“emerging Bewegung – ein Zwischenruf”

emergent deutschland, emerging church, ZeitGeist

Über den Jahreswechsel habe ich auch immer wieder an die emerging Bewegung in Deutschland gedacht, die im letzten Jahr durch emergent Deutschland und das ZeitGeistbuch doch einen richtigen Schub bekommen hat, zumindest was die öffentliche Wahrnehmung angeht. Einige meiner subjektiven und teilweise unsortierten Gedanken dazu in drei Bereichen.

Wofür ich dankbar bin:

  • Ich bin sehr froh, dass durch die Veranstaltungen im Herbst Bewegung in die ganze ec Diskussion gekommen ist. Die letzten Jahre war es doch sehr ruhig, in der virtuellen Welt gab es zwar eine intensive Auseinandersetzung, aber es war Zeit, dass es in die reale Welt gewechselt ist.
  • Gemeinden öffnen sich, merken, dass das ständige nach „innen gerichtet“ sein, zu einseitig ist. Viele sind vorsichtig, aber stehen der ganzen ec Bewegung positiv gegenüber.
  • Es darf theologisch (quer) gedacht werden. Bei den großen und kleinen Treffen rund um die ec Bewegung in Deutschland stoße ich auf eine große Freiheit und Offenheit ehrlich Fragen stellen zu dürfen, ohne gleich als „Ketzer“ verschrien zu werden. Das tut mir und vielen anderen gut. „Safe spaces“ sind nichts neues, werden aber neu belebt!
  • Denominationen sprengen: Auf dem Forum waren fast alle Denominationen und Gemeindeformen die ich kenne, was mich sehr motiviert hat. Unterschiedlichste theologische Richtungen können sich stehen lassen und über wichtige und aktuelle Dinge reden.
  • Es beeindruckt mich wie viele einzelne Leute, Kreise und ganze Gemeinden vieles was wir diskutieren praktisch umsetzen. Auch wenn es ein langsamer Prozess ist, so macht er Hoffnung.
  • Tolle neue Leute kennen lernen und von ihnen lernen. Manchmal wird der ec Bewegung ja vorgeworfen, dass es ein eingespielter Club sei, ich kann dies ganz und gar nicht bestätigen. 90% der Leute in der ec Bewegung kannte ich vor einem Jahr nicht persönlich. Ganz im Gegenteil mein Horizont wurde durch die Begegnungen erweitert.

Worin ich lernen möchte:

  • Viele Leute tun sich schwer nicht in festgelegten Kategorien zu denken, was immer wieder für Verwirrung sorgt, dass geht los in dem offenen Netzwerk emergent Deutschland, das tatsächlich offen und frei ist, so dass jeder mitmachen und partizipieren kann und geht weiter bis hin zu theologischen Begriffen, die (durch die Moderne) festgelegt sind und deren aufbrechen als Häresie verstanden wird. Hier möchte ich lernen noch klarer zu kommunizieren. Was für mich klar und verständlich ist, ist es für andere nicht, was auch an mangelnder Information liegen kann. Gerade was emergent Deutschland betrifft, wäre es ein „Ärgernis“ wenn Menschen nicht mitmachen, weil sie sich nicht eingeladen oder gar ausgeschlossen fühlen.
  • Umgang mit Kritik: Es gab einiges an konstruktiver und unkonstruktiver Kritik, konstruktiver möchte ich ernst nehmen und mich hinterfragen lassen, bei unkonstruktiver möchte ich mehr Gelassenheit lernen.
  • Leuten mehr Zeit geben. Ich beschäftige mich mit manchen Themen seit Jahren, manch andere auch, und für andere sind diese Themen neu. Ich möchte lernen die Themen die mir „auf der Seele“ brennen mit Geduld anzugehen und anderen die Chance geben einzusteigen.

Was meiner Meinung noch zu tun ist:

  • Vernetzung der verschiedenen Organisationen (Kirche 21, mosaic oder Forum Gemeindeinnovation). Hier wünsche ich mir die Zeit wirklich aufeinander zuzugehen und sich zu vernetzen. Auch was gemeinsame Veranstaltungen etc. betrifft. Die emerging Bewegung in Deutschland ist nicht so groß und stark, als dass sie sich es leisten kann, dass jeder sein eigenes „Süppchen“ kocht, sei es noch so postmodern.
  • Wir brauchen eine Dekonstruktion und auch Erneuerung mancher theologischer Meinungen, die sich in den letzten Jahrzehnen verfestigt und die biblische Lehre verbreitert oder verengt haben. Ich wünsche mir ein theologisches Ringen um verschiedene Themen wie Bekehrung, Versöhnungslehre, Evangelisation/Mission, Inspirationslehre etc. (vgl. Diskussion auf dem ZeitGeist blog)
  • Auseinandersetzung mit dem Phänomen Aufklärung/Moderne und die Auswirkungen auf unser Denken und Glauben. Ich glaube, dass wir hier immer noch sehr naiv von „Wahrheiten“ ausgehen, die uns hindern den Übergang in die Postmoderne überhaupt zu verstehen.
  • Die emerging Bewegung ist keine intellektuelle Bewegung, natürlich beginnt Veränderung mit dem Denken und einer Bewußstseinsveränderung (Römer 12,2), muss dann aber praktisch umgesetzt werden. Hier steht noch viel Arbeit vor uns, ob das „third places“ oder Gottesdienstformen in der Gemeinde sind. Emerging zielt auf Gesellschaftsrelevanz hin und motiviert zu missionalem (missionarisch-diakonischen) Handeln im Kontext des persönlichen Lebens als auch als ganze Gemeinde.

Dies sind nur einige Gedanken, es gibt sicherlich noch Ergänzungen….

23 Comments

  1. irgendwie lustig, ich mag ja den ausdruck “dekonstruktion” gar nicht und finde das auch als eine der grösseren schwachstellen der bewegung, dass ich sie nicht als konstruktiv erlebe sondern nur als hinterfragend.
    dennoch wurden schon alle(?) fragen, die du aufgeschrieben hast auf meinem blog bewegt, teilweise mit dutzenden kommentaren. und mit leuten aus verschiedenen denominationen.
    gerade dieses “überdenominationelle” liegt mir ja auch sehr am herzen.
    letztlich ist es ein methodisches vorgehen, dass mich von EC trennt (wobei ich mir fast denken kann, dass ich mehr teil der ganzen emerging diskussion bin, als ich zugeben würde). die vergangenheit hat viel von den diskussionen profilierter denker profitiert: luther gegen erasmus, luhmann gegen habermas , um nur zwei beispiele zu nennen.
    genau das fehlt mir hier, es ist mir zu wenig nur fragen zu stellen, interessanter wird es wenn meinungen sich auseinander setzen.
    damit will ich keinesfalls sagen, dass ihr keine meinungen habt, ich hoffe, das ist klar. nur, dass die meinung hinter der frage zurück steht.

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  2. Danke Storch, ich glaube da sprichst du einen wichtigen Punkt an, der in meinem Eintrag einfach vergessen wurde: die Anbindung an die Kirchengeschichte. Simon hat gerade eine interessante Abstimmung gemacht, wer an “historischen” Persönlichkeiten die ec Bewegung prägt und beeinflusst. Das ist für mich manchmal so selbstverständlich, dass ich es fast vergesse. Und deshalb schätze ich ja dich und deinen blog so. Und die Diskussion bei jesus.de 😉

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  3. Br. Manfred

    Hi Tobi.

    Keine Ahnung wie man über Bekehrung neu theologisch denken soll…

    1.John 5, 11.12 und Mt 7, 21 das sind für mich zwei grundlegende Punkte.

    btw: Ich denke, “überdenominationnelle” (ökumenische?) Dinge müssen vor den Baum gehen, weil wir Menschen sind. Menschen leben in Strukturen. Ich denke auf Dauer werden Leute überfordert, wenn sie nicht auch ihr Süppchen kochen können.

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  4. Einige Deiner Punkte kann ich nur unterstreichen. Wenn ich ein wenig “meinen Senf” dazu beitragen darf:

    Ich erlebe das ganze Netzwerk “Emerging Church” ähnlich, wie Storch es schon geschrieben hat: Fragen stellen um des Fragen stellens willen. Das dahinterliegende Konzept “Kirche in der (post-) Postmoderne zu sein” wird mir dabei viel zu wenig konkret. Deswegen darf man sich auch des Vorwurfs einer intellektuellen Bewegung nicht verschließen, was mich zum zweiten Punkt bringt: Ich erlebe die “Emerging”-Bewegung als eine (sorry, wenn ich das so sagen muss) recht arrogante Bewegung, die sich mancher konstruktiver (!) Kritik zu verschließen scheint (man nehme bspw. den Beitrag von Herrn Matthias in idea, der nicht einfach nur sch**** war, wie er von Vertretern von “Emergent Deutschland” dargestellt wird) und trotz immer wieder gegenteiliger Beschwichtigung meint, die Weisheit nicht mit Löffeln, aber dann doch in großen Portionen gegessen zu haben.
    Ich finde es schade, denn diese negativen Punkte verhindern, dass die so wichtigen und nötigen Gedanken der “emergenten Bewegung” flächendeckend Fuß fassen und ihre Kritiker überzeugen könnten.
    Ich hoffe, dass sich das in 2008 ändert und die kirchliche Landschaft durch die EC verändert wird.
    Liebe Grüße,
    Dave

