„Was ist die emerging church? Part 2: Die deutsche Entwicklung”

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Im Jahr 2006 haben sich verschiedene Leute vernetzt, die sich via Internet über blogs zum Thema emerging church unterhalten haben. Dazu kamen international Kontakte zur britischen und amerikanischen Bewegung. Aus dieser losen Verbindung ergab sich ein Treffen, mit dem Ziel, die bis dahin nicht vernetzten deutschen Ansätze etwas zu koordinieren. Daraus ist der Initiativkreis „emergent Deutschland“ entstanden. Dies ist ein offener Kreis, der das jährliche emergent Forum und die emergente Inititiven organisieren. Emergent Deutschland möchte ein Netzwerk sein, welches die Fragen zu Gemeinde, Theologie, Kultur Gesellschaft für Deutschland zu stellen. Darüber hinaus sollen „sichere Räume“ entstehen, die einen offenen Dialog über die unterschiedlichen Fragen zulässt, ohne gleich zu urteilen oder verurteilen. Dabei soll der Name „emergent Deutschland“ sowohl die internationale Vernetzung als auch die eigene Identität für Deutschland ausdrücken. Der Name kommt vom lateinischen emergere: auftauchen, hervorkommen, sich zeigen und beschreibt das „Erscheinen“ von Phänomenen auf der Makroebene eines Systems, die erst durch das Zusammenwirken der Subsysteme in der Mikroebene wirken. Das bedeutet, dass „emergent“ das Phänomen bezeichnet, dass sich bestimmte Eigenschaften eines Ganzen nicht aus seinen Teilen erklären lassen, also: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Dies bedeutet, dass man nicht von einem einzelnen Teil, zum Beispiel einer Veröffentlichung aus Amerika, auf die ganze Bewegung schließen kann. Deshalb ist die international globale Bezeichnung „emerging church“ für Deutschland eher irreführend, besser trifft es die Beschreibung „emergent conversation“. An der „emergent conversation“ in Deutschland nehmen Christinnen und Christen aus allen Konfessionen teil, von Freikirchen (Brüder, Baptisten, Methodisten, FeGs etc.) bis zur Evangelischen und Katholischen Kirche. Die „emergent conversation“ ist also ein offenes Netzwerk an dem jede und jeder eingeladen ist mit zu machen.Ergebnisse dieser Gespräche werden in der „Edition Emergent“ veröffentlicht.

7 Comments

  1. Buona sera signore Faix,

    die internationale EC-Bewegung leidet m.E. darunter sich nicht recht determinativ und wissenschaftsterminologisch, d.h. damit u.a. auch theologisch und soziologisch, ausdrücken zu können. Sie schafft m.E. z.Zt. eher noch Polysemie. Statt implikativ setenzielle Erscheinungen innerhalb der gegenwärtigen Lebenswirklichkeit (inkl. kirchl. Landschaften) zu beschreiben, erfolgen deformative wesenwidrige Beschreibungen. Damit kratzt sie zu leicht dem ein oder anderen Frommen die Nackenhaare:-)… ungewollt:-). Bei der Hypothesenbildung werden wissenschaftliche Regeln und Gepflogenheiten des Erarbeitens nicht eingehalten (natürlich mithilfe utilitaristischer Argumentationsprinzipien), induktive Aussagen werden widerlegt, die jedoch “nur” aus Prämissen abgeleitet wurden. M.E. bedarf gerade die Erörterung diverser gebräuchlicher Ableitungslinien bzgl. div. Hypothesenbildung der EC-Bewegung, dringend einer fundierteren Reflexion und Diskussion.

    Zu dem Grundkonflikt dem die EC-Bewegung ihren musikalischen Akkord entgegensetzt, wobei ich hier eher auf eine erweiterte Substitution eines bereits bestehenden Akkords mich beziehen würde, der bereits bei Pannenberg und Co thematisiert zu entnehmen ist, ist u.a. auch die Frage nach dem (rechten) Umgang und vielschichtigen Folgen einer (möglichen) theologica (ir)regenitorium. Ehrlicherweise und m.E. positiv muss man der EC-Bewegung, die ich ebenfalls wie Du, als nicht einheitlich beschreiben würde, zugestehen, dass sie begriffen hat, dass es keine Widerspruchsfreiheit im Kontext kontradiktorischer Sachverhalte gibt, sie jedoch m.E., wie es bereits J. Hick tat, zu sehr daraus den Fokus auf eschatologische Verifikationen legt.

