Kritik, als viel mehr um eine Erweiterung und eine neue biblische Besinnung über Begriffe wie Bekehrung, Heil, Gerechtigkeit, Inkarnation etc. Der Gedanke der Gesellschaftstransformation versucht nun über diese Individualbekehrung hinauszugehen und zum einen den Menschen als Ganzes (Leib, Seele & Geist) zum Heil zu führen und darüber hinaus strukturell Veränderungen auf verschiedenen Ebenen herbeizuführen (politisch, ethisch und sozial). Es geht also um Stadtteile, Dörfer und ganze Regionen und wie wir Christen so gesellschaftsverändernd leben können, dass wir ein Teil des Ganzen werden. Gemeinde & Christsein nicht als Absonderung der Welt und Auslagerung im nächsten Industriegebiet, sondern als gesellschaftsfähiges Element des lokalen Handelns. Getragen werden diese Gedanken auf der geistlichen Ebene des Gebets, worauf Evangelium und soziales (und politisches und ethisches) Handeln gleichwertig aufbauen. In einigen Ländern (Südamerikas und Afrikas) gab es schon positive Erfahrungen, in Deutschland ist mir bisher noch nicht so viel bekannt. Vielleicht wird es Zeit, Dinge neu zu durchdenken und zu durchbeten….

28 Comments

  1. Hi Toby,

    denkst Du, dass das Kollektiv in unserer individualistischen Gesellschaft greift?
    (okay, Spaß beiseite…)
    Ich denke schon, dass ein gesellschaftskritischer und/oder sozialer Ansatz gerechtfertig ist. Aber immer als sekundäre Folge, oder auch als Ansatzpunkt des Evangeliums. Denn das Kreuz hat uns mehr zu sagen als das Heil. Dies steht zwar primär, aber dies ist auch eine reformatorische Einseitigkeit. “Aspekte” wie “soziale Gerechtigkeit”, oder Identität mit den Armen und der Armut, Kulturwandel usw. dürfen nicht unter der Heilsfrage untergehen. ZUgleich gilt es die Spannug auszuhalten das selbst “dort” der Mensch Sünder sein wird. Aber ich halte diese Anfrage für berechtigt und sogar dringend notwendig.

    Matthias

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  2. Ich sage mal: Du hast sowas von Recht, dass es kracht!
    Jesus hat mehr vom Reich Gottes geredet als von individueller Bekehrung oder Individualethik. Seine Antrittspredigt in Lk 4 über Jes 61 handelt von sozialer Gerechtigkeit, aber wir interpretieren das alles immer übergeistlich statt wörtlich! Seine berühmteste Rede, die Bergpredigt Mt 5-7: Ethik und Gerechtigkeit. Seine letzte große Rede über die Endzeit + das Gericht: Was ihr getan habt einem meiner geringsten Geschwister, das habt ihr mir getan: Hunger, Durst, Krankheit, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Armut überwinden.
    Und Jesus wurde von den Etablierten und Religiösen grundsätzlich als Freund (und Helfer) der Verlierer der Gesellschaft verspottet.

    Ich glaube das Kommen des Reiches Gottes kann und darf keine Trennung von individuellem Heil und Gesellschaftstransformation bedeuten.

    Gruss Andi
    http://www.kirche-21.de
    http://www.futurefaith.de

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  3. War gerade auf futurefaith! Super, warum kannte ich das nicht voher? Tut mir leid, sehr gut Plattform, werde mich da einklinken. Danke.

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  4. Klingt nach Nährboden für Christianisierung und Wohlstandsevangelium.

    Heil für Körper, Seele und Geist. Klingt gut. Erst recht nachdem sogar in der Medizin der Mensch als ganzer in den letzten Jahren zum Thema wurde.

    68er again? (bloß “getauft”)

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  5. @manfred: Bin mal gespannt wie es ist, wenn du in den Himmel kommst, da muss sich Gott schon warm anziehen… 🙂
    Aber für hier auf Erden kann ich dich beruhigen, zwar weiß ich selbst noch nicht so ganz genau, wohin “Gesellschaftstransformation” mich führen wird, aber eines weiß ich ganz gewiss: Weder zu einem Wohlstandsevangelium noch zu einer idealisieren Befreiungstheologie. Es ist doch spannend zu sehen was aufgeht, wenn Gottes Wort in die Kultur unseres Alltags fällt und wie wir darin leben und gestalten…

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  6. Nette Melodie auf den Text “Sei ruhig Nörgler”.

    Das ist der Trick. Ich schreibe in den Zeilen. Manchmal etwas derber als nötig. Du vielleicht dazwischen…

    Aber soll mir auch egal sein…

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  7. “Aber soll mir auch egal sein…”

    Hey hey hey – nicht gleich sauer sein. Wer “deftig” austeilt, muss auch bereit sein….