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  5. äääh sorry, wenn der Kommentar ein wenig zu direkt war. Ich möchte es auch gerne etwas konkretisieren, was ich mit “arrogant” meine:

    Für mich als Außenstehenden, aber sehr Interessierten an der EC macht es den Eindruck, dass man sich gerne mit denen tummelt, die gleichgesinnt sind. Aber wehe es kommt Kritik. Dann ist Schluss mit lustig und man reagiert sehr “bissig”….bspw. der offene Brief an Herrn M. von idea. Nix für ungut – aber es gibt doch Wichtigeres, oder?
    Beispielsweise finde ich es sehr bereichernd und wichtig, dass “quer gedacht werden darf”, wie Du in Deinem Beitrag geschrieben hast. Ich glaube, da atmen einige erst mal wieder auf, nachdem der fromme, enggeschnallte Gürtel solch ein Aufatmen nicht zuließ (ich spreche da aus eigener Erfahrung…).
    Oder auch dass man Konfessions- und Denominationsgrenzen überwindet, ja ich glaube sogar diese Grenzen nicht einmal sieht….das ist doch super.
    Ich erlebe das hier in meiner Gemeinde, dass so manche Grenzen gar nicht existieren, die manch einer aufbauen will – und das sind doch große Chancen für die EC – und ich hoffe, dass diese genutzt werden.

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  6. @br. manfred: Ja, genau darum geht es, die “eigene Suppe” verlassen, um zu sehen, dass Gott aus vielfältige Art und Weise Menschen beruft und gebraucht. Was macht eigentlich HD?

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  7. @ dave: Danke für deinen ehrlichen Kommentar. Ich glaube, dass es gut ist, ehrlich zu sein, da nur dadurch Grenzen überwunden werden können und seinen sie nur gefühlt. Mit dem Arrogant ist das so eine Sache, ich kann dir nur sagen, dass ich glaube dass es eine Wahrnehmungsgeschichte ist. Viele Leute die sich zur ec Bewegung zählen kenne ich auch noch nicht so lange, aber das was ich bisher von ihnen kennen gelernt habe ist wirklich so, dass sie alles andere als arrogant sind. Für mich selbst glaube ich das natürlich auch ;), weiß aber, dass es schwer ist, was Neues zu denken und darzustellen, sich somit automatisch von was Altem abzugrenzen und dadurch Anderen Frage zu stellen. Dazu kommt, dass ich selbst manchmal unsicher bin und noch nicht alle Antworten weiß, mich verteidige, wo es vielleicht auch nicht nötig ist udn selbst auch verletzlich und empfindlich bin. Dazu fühle ich mich manchmal missverstanden und denke, dass ich es doch eigentlich nur gut meine und andere mir das aber für “schlecht” auslegen. Deshalb sind solche Dialoge ja (hoffentlich) hilfreich…

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  8. @Tobias: Danke für Deine ehrlichen Worte. Und ja, ich denke auch, dass es AUF JEDEN FALL eine Wahrnehmungsgeschichte ist. Die meisten der ec-Bewegung kenne ich nicht persönlich, sondern über andere oder über diveres Blogs. Und dass diese Menschen arrogant SIND – glaube ich einfach nicht.
    Nur wie die ganze ec-Geschichte vertreten und “nach außen” dargestellt wird hat manchmal diesen “arroganten Touch”. Aber in der Tat kommt das vielleicht daher, da es ja noch etwas Neues ist, das sich abgrenzen kann/will/muss – und auch bei mir selbst vielleicht Dinge auslöst, Dinge in Frage stellt, ja vielleicht sogar “zerstört” (ohne dass es so furchtbar sein muss wie es klingt), dass es mir schwer fällt, das anzunehmen – was bei Veränderungsprozessen ja meist der Fall ist, weswegen Veränderung in Gemeinden immer so schwierig ist.

    Das einzig “Arrogante” von Dir ist nur, dass Du auf meiner Seite für den HSV als Deutschen Meister getippt hast…..ich hätte ja durchdrehen können, als ich am letzten Spieltag der Vorrunde im Stadion war und Olic mit dem Schlusspfiff den Ausgleich gegen den KSC erzielte…..aber das nur nebenbei und augenzwinkernd ;-))

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  9. @ Dave: Es gibt momentan keine Strategie und auch keinen Masterplan wie die ec sich darstellt, da es ein offenes Netzwerk ist und jeder sich dazugehörig fühlen kann oder auch nicht. Das macht es spannend und uneinheitlich und auch manchmal schwierig, da jede udn jeder seinen Beitrag dazu gibt und es wenige offizielle Stellungnahmen gibt.