    In der gesamten EC-Diskussion bzgl. der Kontextualisierungsthematik, werden interessanterweise jedoch alle die Themen ausgeklammert, die in der Mediensoziologie und der Soziologie der Post(post)moderne eine “wesentliche” Rolle in der Diskussion spielen, nicht beachtet. Warum nur? Kontextaulismus bedeutet für mich erst einmal eine essentielle Orientierung von Studien aller Fachbereiche, die sich in dem Verständnis manifestiert, dass eben kein kulturelle(s/r) Produkt, Aspekt und keine kulturelle Praxis außerhalb des kontextuellen Kontext fassbar ist, in dem diese wiederum stehen. – Könnte nun auf zahlreiche soziophilosph. Schriften hinweisen.

    Wie Du weißt, beschäftige ich mich seit langer Zeit sehr stark mit diesen Inhalten. Ich will nur einige Gedanken “ankratzen” – meine Liste ist nun 60 Stichwörter lang; daraus die ersten … ggfs. wird es eines Tages ja ein Buch.

    1) Die Alltagskompetenz, d.h. für mich die intuitive, diskursive und häufig nicht bewusste alltägliche (Sprach-)Aneignung (vor allem innerhalb der Emerging Culture, nämlich durch die Digitalisierung und Mobilisierung der Gesellschaft mit ihren Konsequenzen), die in Fachkreise als (semiotisches) Strukturprinzip und Aneignungformation bezeichnet wird, hat nachhaltige und rezipierende Aspekte. Menschen der Emerging Culture sind keine kulturellen Banausen oder dicke, abgestumpfte Trottel, sondern gesellschaftliche Nutzer, die über eine Medienliteralität verfügen. Wie hat sich die Narration und Oralität der Menschen im Fazit denn nun verändert? Wie geht die Kirche damit um (Thema Stimulus-Reponse-Modalität)? Nun kommt es: Während die Kirchen bis vor 100 Jahren jegliche Literailität voran brachten, haben sie nun aber den Anschluss verloren (könnte das an vielen Beispielen verdeutlichen; siehe Bildungsbereich: Game Based Training bei der Theologischen Ausbildung? – Fehlanzeige; Auseinandersetzung mit intrinsischen Faktoren durch Medien? Fehlanzeige; Diskussion hinsichtlich der Hemmungs- und Übeschätzungsthesen innerhalb der Emerging Culture durch Neue Medien vs. Bricolagethese hinsichtlich der veränderten Emerging Culture? Fehlanzeige, Intrinsische Faktoren in Gottesdiensten? Fehlanzeige, Umgang mit sensorischen Modalitäten in Gottesdiensten – Fehlanzeige, syncron und asyncrone Gesellschaftsentwicklung im Kontext der Kirchenentwicklung – kaum Beachtung. Bitte diese Anmerkungen als Anreiz verstehen! Wir müssen m.E. unbedingt mehr die Hausaufgaben machen, um unsere Gesellschaft besser verstehen zu können.

    2) Sowohl die EC-Bewegung als auch bestehend tradierte Kirchen beschäftigen sich m.E. zu wenig mit der soziologisch bezeichneten “Alltagswelt”: Wie sieht die Wirklichkeitserfahrung der Menschen dieser gegenwärtigen Wirklichkeit überhaupt aus?

    3) Ich möchte hier nur die ersten Themen in Stichworten erwähnen, die für mich einer Analyse Wert sind:

    a) EC-Bewegung setzt auf Bricolage-Modalitäten. Sie nutzt damit wiederum auch semiotische Ressourcen der Digital Culture. Sie reflektiert darüber aber nicht recht. Sie benutzt Bricolagefaktoren utilitaristisch, um eine Intrepreatationsgemeinschaft zu konstituieren, die dann jedoch nur eine Gruppe von Rezipierenden darstellen, deren Mitglieder a) bestimmte Genre-Präferenzen teilen (vgl. beispielsw. bei ICF, Hillsong, Mosaic – auch wenn diese sich nicht zu EC gehören … jedoch ähnliche Typologie), b) bestimmte Rastertypologien von Teilaspekten teilen (Vision, DNA, Gen, Heart-Beat, XY) c) bestimmte Formen oder Praktiken des Umgangs mit ihnen teilen. Das ist theologisch m.E. zu wenig für ein ekklesiolog. Modell.