    Ich hab kein Problem damit, nur durch die Auseinandersetzung und die Kritik entwickle ich mich weiter, also schreibe fleißig und derb und ich weiter etwas “dazwischen” und vielleicht lernen wir sogar beide was dabei… 🙂

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  8. Werner

    Ich finde alles gut, was dazu führt, dass die Christen (ruhig aktiv und gestaltend) näher an die Gesellschaft heranrücken. Das mit der “Gesellschaftstransformation” klingt aber schon wieder ein bischen nach “Heil” oder auch nach “Erweckung”, diesmal allerding nicht für den Einzelnen sondern für die gesamte Gesellschaft. Ich hoffe dabei kommt Demut und Bescheidenheit und die Achtung für Anderesdenkende nicht zu kurz.

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  9. @werner: Wenn es nach Heil klingt ist es schon mal gut! 🙂 Weil darum geht es ja im Christentum, wenn ich nicht alles falsch verstehe. Aber es geht auch darum, dieses Heil in einer “gefallenen Welt” zu leben und darin liegt wohl die kreative Spannung in der zumindest ich jeden Tag lebe. Erlöst und doch mit beiden Beinen in Gesellschaft und Kultur verbunden. Die Frage ist nicht, wie wir diese Spannung einseitig auflösen, sondern wie wir sie gestalten und darin leben!

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  10. Werner der unHEILige

    Ich hatte es so gemeint, dass wir als Christen immer mal wieder den Eindruck vermitteln, das Heil würde von uns ausgehen. Nun wollen wir ausnahmsweise mal nicht den Einzelnen, sondern die Gesellschaft “bekehren”. Ist es aber nicht vielmehr so, dass viel Heil ohne unser Zutun geschieht und dass wir auch für viel Abwertung, Arroganz und Spaltung verantwortlich sind. Vielleicht können wir uns so einigen, dass Gott das Heil manchmal mit und manchmal ohne uns bringt und es deshalb für uns keinen Grund gibt uns über andere zu stellen. Können wir?

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  11. Thomas

    Hallo Toby,
    kennst du zufällig Johannes Reimer? Der sagt genau dasgleiche (Predigten findet man im Netz).

    Gruß Thomas

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  12. Anonymous

    ich bin gespannt. gesellschaftstransformation ist eine sache, die mich unbedingt auch interessiert, für die ich aber keine konzepte oder vorbilder oder modelle habe – also nichts…

    storch.jfrs.de

    [PS: mach dir bitte mal ein richtiges blog. blogger suckt, diese form ist deinem guten inhalt nicht angemssen…]

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  13. @werner: Ich habe das Gefühl, dass wir einander vorbei bloggen. Ich möchte mich überhaupt nicht abgrenzen, abspalten oder bestimmen wie und wo Gott handelt. Ich möchte nur über die gesellschaftliche und soziale Verantwortung als implizites Element des Evangeliums nachdenken.

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  14. Anonymous

    also ich finde die idee mit der gesellschaftstransformation ziemlich gut. denn ich denke, genau das hätte jesus auch gemacht. wie is schon in der bibel steht ” nicht die gesunden brauchen den arzt, sondern die kranken” un so wie ich das verstehe ist es ja ein wichtiger teil der gesellschaftstransformation die gesellschaft zu erreichen. wir christen brauchen den “arzt” nicht mehr, denn wir haben ihn schon in unserem leben. aber es gibt genügen menschen bei denen es noch nicht so ist. un da ist es wichtig, dass sie jesus kennenlernen und erkennen, dass er retten kann und wie wunderbar er ist.
    ich denke anhand der gesellschaftstransformation können wir jesus ein kleines stück ähnlicher werden.
    denn damit begeben wir uns zu den schwachen, den armen, den ausgelaugten….
    wir begeben uns zu denen, die jesus noch nicht kennen.
    es bringt nicht viel, wenn man christen immer wieder von jesus erzählt (ich will nicht sagen, dass das nicht wichtig ist–> denn das ist es auch)wir müssen uns auf die einlassen, die noch nichts von ihm wissen und die ihn brauchen und kennenlernen sollen. jesus als ihren freund, als ihren retter, ihren arzt….
    ich finde die gesellschaftstransformation als einen wichtigen schritt in der “geschichte” der christen!
    wir müssen aktiv werden und nach außen gehen. ich denke, dass wir damit echt viel erreichen können und weiter an gottes reich bauen können!

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  15. Hi Toby!
    Danke für deine (diesen!) Post. Das sind genau die Dinge die mich gedanklich oft umtreiben. Aber, wie stroch schon schrieb, fehlen mir Ansätze, role-models,…alles. Schreib bitte mehr drüber. Bin gespannt. Vlt “lesen” wir uns bei futurefaith. Gruss aus Hamburg, Ralf

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  16. Hallo TransformatorInnen.

    Manfred hat (eher abfällig, glaube ich !?) gesagt, dass das mit der GT nach getauften 68ern aussieht.

