“Die Möglichkeit des Dialogs”

Alltag, Theologie

Im Missiologieunterricht haben wir uns am mbs in den letzten Wochen mit dem Thema „Theologie der Religionen“ beschäftigt und haben heute über die (Un-)möglichkeit eines Dialoges diskutiert. Dabei ist mir erneut die Bedeutung des Missionstheologen David Bosch wichtig geworden, der leider schon vor 20 Jahren tötlich verunglückt ist. Bosch hat acht Thesen zum missionstheologischen Verständnis des Dialoges geschrieben, die ein gutes Fundament darstellen (Bosch 1991:483-485):

1. Die Beziehung zwischen Mission und Dialog ist in erster Linie eine Entscheidung des Herzens und nicht des Verstandes. Es gilt nicht nur die Existenz von verschiedenen Glaubensrichtungen zähneknirschend zu akzeptieren, sondern dies von Herzen anzuerkennen.
2. Ein wahrer Dialog setzt ein eigenes Bekenntnis voraus und bedeutet nicht, dass die eigene Position aufgegeben werden muss. Genau das Gegenteil tritt ein, ohne meine eigene Hingabe an das Evangelium verkommt der Dialog zum „Geschwätz“.
3. Ein Dialog ist nur möglich, wenn wir davon ausgehen, dass wir nicht diejenigen sind, die Gott zu anderen bringen – als diejenigen, die ihn besitzen. Gottes Geist wirkt in jeder Kultur und bereitet Menschen auf eine Begegnung mit ihm vor. Die in den Dialog Tretenden sind Empfänger derselben Gnade. Unsere Herzenshaltung sollte Ehrfurcht vor den anderen Religionen sein und gespannte Erwartung, wie sich Gott zeigt.
4. Ein Dialog zwischen Christen und nichtchristlichen Religionen sollte durch echte Demut gekennzeichnet sein. Christlicher Glaube ist eine Religion der Gnade, die frei und ohne Zutun empfangen wird. Im Zentrum steht das Kreuz, das auch die Christen richtet.
5. Jede Religion hat ihre eigenen Axiome und somit ihren eigenen Mittelpunkt – daraus kann nur folgen, dass man jeder Religion auf verschiedene Art und Weise begegnen muss. Es reicht also nicht aus, „theozentrisch“ Gott in die Mitte zu stellen, sondern jede Religion muss ihre Mitte behalten, sonst verliert sie ihre Identität und ihre Dialogfähigkeit.
6. Der Dialog ist weder Ersatz noch Ausflucht für Mission. Dialog und Mission sind weder identisch noch absolut gegensätzlich. Beide, Dialog und Mission, haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, jeder kann dem anderen (mittlerweile) zuhören. Der christliche Glaube kann die Überzeugung nicht aufgeben, dass Gott, nachdem er Christus in unsere Mitte gesandt hat, einen eindeutigen Kurs eingeschlagen hat, und uns Menschen Vergebung, Rechtfertigung und ein neues Leben angeboten hat, worauf der Mensch antworten muss.
7. Die Frage, ob andere Religionen retten können, ist laut Bosch schon im Ansatz verkehrt, weil es darum gar nicht geht. Es geht nicht um eine Rettung, die sich nur aufs Jenseits bezieht; vielmehr geht es darum, sich ganz Gottes Herrschaft in Gehorsam zu unterstellen.
8. Die Spannung zwischen dem einzigartigen Rettungsangebot von Jesus und dem unbegrenzten Rettungswillen Gottes und Gottes Macht dazu bleibt für Bosch bestehen (creative tension).

8 Comments

  1. Malaika

    Mich lässt der Missiologie-Unterricht von den letzten Wochen grade gar nicht los, ey.
    Also, nur um mal Ordnung in die Gedanken zu kriegen:

    Wenn ich die Wahrheit nicht besitzen kann, sondern sie in der Beziehung zu Jesus entsteht, dann hört sie doch eigentlich niemals auf, oder? Dann ist sie ein Prozess.
    Erwartet Jesus dann von mir zu allen erdenklichen Themen feste Statements? Denn wenn die Wahrheit erst auf dem Weg mit ihm entsteht, dann werde ich meine Meinung in Zukunft über verschiedene Themen bestimmt noch oft ändern… werde aber im Rückblick dennoch nicht immer falsch gelegen haben. Macht das irgendeinen Sinn?

