“McLaren & die vier geistlichen Gesetze des Kapitalismus”

Christsein, Gesellschaft


Mitten in der größten Bankenkrise der Nachkriegszeit habe ich heute McLarens neues Buch „Höchste Zeit umzudenken! Jesus, globale Krisen und die Revolution der Hoffnung“ auf den Schreibtisch bekommen. Das Buch erscheint (leider) mit perfektem Timing. Gerade in einer Situation in der der globale Kapitalismus seine ungezügelte Fratze zeigt und die letzte Utopie der Menschheit platzen lässt, beschreibt ein Christ genau dieses selbstmörderische System mit fast prophetischen Blick. McLaren beschreibt in seinem Buch das Wohlstandssystem, in dem der Kapitalismus herrscht in vier „geistlichen Gesetzen“: (S. 153-155)
• Das Gesetz vom Fortschritt durch schnelles Wachstum
• Das Gesetz der Gelassenheit durch Besitz und Konsum
• Das Gesetz der Rettung durch Wettbewerb allein
• Das Gesetz der Freiheit des Unternehmerwachstums durch unverantwortlich handelnde Konzerne
Christen im Westen waren schon immer sehr anfällig gegenüber dem Kapitalistischen System und haben es sogar weitgehend gefördert (wie Weber nachgewiesen hat). Jetzt stehen wir da, sind fassungslos und klagen. Wer noch vor ein paar Wochen den Kapitalismus kritisierte wurde als „linker Ideologe“ belächelt, jetzt sitzen wir vor einem Scherbenhaufen, dessen Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Das jetzt ausgerechnet der von der Börse verachtete Staat für die verzockten Milliarden herhalten soll grenzt an Zynismus und so machen, ironischer Weise, ausgerechnet die ungezügelten Kapitalisten Marx zum Propheten. Das kapitalistische Heilsversprechen der Freiheit durch Macht und Geld hat unübersehbare Risse bekommen. Das Problem? Diese werden gekittet werden, jeder wird die Schuld auf den anderen schieben und wenn sich alle beruhigt haben geht es weiter wie bisher. Und die Christen werden durchatmen und denken: „Glück gehabt, sonst hätte ich mich auch noch damit auseinandersetzen müssen!“ Tja, da bleibt am Schluss nur eine Frage: „Würde Jesus den Kapitalismus lieben?“

Hier gibt es eine Rezension zu „Höchste Zeit, umzudenken!“

11 Comments

  1. Das sind richtige und wichtige Anfragen! Nur ich frage mich besorgt, wo die Alternativen sind? Ist an der Planwirtschaft nicht auch schon die Geschichte vorbeigezogen? Als gelernter DDR-Bürger hab ich diese Plan-Misswirtschaft miterlebt; ist weder sozial noch wirtschaftlich. Das kann es auch nicht sein. Wenn ich so drüber nachdenke, bin ich mehr denn je von der sozialen Marktwirtschaft als generelle Wirtschaftsform überzeugt. Hier kommt der Faktor Staat, Ausgleich und Regulierung dazu und das halte ich für wichtig, obwohl ich trotzdem ein “zu viel Staat” für schwierig halte.

    Allerdings hat der Gedanke an arbeitslose Banker, die evtl. sogar in Hartz IV reinfallen, durchaus was sehr sympathisches an sich. Das sage ich mal ganz ungeniert.

    Die Rolle der Christen, die du ansprichst, halte ich auch für wichtig. Spätestens jetzt sollten die ja mal aufwachen und schauen, wo sie die ganze Zeit geblieben sind, als von Arbeit und Wirtschaft und Finanzen gesprochen wurde?!

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  2. Ja, das kann ich gut verstehen. Aber es muss ja noch was anderes geben als kommunistische Planwirtschaft und ungezügeltem Kapitalismus. Aber ich gebe auch zu, dass ich auch keine Lösung habe.
    Aber ich kann anfangen darüber nachzudenken udn mein eigenes kleines kapitalistisches Herz zu überprüfen und in Frage zu stellen, auch wenn das nur ein kleienr Anfang ist…

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  3. Schon Erhard hat vor den Auswüchsen der sozialen Makrtwirtschaft gewarnt, und wurde ausgelacht.

