“Warum Moral?”

Gesellschaft, Kultur & Glaube, Predigt

Ich habe letzte Woche über das Thema gepredigt: „Warum Moral?“ und ich muss sagen, dass mich das Thema vorher und nachher doch ganz schönbeschäftigt. Auf der einen Seite hat Moral gerade Hochkonjunktur und die halbe Welt zerreißt sich die Mäuler über Managerbonuszahlungen und selbst der Bundespräsident forderte in seiner Berliner Rede: „Der Markt braucht Regeln und Moral.” Und alle fanden es gut! Aber wie sagte der gute alte Schopenhauer schon: „Es ist leicht über Moral zu predigen und schwer sie zu begründen.“ Und noch schwerer sie zu leben. Das Interessante ist ja, dass mir die unmoralischen Verhaltensweisen immer bei allen anderen zuerst auffallen. Bei der Predigt war das auch so, ob die Bonizahlungen der Manager unmoralisch seien, bejahrten fast alle. Auf die Frage, ob es unmoralisch sei, bei H&M einzukaufen meldete kaum jemand. Dabei ist das eine berechtigte (moralische) Frage. Genau genommen geht es um das “House of Sunshine” in Bangladesch, welches seit langem für den Modekonzern H&M Kleider produziert. In der Fabrik arbeiten rund 1.700 Menschen, meist Frauen, 6 Tage die Woche, 12 Stunden pro Tag, für 40 Dollar im Monat! Das reicht für ein Leben in den Slums, ohne Perspektive. Jetzt gibt es verschiedene Klagen gegen den Konzern. Plötzlich ist der eigene Geldbeutel wieder so nah wie dem Manager seine Bonizahlungen…

17 Comments

  1. Das mit H&M stimmt schon- aber ich frag mich manches mal: Wo soll man denn noch einkaufen? Esprit produziert genauso Menschen unwürdig und verscherbelts Zeug sauteuer, H&M ist nicht besser ect….es gibt kaum noch Klamotten Läden die fair produzieren- oder irre ich mich da und ich hab einfach nur was übersehn? Ist ne ernstgemeinte Frage.

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  2. Ich höre mir in den letzten Tagen öfters beim Diskutieren mit mir selbst zu, ob ich nicht doch die Bauarbeiter ansprechen soll, die gleich um die Ecke die Straße neu bauen, um mir meinen Erdhaufen vor’m Haus mal eben schnell wegfahren zu lassen. Schwarz natürlich, macht doch jeder so …

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  3. Ja, die meisten finden es gut, wenn anderen Moral gepredigt wird. Das ärgert mich gerade an der Diskussion um die Bonuszahlungen etc. In meinen Augen geht es dabei nicht um Moral, sondern um Neid. Moral fängt im Finanzgeschäft doch beim kleinen Mann an, dem es aufgrund von hohen erwarteten Renditen wurscht ist, was sein Geld da genau macht.

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  4. Tolles Thema!

    Ich frag mich sowieso, warum Christen immer so geil auf Moral sind. Warum drängen wir immer mit Moral und Regeln an die Öffentlichkeit? Da wird die Reihenfolge aus Matthäus 28,19 doch ad absurdum geführt.
    Es geht doch nicht um Moral, sondern um Gnade! …oder?

    Und im Wirtschafts- und Finanzsystem Moral und Mäßigung zu fordern, ist entweder scheinheilig oder naiv. Wahrscheinlich beides. Das System (und damit auch unser Wohlstand) beruht auf Gewinnmaximierung (= Maßlosigkeit). Das kann (und sollte) man reglementieren. Aber man wird die Wölfe nicht zu Schafen machen können. Ich persönlich scheiße auf Pelze. 😉
    homo homini lupus – und das ist auch nicht so schlimm, wenn man es vernünftig reglementiert.

    Wer unflätige Worte findet, darf sie behalten. 🙂

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  5. P.S. Es gibt übrigens ein schönes Bsp aus England in dem ausgerechnet Studenten sich organisiert haben und über Monate nur fair gehandelte Pullover gekauft haben, nach ein paar Monaten haben Stück für Stück alle bekannten Marken angefangen fair gehandelte Pullover in ihre Angebote aufzunehmen …

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  6. @daniel: Das ist ja genau das Thema: Wie leben wir in dem System? Ist es gottgewollt und wir sollen und können darin gut leben oder nicht?

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  7. Die Frage, wo man denn überhaupt noch einkaufen kann, stell’ ich mir auch immer häufiger… Vermutlich kann man es echt nur schrittweise umstellen. Habe gerade gestern auch noch eine hilfreiche Seite dazu gefunden: http://www.bransparent.com

    Ansonsten frage ich mich dauernd, wie lange es denn überhaupt noch gutgehen kann, dass das System eben auf Gewinnmaximierung basiert. Ich bilde mir ein, dass mein gesunder Menschenverstand mir z.B. dieses sagt: Es kann langfristig nicht klappen, dass dauernd neue Autos produziert und gekauft werden müssen. Ist doch eigentlich ‘ne Milchmädchenrechnung, oder? Warum hör’ ich das aber selten bis nie öffentlich?