    Am liebsten würde ich ab jetzt immer sagen: „Dies und das halte ich gerade für wahr. Aber frag mich morgen nochmal.“

    Und wenn sich die Wahrheit nicht festhalten lässt, weil sie lebendig ist, weil sie eine Person (!) ist, die auf mich zukommt und die in Beziehung mit mir treten will… warum verbiege ich mich dann eigentlich so sehr in dem Bestreben, die Wahrheit zu FINDEN? Findet sie nicht viel eher mich?!
    Vielleicht geht es im Leben gar nicht so sehr darum, die Wahrheit festzuhalten, sondern sich von der Wahrheit festhalten zu lassen…

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  2. Die Wahrheit ist eine Person und kein Set von Aussagen. Daher können wir die Wahrheit auch nicht “besitzen”.
    Andererseits hat diese Person eben auch verbindliche Aussagen gemacht über sich selbst, über den Vater, über mich …
    Auch wenn ich diese Aussagen nicht zu 100% erfasse, glaube ich, dass der Erfinder der Kommunikation effektiv kommunizieren kann und seine Geschöpfe nicht im Dunkeln tappen lässt.

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  3. Sehr interessant und teilweise großartig (zB 3.).

    Punkt 7 habe ich aber nicht verstanden. Natürlich geht es nicht um eine Rettung, die sich nur aufs Jenseits bezieht. Aber das macht die Frage nach der Rettung doch nicht obsolet. Und ist “sich ganz Gottes Herrschaft in Gehorsam unterstellen” nicht gleichbedeutend mit einer Rettung, bzw. die Antwort auf eine Rettung? Und was bedeutet das nun für die Frage nach anderen Religionen? Damit wären wir wieder am Anfang: Für mich erklärt der Punkt (noch) nichts.

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  4. @malaika: Ja, kann dich gut verstehen, ist auch ein komplexes Thema, wenn man sich darauf einlässt. Das was du jetzt beschrieben hast, ist ja nur ein Teil des Ganzen, die relationale Wahrheit mit Jesus. Du bringst eine ganze Menge von (subjektiver) Wahrheit aus deiner Biographie und deinen Erfahrungen mit, die sich in deinem Weltbild (Weltverständnis) verankert haben. Dazu gehört ja auch die religiöse Sozialisation und alles, was du bisher in deinem Christsein (mit JEsus) erlebt hast. Manches wird sich daran vielleicht noch ändern, manches aber auch nicht mehr, es verfestigt und bestätigt sich sozusagen. Dazu kommen die vielen Menschen um dich herum mit denen du im Gespräch/Kontakt bist,an ihnen wird deine “Wahrheit” wieder sichtbar.

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  5. @daniel: Ja, darüber gab es im Unterricht auch die größte Diskussion. 🙂 Und der Punkt erklärt natürlich nicht alles, nicht mal die acht zusammen, sie sind ja nur ein Teil (im Bezug auf den Dialog) eines ganzen Entwurfs (Transforming Mission).
    Bosch versucht hier die Spannung des Reiches Gottes aufzuzeigen, auf der einen Seite ist Gott souverän und nur er bringt den Menschen das Heil, nicht die Religionen (keine, auch nicht das Christentum). Religionen können immer nur Mittler oder Helfer sein, bringen aber an sich kein Heil. Auf der anderen Seit zeigt sich in der Ausübung und der Nachfolge hier auf Erden dieses Heil und wird sozial und real im Reich Gottes (in der Spannung zwischen Diesseits und Jenseits) sichtbar.

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  6. Ich habe ja gar nicht erwartet, dass der Punkt alles erklärt (die Weltformel wurde meines Wissens noch nicht entdeckt), aber irgendetwas sollte er doch erklären, zumindest die starke These, die ihm vorangestellt ist. Und das sehe ich eben noch nicht.

    Wahrscheinlich liegt es wirklich nur daran, dass mir das Wissen um den Kontext fehlt. Ich störe mich gar nicht so sehr an der These an sich, sondern an der (unbegründeten) Diffamierung der “Rettung”. Da wird eine Dichotomie konstruiert, der ich nicht folgen kann und die ich so nicht sehe. Falls es Bosch aber (und so lese ich deine Antwort) nur darum geht zu zeigen, dass nicht die Religionen das Heil bringen, dann bin ich vollkommen d’accord.

    Im übrigen nehme ich es als Kompliment, dass ich ohne Vorkenntnisse gleich zum Kern der Unterrichtsdiskussion vorgedrungen bin. 😉

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  7. Bosch geht es tatsächlich nicht um eine “Diffamierung der Rettung”, sondern um das Gegenteil, er möchte die Rettung (das Heil) stärken in dem er weg von einer “Theologie der Religionen” und hin möchte zu einer “missionarischen Theologie” und dabei geht es ihm um weit mehr als “nur Seelenrettung”, sondern um ein Grundverständnis von Gottes Sendung (missio Dei) und die Folgen für für uns heute.

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