    Natürlich brauchen wir Marktwirtschaft! Aber ein “unerlöster” Mensch wird seinen Vorteil suchen.
    Zum Thema Kommunismus: Wir haben früher in Diskussionen immer gesagt, dass nicht die Veränderung von Umständen den Menschen besser macht, sondern ein besserer Mensch die Umstände. Der Mensch kann nur durch Gott gebessert werden.
    Das betrifft genauso die Marktwirtschaft.
    Genauso wie gegenüber dem Kommmunismus besteht die Notwendigkeit, dass Christen in der Marktwirtschaft Stellung beziehen.
    Das haben gerade wir Ostchristen ein gutes Stück verkannt

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  4. Ja, da hast du mit Sicherheit recht, die Veränderung muss von innen nach außen gehen. Aber ich glaube, dass auch die Rahmenbedinungen stimmen müssen. Die Außenwirkung von Christen in die Gesellschaft rein ist erschreckend gering. Wie du sagst, Christen müssen Stellung beziehen!

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  5. Ich bin der Überzeugung, das Jesus den Kapitalismus nicht lieben würde. Einfach weil die ersten Christen den Kommunismus gelebt haben. Sie haben nämlich alles geteilt und nichts als Privateigentum angesehen.(Apg 4,32)
    Das wird allerdings nur in kleinen (christlichen ?) Gemeinschaften funktionieren. (Shane Claiborne praktiziert ja ein ähnliches System)

    Ich hab mich in den letzten Monaten recht viel mit Besitz und Wirtschaftssystemen auseinandergesetzt und habe dabei herrausgefunden, dass Konzerne im Ursprung nur für gemeinnützliche Ziele arbeiten und existieren dürfen. Heute ist es gesetzlich Verankert, dass ein Konzern seinen Gewinn über alles andere stellen muss. Andernfalls können die Aktienbesitzer den Konzern anklagen.
    Ich bin der Meinung, dass es unheimlich viel ausmachen würde, wenn man die Gesetzesgrundelage so verändern würde, dass z.B. Menschenrechte wichtiger sind vllt, sogar Arbeitsplätze, Umweltschutz, allgem. Wohlstand etc.
    Herr Deichman hat in seinem Interview auf dem Christivaln gesagt, dass er Gewinnmaximierung für Unsinn hält, und er praktiziert/verwendet viel leiber den Begriff “unternehmensnotwendiger Gewinn”.
    Das halte ich für einen äußerst klugen Gedanken.
    Ich glaube nicht, dass es eine alternative zum Kapitalismus gibt, die auch überall funktioniert, es aber notwendig ist, den Kapitalismus an ein paar Punkten zu verändern.

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  6. Und schon wieder ganz am Puls der Zeit.

    Die gegenwärtige Krise ist in der Tat beunruhigend, und ich stimme dir aus vollem Herzen zu, dass es gerade jetzt nötig und wichtig ist, dass wir uns als Christen endlich mal mit den Themen unserer Gesellschaft beschäftigen.

    Denn hinter unserer Wirtschaftsordnung steckt mit Sicherheit sehr viel mehr, als uns gemeinhin bewusst ist.

    Was sagte Jesus noch mal über Mammon?
    Zeit aufzuwachen, und uns mal ein paar Gedanken darüber zu machen, wie wir als Christen in mitten dieser Krise wirksam werden können.

    Und ich bin sicher, wenn wir uns das alte Testament mal genauer anssehen, dann finden wir dort auch ein paar sehr dezidierte Ausführungen darüber, wie eine Wirtschafts und Sozialordnung im Sinnne Gottes aussehen kann. Die Mühe müsste man sich halt erst mal machen.

    Eines ist sicher: Jammern, kritisieren und klagen wird uns hier nicht weiterbringen.