    Sehr interessantes Thema…

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  8. Witzig, ich habe am Sonntag auch über Moral gesprochen. Mir kam folgender Gedanke:Wenn wir unser Verhalten nur an moralischen Regeln ausrichten, dann entsteht ein System, dass früher oder später ohne Gott auskommt. Es gibt die Kategorien des Verhaltens: Böse (Managerboni und H&M-Einkauf), Neutral (Milch bei Aldi) und Gut. Das System funktioniert so: Ich versuche das Böse zu vermeiden und strebe das Gute an.
    Ich glaube, dass dieses moralische System der eigentliche Grund für unsere vertrackte Situation in der Welt ist. Wir vergessen dabei, dass wir in unserem Guten, das wir tun letzltich doch an unsere eigenen Interesse gebunden sind.
    Der Weg Jesu ist ein anderer. Er orientiert sich an einem Maßstab, der außerhalb der Welt liegt: Der Wille des Vaters. Und der Wille des Vaters war es, dass Jesus uns aus diesem Dilema erlöst.
    Ich weiß auch, dass das viele praktische Fragen offen lässt. Aber es stellt uns in die Abhängigkeit von Jesus und das scheint mir der bessere Weg zu sein!

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  9. @Andreas: Was heißt es denn konkret für Dich, dass Jesus uns aus diesem Dilemma befreit hat?

    Ich frage mich außerdem, ob man nicht gleichzeitig von Jesus abhängig sein UND sich gleichzeitig nach moralischen Regeln ausrichten kann. Das muss doch kein Gegensatz sein, oder?

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  10. @andreas: Ich gebe dir recht, dass sich das Reich Gottes durch einer inneren Identität zeigt, woraus sozusagen moralisches Verhalten erwächst oder wie Jesus sagt, eine “bessere Gerechtigkeit”. Aber wir leben auch in eiern gefallenen Welt, so dass ich zugeben muss, dass mir Impulse von außen, manchmal ganz gut tun… 🙂

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  11. @Ilona
    Natürlich ist das kein Widerspruch. Das Problem mit Moral ist, dass uns füher oder später verleitet zu meinen,alles sei in Ordnung, wenn wir uns an unsere Regeln halten. Und wir werden blind dafür, die Regel zu sehen, die wir nicht halten und die auch gut wären.
    Wie es konkret aussieht? Keine einfachen Lösungen, Leben in Abhängigkeit von Jesus, statt schwarz/weiß Denken. Und dann geht es um den Gehorsam Jesus gegenüber.
    @Tobi
    Mir sind Impulse von außen sehr wichtig. Ich glaube, dass Jesus dadurch führt und uns steuert.

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  12. Anonymous

    Vor Kurzem sah ich eine Fernsehsendung, in der ein Kochbuch von zwei Hartz 4 Empfängern mit dem Titel «Günstig und ausgewogen ernähren – entsprechend dem Regelsatz Hartz IV» vorgestellt wurde. Die beiden Autoren (Kurt Meier und Uwe Glinka), beide selbst Hartz !V Empfänger, hatten festgestellt, wie viele Menschen auch hier bei uns in Deutschland in der Mitte des Monats nicht mehr wissen, was sie auf den Tisch stellen sollen. Aus der Not (auch ihrer eigenen) machten sie eine Tugend. Mit den Tipps dieses Kochbuchs soll es funktionieren, dass auch Hartz 4 Empfänger satt werden – aber wenn überhaupt, dann auch nur per Einkauf beim Discounter, wie ALDI. Denn üppig anzusehen war es nicht, dieses zwei-Personen-Tagesmenü für 7,01 Euro mit Brötchen, Käse und Cornflakes zum Frühstück, Märkischem Bauernauflauf zum Mittag und abends Graubrot mit Mett, Schinken und Joghurt. Ich würde davon nicht satt, geschweige denn ein Jugendlicher. Die Armen hierzulande, die über die Runden kommen wollen, können, selbst wenn sie es wollten, wohl kaum „moralisch“ einkaufen, weil die unmoralische Politik ihnen dazu keine Lebensgrundlage bietet. Marianne

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  13. @Marianne: Ja, da gebe ich dir recht, aber um diese Leute geht es mir auch gar nicht. 95% oder mehr in unseren Gemeinden gehören zur Mittelschicht und könnten durchaus etwas mehr über Gerechtigkeit nachdenken…

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  14. Anonymous

    Man muss heute verhungern und
    verdursten und an Nichts denken,
    geschweige Handeln.
    Ist man dann,Brav?

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  15. Anonymous

    Eine Geschichte
    Ich finde ein Cent.
    Er fehlte um mir etwas zu Essen zu
    kaufen.
    Es fragte mich ein Mensch.
    Kannst Du mir ein Cent geben.
    Ich verdurste.
    Frage.
    Soll ich verhungen oder er verdursten?

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