Weltanschauung & Wahrheit. Kritischer Realismus nach NT Wright. Part 1

NT Wright, Studientag, Theologie

Zur Einstimmung auf die Studientage mit NT Wright werde ich die kommenden Tage ein paar grundlegende Dinge zur Arbeitsweise und zum Verständnis von NT Wright posten.

Viel Streit unter Christen könnte vermieden werden, ja wäre vielleicht sogar unnötig, wenn wir uns im klaren darüber wären, dass jeder Mensch seine Biographie und sein Vorverständnis zur Bibel mit bringt. Dieses Vorverständnis ist ein Teil unseres Weltbildes, welches uns seit unserer Kindheit auf ganz unterschiedliche Weise prägt. Es leitet unser Denken und unseren Glauben wie eine unsichtbare Hand und es ist hilfreich und erhellend diese Hand sichtbar zu machen. NT Wright beginnt deshalb seine theologischen Überlegungen im ersten Band seines theologischen Werkes mit einer Darstellung seiner erkenntnistheoretischen Position. Er beschreibt, wie er zu Wissen kommt, wie er an die Bibel herangeht und wie er sie dann versteht und auslegt. Dies ist sehr transparent und natürlich macht sich NT Wright dadurch auch angreifbar. NT Wright beschreibt seinen erkenntnistheoretischen Ansatz als „kritischen Realismus“ und er möchte sich von zwei großen anderen Positionen abgrenzen, die kurz skizziert werden müssen, damit Wright richtig verstanden wird. Dabei unterscheidet er zwischen Positivismus und Phänomenologie als erkenntnistheoretische Gegensätze. Wright beginnt mit dem Optimismus der positivistischen Position, die davon ausgeht, dass zu mindestens gewisse Dinge als grundlegend wahr und richtig, also objektiv, erkannt werden können. Dies soll vor allem durch empirische Methoden geschehen. Dies bedeutet konsequent weiter gedacht, dass über nicht messbare Dinge eigentlich nicht gesprochen werden kann. Subjektivität und Relativität sind somit die Gegenspieler des Positivismus. Diese Position wird zwar von Philosophen größtenteils fallen gelassen, hält sich aber in verschiedenen Formen, vor allem im Bereich der Naturwissenschaften (zum Beispiel der Psychologie), oder bei denen, die als Nichtwissenschaftler über Wissenschaft sprechen. Auch in manchen evangelikalen Kreisen hält sich ein versteckter Positivismus in der „vorurteilsfreien Exegese“.

Part 2: Phänomenologie

10 Comments

  1. Hey Toby,
    lustig, heute habe ich nachm Arbeiten zufälligerweise diese Stelle auch gelesen (hole grad mal meine Hausaufgaben in Bezug auf Wright nach). Fande das aber eher eine nicht so starke Stelle. (was nicht verwunderlich ist, ist halt nicht sein Gebiet). Ersteinmal weiß ich nicht was er mit “Phenomenalismus” meint. Phenomenologie scheint es nicht zu sein, denn die hat mit “Subjektivismus” nicht so viel zu tun. Es wäre schon eine ziemliche Karrikatur des Phenomenologischen Denkens sie als “subjektiv” im Gegensatz zu “objektiv” darzustellen. Dazu neigt NT Wright schon manchmal: Strohpuppen aufzubauen – also Karrikaturen von gegnerischen Positionen – die man dann umso leichter bekämpfen kann (der US TV Prediger etc).
    Den Teil mit den Weltbildern fand ich dagegen ziemlich stark und ich hätte mir im Geschichtsstudium mehr davon gewünscht.

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  2. Ja, guter Punkt, ich habe mit meinem Kollegen auch über die Begrifflichkeit diskutiert, die, so unsere Vermutung, im englischen Diskurs etwas anders interpretiert werden, aber vielleicht ist es auch nur Wrights eigene Betonung im Kontext des Empirismus. Ich werde ihn das fragen. 🙂

    Im Zusammenhang wird aber klar, was er meint und worauf er hinaus will….

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  3. Hallo Toby,
    danke für den Post. Das finde ich sehr hilfreich. Ich habe vor kurzem den Artikel von Paul Hiebert gelesen “Epistemological Foundations for Science and Theology”, indem er unterschiedliche epistemologische Positions beschreibt, was ich sehr hilfreich fand. Darin favorisiert er ebenfalls den kritischen Realismus. Den Positivimus finde ich in seiner Liste aber nicht. Kann es sein, dass er einfach nur andere Begriffe benutzt? Seiner Beschreibung nach würde der Naive Idealismus dazu passen. Ist das richtig?

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  4. Hallo,
    also Positivismus würde ist eher eine Abwehr des Idealismus und würde nichts als wahr gelten lassen, dass sich nicht durch Empirie, durch mehr oder weniger “naturwissenschaftlich”/messbares erhoben worden ist.

    Naja was bei Wright eben nicht diskutiert wird ist, dass Problem der Sprache. Es gibt eben nicht nur Erkennenden und Erkanntes sondern die Sprache als Medium der Erkenntnis. Ist ein wirklich ausgelutschtes Thema, aber man sollte das wenn man über Möglichkeiten der Erkenntnis redet, doch schon mitdiskutieren. Denn es ist schon ein Unterschied zu sagen, dass Erkenntnissubjekt wird “im Postmodernen” Denken auf sich zurückgeworfen und die exterene Realität geleugnet oder zu sagen Erkenntnis ist sprachlich vermittelt.

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  5. @arne: Ja, ich finde die Beschreibung “Optimismus der positivistischen Position” eigentlich ganz treffend, da sie sowohl von der geschichtlichen Seite (Comte etc,) als auch von der erkenntnistheoretischen Seite (in der Soziologie zum Beispiel der “Positivismusstreit in den 60er und 70er Jahren) passt.

    Die Sprachproblematik ist tatsächlich ein wichtiger Hinweis, da bist du ja mit Giovanni einer Meinung! 😉

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  6. Ich habe gerade noch Mal in Wright reingeschaut und fand folgende hilfreiche Beschreibung für sein Verständnis:
    „Innerhalb des Positivismus des 20. Jahrhunderts werden klassisch Metaphysik und Theologie auf diese Weise behandelt. Da sie keine Verifikation zulassen, werden sie als Glaube, nicht als Wissen eingestuft (wie schon Platon vor langer Zeit vorschlug), und letztlich als bedeutungsloser oder sinnloser Glaube (wie bei Ayer). Ästhetik und Ethik werden auf Funktionen der Erfahrungen eines oder mehrerer Menschen reduziert: „schön“ und „gut“ bedeuten schlicht „Ich mag/Wir mögen das“ oder „Ich halte/Wir halten das für richtig“. Der Positivismus schafft es so, bestimmte Arten der Erkenntnis auf Kosten anderer Arten zu retten. Es gibt einige Dinge, so die Behauptung, auf die wir (im Prinzip) von einem Gottesstandpunkt aus schauen, und es gibt andere Dinge, für die wir nichts weiter als Vorurteile und Vorlieben haben. „

    Und ein wenig später beschreibt er noch Mal die erkenntnistheoretische Grundspannung:
    „Die Geschichtswissenschaft findet sich zwischen diesen beiden Polen wieder. Handelt es sich bei ihr um „objektives“ Wissen, oder ist sie im Grunde „subjektiv“? Oder ist dies eine falsche Dichotomie?“

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