    b) Ein weiteres wichtiges Thema wäre die Diskursivität der Emerging Culture: Die EC-Bewegung bemüht sich im diskursanalytischen Sinne regulierte Optionen des Kommunizierens zu nutzen, die jedoch ein bestimmtes Wissen und bestimmte Repräsentationen konstituieren. Tja, leider muss dem jedoch eine Diksursanalyse voraus gehen, sonst kommt bei Gegenüber ja nur Artikulation an, nämlich als temporäre Verbindung mit verschiedenen diskursiven Elementen, die dann wiederum nur als zusammengefügte Einzelaussagen verstanden werden – dadurch Missverständnisse und Fehlinterpretationen.

    c) Warum hat sich die EC-Bewegung noch nicht tiefgehender mit dem Essentialismus der Emerging Culture auseinandergesetzt? Stellen soziokulturelle Kategorien wirklich “die Wirklichkeit” dar? Der Ansatz der Culture Studies und damit der Emerging Culture Studies ist jedoch strikt anti-essentiell orientiert!!! Von daher klafft hier etwas zwischen der EC-Bwegung m. ihren Erfahrungen und den Ergebnissen der Emerging Culture Studies. auseinansder. Anders ausgedrückt ist ggf. die Bezeichnung der Emerging Church ggfs. nicht ganz treffend (vgl. Welker in seiner Pneumatologie in Anlehung an Härle, der mit “Emergenzen” etwas anderes verbindet, als die EC-Bewegung – hatte bei beiden inkl. Schwöbel damals Hauptseminar und gelernt)?

    d) Ethnografische Analysen sind natürlich wichtig und wurden seitens der EC-Bewegung m.E. ür die 1. Welt wieder mehr ins rechte Licht gerückt. Die Missionswissenschaft hat die letzten Jahrzehnte zu sehr in die 2.- und 3. Länder geschaut und dabei leider die eigene Heimat vergessen.

    e) Innerhalb unserer Freizeitgesellschaft müssen wir uns m.E. dringend auch mit dem Flow- und Formationsaspekt unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Der Gender-Aspekt wurde bereits innerhalb der Soziologie lange berücksichtigt und wird nun, wenn man neuere theolog. Überblickstudien verzeichnet, wahrgenommen …… leider 35 Jahre, nach der Einführung empirischer Studien in anderen Fachbereichen. Den Kirchen geht das irgendwie am Sinn vorbei. Ggfs. gehts den Kirchen noch nicht schlecht genug. Sie müssen den Knall ja sehen, statt Hören. Oder wie sagt man: “Der letzte macht das Licht aus.” Bitte, als Anreiz verstehen!

    e) Komischerweise beschäftigt sich die EC-Bewegung nicht zu sehr mit dem Globalisierungsfaktor: Durch die o.g. Neuen Medien und die Mobilitätsgesellschaft leben wir in einem komplexen, vor allem mehrschichtig ökonomischen und soziokulturellen Prozess, der durch die Zunahme weltweiter Verbindungen (Digital Content Culture) verschiedener Art gekennzeichnet ist, wobei dieser interessanterweise weniger zu einer kulturellen Homogenisierung beiträgt (wie einige Missionsw. meinen) denn zu einer zunehmenden Verflechtung einzelner lokaler Kontexte. Diesen Aspekt hat die Missionswissenschaft m.E. zu defizitär interpretiert.

    f) EC-Bewegung und Synkretismus: Ich denke, dass bei einigen EC-Anhängern eher Hybridität vorliegt, nämlich eine Mischung von Elementen verschiedener soziokulturel. Kontexte im Prozess der Konstitutionen neuer Bedeutungen, insbesondere Identitäten. Fromme Schwarz-Weiß-Analytiker interpretieren zu schnell Synkretismus in alles möglich rein. Ich denke, die EC sollte ihr Anliegen besser artikulieren und vor allem überdenken, wie sie es artikuliert (wobei wir bei einem weiteren soziologischen Aspekt und Thema wären, nämlich der Repräsentation).

    Einige wenige meiner thematischen Stichworte, die deutlich machen sollen, dass es noch sehr viel zu erarbeiten gibt.