    Da braucht es wohl eher Gebet, Vision und mutiges Handeln und Wirken in die Gesellschaft hinein.
    Die Frage ist, ob sich da in unseren gemütlichen westlichen Gemeinden Menschen finden, die sich sowas von Gott aufs Herz legen lassen. Oder Gemeinden, die sich von Gott eine Vision schenken lassen, solche Menschen freizusetzen und zu unterstützen.

    Ich werde mir Mc Laren auf jeden Fall mal vornehmen und versuchen meine Gedanken diesbezüglich zu konkretisieren.

    Lieben Gruß
    Samuel

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  7. “Gerade in einer Situation in der der globale Kapitalismus seine ungezügelte Fratze zeigt und die letzte Utopie der Menschheit platzen lässt, beschreibt ein Christ genau dieses selbstmörderische System mit fast prophetischen Blick.”, Tobias Faix.

    Lies das mal mit der Brille eines intellektuellen nicht christlich-sozialisierten Menschen.

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  8. Anonymous

    Durch die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus wird er immer wieder die Systemfrage aufwerfen.

    Ich denke es zeigt sich auch in der aktuellen Krise die Notwendigkeit zur globalen Angleichung und Installierung von engeren Rahmenbedingungen in deren Grenzen “wir” das freie Spiel der Marktkräfte zulassen wollen.

    -Jesus himself hat gegen das marktwirtschaftliche Zusammenarbeiten seiner Geschöpfe wahrscheinlich nix einzuwenden. Leider ist das zugehörige Gesellschaftssystem des Kapitalismus mit seiner Ökonomisierung aller Lebensbereiche, dem Effizienz-Overkill und der Macht-Geld-Kopplung sehr stark von dem moralischen Niveau ihrer Mitglieder abhängig. -Der Staat übernimmt weniger Ordnungsfunktionen und lässt dem Individuum mehr Handlungsspielraum. Leider kann man in der derzeitigen Phase des Kapitalismus Häuser auf Pump kaufen obwohl man nicht flüssig ist und kann mit anvertrautem Kapital hochriskante Finanzprodukte kaufen deren Risiko unkalkulierbar deswegen ist weil im worst case nicht nur das angelegte Geld futsch ist, sondern das gesamte Finanzsystem schädigen.

    -Trotz aller Mängel, die Marktwirtschaft hat nicht ohne Grund in nahezu allen Teilen der Welt die Planwirtschaft abgelöst und ist trotz grausamster Nebeneffekte das am wenigsten schlimme Wirtschaftssystem.

    (fuck, echt lang geworden)

    gruss und lob für deinen blog, marcel

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  9. @christoph: bin leider christlich sozialisiert und nicht intellektuell, deshalb verstehe ich nicht worauf du hinaus willst? Kannst du mir helfen?

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  10. Weiterhin sehr aktuell – das Thema des Buches und der Kommentare!

    Mir ist auch ein interessantes Buch in die Finger gekommen: “Das Kapital – ein Plädoyer für den Menschen” von Reinhard Marx, Erzbischof von München+Freysing. Der Autor setzt sich anhand von seinem Namensvetter und dessen Ideologie, sowie auf dem Hintergrund der Geistesgeschichte (Europas) der letzten Jahrhunderte, mit den Tücken des Kapitalismus auseinander. Dabei formuliert er interessante (Weiter-) Denkansätze für Alternativen und erklärt die Zusammenhänge und Auswirkungen des Kapitalismus anhand von anschaulichen Beispielen aus aller Welt.

    Aber auch Reinhard Marx schreibt und argumentiert natürlich aus seiner persönlichen christlichen Sozialisation, aus Seinem eigens entwickelten (individuellen) christlichen Menschen- und Weltbild.

    Für einen wirklich gebildeten Menschen in unserer toleranten postmodernen Gesellschaft des Nebeneinanders und Ineinanders verschiedenster Weltanschauungen und Menschenbilder, dürfte es meiner Meinung nach eine nicht allzu schwere Übung sein, dieses Buch auf dem genannten Hintergrund zu lesen, und dabei möglicherwiese sogar noch einige Vorurteile gegenüber dem Christentum abzubauen.

    Empfehlenswerte Lektüre!

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