    Und ich sage dir: Der HSV wird noch MEISTER! Ja, die Hoffnung stirbt zu letzt… 😉

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  10. was dave sagt kann ich verstehen. oder besser: ich glaube auch, dass man maches als arrogant erleben kann. aber ich kenne ja viele von euch und weiss, dass ihr nicht arrogant seid. ich vermute, dass ein solcher eindruck sehr schnell entsteht wenn man ein system verlässt, denn damit wirkt man schnell so, dass man es “besser weiss als die anderen”. mir ist auch schon ein ums andere mal arroganz vorgeworfen worden (oder unüberlegtheit, was die andere seite derselben wahrnehmung ist). ich gebe da nicht zu viel drauf, versuche aber meine kommunikation zu verbessern, damit es weniger oft vorkommt.

    den offenen brief fand ich übrigens gut. ich hätte ihn wohl nicht geschrieben und einfach mit den achseln gezuckt, aber er war echt gut.

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  11. @storch: Aber das ist ja auch immer so, dass durch persönliche Kontakte und Beziehungen sich Einschätzungen verändern, auch von geschriebenen. Ich würde beispielsweise einiges was du über “Heilung “schreibst kritischer sehen, wenn ich nicht wüsste wie viele Gedanken du dir darüber machst. 😉

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  12. Anonymous

    @tobi: bist du wirklich der meinung, dass man in nicht festgelegten kategorien denken und leben kann? kannst du ohne kategorien erziehen?

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  13. @anonym: Ja, ich glaube tatsächlich daran, dass sich Kategorien verändern können und nicht für alle Zeit gleich beleiben. Gerade in der Erziehung merke ich das ständig. Zum Beispiel ändern sich die Kategorien, wenn die Kinder älter werden oder wenn sich äußere Umstände verändern (Schule Kindi etc.). Ich sehe Kategorien als Hilfsmittel zum Leben, die wir brauchen und nicht als Lebens- oder Glaubensform.

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  14. Anonymous

    @tobi: nenn doch mal sich verändernde kategorien in eurer erziehung, damit es konkreter wird und ich verstehen kann, was du damit meinst.

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  15. Zum Beispiel das älter werden verändert die Kategorie Tagesablauf oder inhaltlich was die Kinder dürfen oder nicht (z.B. TV schauen). Kategorien beschreiben in dem Fall inhaltliche Begrifflichkeiten, die einem Handeln zugrunde liegen. Klarer? Vielleicht wäre es mit theologischen Kategorien einfachen? 🙂

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  16. Anonymous

    @tobi: ne, nich ganz … dachte bisher, dass es sich um ethisch/moralische kategorien handelt. können menschen ohne diese denken/fühlen/handeln? ich verstehe diese fähigkeit des menschen als wesensmerkmal. frage ist nur, wer oder was mich prägt, ob ich es reflektiere und mir bewußt bin, wie meine kategorien von “gut und böse” aussehen. aber jeder hat sie in seinem kopf. erziehung ist ein super anschauungsfeld. kannst du erziehen ohne ethische kategorien? oder sich ständig verändernde ethische kategorien? was aus kindern wird, die sich ständig ändernden oder unklaren ethischen kategorien ausgeliefert sehen, kannst du dir gut in bestimmten Vierteln anschauen. es macht kaputt.

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  17. Jetzt verstehe ich dich. 🙂
    Das würde ich unter Werten verstehen, die eine Basis bilden auf der bestimmte Handlungen aufbauen. Also eine theoretische Beschreibung eines Inhalts. Aber da haben wir wohl etwas unterschiedliches verstanden…

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  18. Anonymous

    @tobi: noch mal zurück: was meinst du also mit deinem satz “Viele Leute tun sich schwer nicht in festgelegten Kategorien zu denken..”, wenn es keine ethischen kategorien sind? in was für kategorien denkt man deiner meinung nach?

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  19. @anonym: War die letzten Tage nur viel unterwegs. Bin jetzt wieder da und schau mal. Die Anonymität ist nur nicht gerade motivierend…

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  20. Anonymous

    neee, von meiner seite überhaupt nich. dachte, du wolltest mal evt. was schreiben… ich hatte ja ne frage gestellt. Danke fürs antworten.

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  21. Mit festen Kategorien hab eich die theologischen Kategorien gemeint, wie zum Beispiel “liberal” oder “evangelikal” etc. Da wird was gelabelt und dann damit gehandelt. Aber diese Kategorien brechen in der Postmoderne zunehment auf und dann gibt es Verwirrung…

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