“Versuche des nachhaltigen Lebens Teil 6: Kunst & Konsum”

Alltag, Konsum, Kunst, nachhaltiges Leben

Ende September habe ich über zwei Bilder gepredigt, die mich im letzten Jahr sehr bewegt haben. Beide Bilder stehen in einem engen Zusammenhang. Begonnen habe ich mit dem Berühmten Gemälde von Vincent van Gogh: „Sternennacht“. Eines der bekanntesten Bilder der Gegenwart. Dies war nicht immer so. Wie bei vielen Bildern liegt das Verständnis des Bildes auch in der Biographie des Malers. Van Gogh wurde in einer Pfarrfamilie geboren und genoss eine strenge religiöse Erziehung, die ihn sein ganzes Leben begleitete. Ein anderes Interesse lernte er ebenfalls in seiner Familie, die Liebe zur Kunst. So arbeitete van Gogh nach der Schule in einer Kunsthandlung, doch wurde bald klar, dass dies nichts führ in war. Von Natur aus eher eigenbrötlerisch, war er nicht für den Verkauf geeignet, außerdem las er nur ein einziges Buch, die Bibel. Deshalb arbeitete er als Hilfsprediger und fing an Theologie zu studieren. Nach einem Jahr gab er das Studium wieder auf, weil er den „ganzen Schwindel und das Pharisäertum“ nicht mehr länger aushalten konnte. Er besuchte stattdessen ein Seminar für Laienprediger, wurde dort aber wegen Unbelehrbarkeit hinausgeworfen. Dann arbeitete wieder als Hilfsprediger in Belgien unter Bergleuten. Er lebte in völliger Armut und teilte das Wenige was er hatte mit den Bergarbeitern. Aber seine radikale Art den Glauben zu leben fand wenig Anklang und zu wurde er auch dort entlassen. Diese negativen Erfahrungen mit der Kirche und die ständige Zurückweisung von Christen waren für van Gogh schwer zu ertragen und so zog er sich völlig zurück und begann 1880 sich aufs Malen zu konzentrieren. In den folgenden zehn Jahren malte er 864 Gemälde und über 1000 Zeichnungen bevor er mit 37 Jahren starb. Van Gogh verkaufte selbst kein einziges seiner Bilder und auch sein Bruder und „Manager“ verkaufte nur wenige Bilder, so dass er in Armut und Verzweiflung die letzten Jahre lebte. Diese Skizze seiner Biographie ist natürlich sehr grob, doch hilft sie das Bild „Sternennacht“ etwas zu verstehen. Van Gogh hinterließ nicht nur seine Bilder, sondern auch über tausend Brief an seinen Bruder, in denen er seine Werke erklärte. So stehen die Zypressen im Bild für seine Auseinandersetzung mit dem Tod, die Farbe gelb steht für Gott. Interessant ist, dass aus den Häusern Gott heraus leuchtet, aus der Kirche aber nicht. Alles im Bild ist eine Einheit, Himmel & Erde, Gott, Mensch & Natur, alles mit derselben Technik gemalt und ineinander verbunden.
Der amerikanische Künstler Ron English nahm vor einigen Jahren das Motiv von “Sternennacht” auf und veränderte es stark. Zwar ist das Grundmotiv weiter zu erkennen, aber das Bild wurde verändert, es wurde zu: “Starry Night Urban Sprawl”. Die Einheit wird zerstört, die Häuser verschwinden und werden durch Konsumgüter ersetzt und mit ihnen verschwindet auch das Licht. Das Licht in der Kirche ist nicht mehr das Licht Gottes, sondern ein strahlendes weißes Licht der Konsumgesellschaft: McDonald hat übernommen. Die Konsumgesellschaft ist an der Macht und frisst ihre Kinder. Die Ausbreitung und die Machtübernahme ist nicht mehr zu stoppen – Gott hat verloren, es herrscht eine neue Religion, der Konsum.
Die beiden Bilder haben mich sehr bewegt, da ich denke, dass sie sehr viel über mein Leben, die Christen und unsere Gesellschaft aussagen. Unsere Konsumgesellschaft hat längt die Macht übernommen und sich auch in das religiöse Leben eingeschlichen. Was leuchtet noch aus unseren Kirchen? Was aus unseren Häusern? Nach welchen Maßstäben leben wir? Beurteilen wir unsere Gottesdienste? Unser geistliches Leben? Sind wir nicht zu einer christliche Subkultur verkommen, statt eine Kontrastgesellschaft zu leben? Fragen denen ich mich stellen möchte, da ich nicht wie “Starry Night Urban Sprawl” enden möchte.

Die Bilder & Inspiration stammen aus dem empfehlenswerten Buch von Skye Jethani: “The Divine Commodity: Discovering a Faith Beyond Consumer Christianity”

4 Comments

  1. Sehr gute Gedanken – kennst du eigentlich “Imagine – Christen in Kunst, Musik und Medien”. Der Lábri geprägte Autor und U2 Biograph schribt da auch, wenn ich mich recht erinnere, einiges über Van Gogh.

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  2. ja, das Buch habe ich vor ein paar Jahren mal bei dir am Büchertisch gekauft. 🙂

    Ich finde, dass Steve Turner sowieso interessante Gedanken hat. Gibt es von ihm eigentlich was Neues?

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  3. @Toby: Ja, gibt es – er hat z.B. ein Buch über Johnny Cash und eins über John Newton geschrieben.

    Und, so weit ich weiß, auch eins über die Musiker, die auf der Titanic gespielt haben – immer weiter, immer weiter..

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