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  2. Lieber Giovanni,

    hast Du schonmal darüber nachgedacht, Deine Sprache etwas zu entschlacken? Deine Thesen sind nämlich sehr interessant und hätten mehr Leser (und Versteher) verdient.
    Bitte auch nur als Anreiz verstehen. 🙂

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  3. @giovanni: Vielen Dank für diesen engagierten Beitrag, ich glaube, dass du viele gute und berechtigste Fragen stellst, die wir gemeinsam angehen müssen. Aber die ganze Bewegung ist ja erst am Anfang, gerade in Deutschland. Wir haben, wie du ja auch sagst, eine ganz eigene Theologie- und Kirchengeschichte und erwachsen aus etwas bestehenden heraus. Ich hatte am Wochenende eine sehr interessantes Gespräch mit einer Religionswissenschaftlerin, die an der Uni ihr Dissertation im Bereich EmCh schreibt. Das ist aber immer noch die Ausnahme. Ich habe Kontakt zu einem Professor aus Princeton, der momentan alleine fünf Dissertationen aus dem EmCh Kontext betreut. Bei uns interessieren sich die Unis momentan nicht für diese Thematik, da sie sie nicht kennen. Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor uns…

    P.S. Was ist Kontextaulismus?

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  4. @ Toby: Mir ging es um Kontextualismus – war ein Verdreher, da zur sehr späten Stunde getippt.

    In der Emerging Culture Studies sind wir aber wesentl. weiter in Dt als in vielen anderen Ländern der Welt. Gff. sollten wir nicht nur gucken, was Theologen, Missions- und Religionswissenschaftler publizieren; in anderen Disziplinen passiert mehr (ehrlich gesagt sehr viel z.Zt.).

    Ich bezog mich ja auf die internat. “Fachterminologie” und die bewirkt leider bei der EC eher Polysemie innerhalb einer Populatkultur, d.h. Mehdeutigkeiten von (Text-)Inhalten, d.h. sie konstituiert durch bedutungsgenerierende Mechanismen ein mehrschichtiges Bedeutungsangebot, weswegen der Rezipierende verschiedener soziokultureller Kontexte diesen auch unterschiedliche Bedeutungen, d.h. Lesarten zuweisen kann. Dies wäre aber zu berücksichtigen, wenn die EC-Bewegung ihr Anliegen mehr Publik machen will. Will heißen, die EC (aber das gilt auch teilen der angloamerikan. Missionsw.), gibt Inhalten eine Bedeutung, die jedoch im Umkreis anderer wissenschaftl. Fachbereiche, eine andere Bedeutung haben. Das ist nicht dienlich.

    @ Daniel: Sorry, mir ging es aber darum fachlich, kurz, knapp, tiefgründig einige wissenschaftsterminolog. Untersuchung anzureißen. Die Vereinfachung sämtlicher Inhalte würde den Rahmen hier sprengen. Geht man aber den Begriffen, die ich erwähnte nach, erschließen sich einige Teilaspekte.

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  5. @giovanni: Ja, unter der Polysemie der EmCh “leide” ich ja sogar persönlich (:)), da viele Leute nicht in der Lage sind die unterschiedlichen Entwicklungen zu differenzieren, aber genau das macht anderseits die EmCh Bewegung auch wieder aus, dass sie sich erst kontextuell (sozio-kulturell und auch theologisch) erschließen lässt. Die Idee mit einem Buch finde ich gut, wobei die Schwierigkeit wie so oft darin liegt, dass sich wissenschaftliche Literatur in Deutschland nicht verkauft, aber ich finde es gut, wenn du dazu einen Beitrag ablieferst.

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  6. Anonymous

    Der Beitrag von Herrn Giovanni wäre der Vorspann zu einer zweiten Doktorarbeit.
    Ist es nicht möglich, auf Dr. Faixens Artikel so kurz und verständlich zu antworten, dass Normalbürger auch noch mitkommen? Ein sehr gescheiter hochstudierter Mann erklärte mir einmal, was so hochgeschollen und unverständlich ausgedrückt wird, hat immer den Beigeschmack von Unwahrheit.

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  7. Anonymous

    Na Tobi, da hast du dich ja auf was eingelassen 😉 Ein interessierter Leser und Freund aus der Hauptstadt.

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