    Ich meine: Etwas bessers kann der Welt und uns gar nicht passieren! Die 68er haben die gesellschaftliche Sicht und wir die geistliche. Wir brauchen beides!
    Ich meine, dass in der Denkwelt der Emerging Church eine Begegnung von “evangelikaler” Frömmigkeit und der Idee eines inkarnierten, politisch und gesellschaftlich relevanten Christseins stattfindet. Diese Ansätze machen mir Hoffnung.
    Die Grosskirchen hatten – für mein Empfinden – lange eine politische Schlagseite, die geistlich nicht genug gedeckt war. Wenn aber evangelikale und politische Power zusammen kommen, kann da schon was transfomierendes bei raus kommen.
    Und sorry, alles andere empfinde ich in unserer globalen Situation als geistlich ungeistlich!

    Gruss Andi
    http://www.kirche-21.de
    http://www.futurefaith.de

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  17. Ich halte Individualbekehrtsein ohne gesellschaftlichen Impuls für nicht möglich. Da fällt mir die Schlksknechtsstory aus Mt18 ein. Da hat es einer eben nicht wirklich geschnallt.

    Bekehrung ist Entdecken des Lebens. Meine Werte verändern sich und ich lerne, mit dem mir anvertrauten zu agieren. Und kann staunen, was sich dadurch alles bewegt. Und im Idealfall passgenau eingebunden in einen multifunktionalen Leib.

    Menschliche Strategien (insbesondere evangelikale), systematisch politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen und bestimmte Bereiche generalstabsmäßig zu besetzen (oder gar Kämpfe zu führen) sind mir dagegen aufs Äußerste suspekt.

    Ich habe wirklich nichts gegen strategisches Denken, frage mich aber, wo die Grenze zwischem meinem persönlichen Narzismus (und seiner aktionistischer Verblendung) und einer auftragsgemäß klugen Nachfolge, die “Früchte trägt”?

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  18. BEi Gesellschaftstransformation geht es nicht um “evangelikale Machtausübung”, ganz im Gegenteil, es geht um eine ganzheitlich Nachfolge, die den Menschen als Ganzes im Blick hat. Machtstrukturen, Manipulation oder soziale Ungerechtigkeit sollen bekämpft werden, gerade damit Glauben mit Früchte entstehen kann und nicht nur jeder sich selbt der Nächste ist. Verantwortung für den Nächsten zeigt sich nicht im Blick auf sich selbst, sondern im Blick auf den Nächsten und dafür müssen nicht nur individuelle, sondern auch strukturelle (z.B. soziale oder politische) Vorausetzungen gegeben sein.

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  19. annerl

    @toby: ja einen austausch fände ich auch interessant

    @modellsuchende(r) anonyme(r): ich habe durch mein studium einige modelle kennengelert, die aus einer sozialwissenschaftlichen und theoretischen ecke kommen. ich finde, dass sie sich trotz der theorie eignen, neue impulse zu bekommen und das denken zu weiten. beispielsweise bearbeiten wir gerade in einem seminar die gesellschaftstheorie von axel honneth (kampf um anerkennung), um mal ein modell zu benennen.

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  20. @annerl und toby: Wie wäre es, wenn ihr euren Gedankenaustausch auf einem öffentlich zugänglichen mindmap z.b. über Mindmeister.com veröffentlicht. Ich sage: Cool wär-s!

    Gruss AndiB

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  21. @Toby: Vielen Dank für die Abgrenzung bzw. Schärfung. Noch nicht ganz klar ist mir, inwieweit das Thema zunächst vornemlich ein deskriptives oder ein exekutives sein muss.

    Phenomenologisch lässt sich ja vermutlich nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen der fortschreitenden Diversifizierung der Christenheit und der schwindenden Gamzheitlichkeit ebendieser bibt. Stimmt diese (vielleicht etwas gewagte) These, wäre es ein Impuls, konfessionelle Grenzen zu überwinden, ohne neue zu schaffen.

    Unzulässig zusammengekürzt könnte man dann sagen, dass soziale und politische Irrelevanz der Christen ein Indikator für falsch gesetzte Prioritäten ist und das die fortlaufenden Abgrenzungsthemen der Kirchen für ihren Auftrag kontraproduktiv wirken.

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  22. @andi: gibt es bei euch nicht auch ein Forum? (http://www.futurefaith.de/forum/index.php) Dann werden wir bald die HP/blog von meinem neuen Buch (ZeitGeist) freischalten, in den Buch geht es auch um ähnliche Dinge, wäre auch eine Möglichkeit… und hier geht die Diskussion natürlich auch weiter…
    Am 1./2. Dezember wird es dazu auch ein größeres Forum geben, schon mal vormerken, wäre cool, wenn du dabei sein könntest.

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  23. @christopher: Ich glaube, dass du mit deinen Thesen recht hast, leider. Was die Exklusivität, bzw. das deskriptive vorgehen angeht, so glaube ich, dass erstes auf keinen Fall sein sollte und zweites nur ein Hilfsmittel. Um eine gesellschaftliche Relevanz zu erreichen kann es nur eine induktive Vorgehensweise geben, sonst geht es wieder an den Menschen vorbei und um die geht es ja. Meine blogeinträge versteh eich ganz in diesem Sinne, ein anfangen und entwickeln, ein gemeinsames Denken, um besser zu verstehen und zu hadeln und um zu vernetzen. Ich muss noch so viel lernen, da kann ich alle Hilfe gebrauchen..

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