“Himmel & Hölle”

Kultur & Glaube, Theologie

Gestern war ich eingeladen zum Thema „Himmel & Hölle“ zu sprechen. Ein weites und wichtiges Thema, was an diesem Tag vor allem vor Hintergrund der „Bell Diskussion“ und seinem Buch „Love wins“ verstanden werden sollte. So gab es, wie erwartet, eine anregende Diskussion, die aber bei weitem nicht die Schärfe unserer amerikanischen Geschwister hatte, wie das folgende Zitat zeigt:

„Wir haben die nicht nur die Pflicht, Rob Bells Irrtümer herauszustellen, zu widerlegen und außer Gefecht zu setzen, sondern auch die Leute unter seinem Einfluss zu drängen, so schnell und so weit wie möglich von ihm wegzurennen, damit sie sich nicht in der ewigen Hölle wiederfinden, die er leugnet. Es ist nicht damit getan, untätig herumzusitzen, während jemand, der die Gefahr der Hölle leugnet, in Mengen Söhne der Hölle hervorbringt.”
John MacArthur in einem offenen Brief, April 2011

Für die Meinung von Rob Bell spricht ganz gut das folgende Zitat:

„Eine Geschichte zu erzählen, in der Milliarden Menschen für immer irgendwo im Universum in einem schwarzen Loch endloser Qual und Pein ausweglos gefangen sind, ist keine besonders gute Geschichte. Eine Geschichte zu erzählen über einen Gott, der mitleidlos und unnachgiebig Strafen über Menschen verhängt, weil sie in dem kurzen Zeitfenster, das Leben genannt wird, nicht die richtigen Dinge getan oder gesagt oder geglaubt haben, ist keine besonders gute Geschichte. Umgekehrt: Dass alle Gottes gute Welt gemeinsam genießen, ohne Erniedrigung, ohne Scham, dass Gerechtigkeit siegt und alles Unrecht richtig gestellt wird, ist andererseits eine bessere Geschichte. Sie ist größer, liebevoller, umfassender … als jede andere Geschichte über den letztgültigen Verlauf, den die Welt nehmen wird. Man kann sicher Einwände gegen diese Geschichte haben. Aber man muss zugeben, dass sie passend und angemessen ist und dass es christlich ist, sich zu wünschen, dass sie wahr ist, und zu erwägen, ob sie möglich sein könnte.“

Was mir bei der Vorbereitung wieder neu bewusst wurde, ist, dass es in der Kirchengeschichte von Anfang an über dieses Thema Uneinigkeit gab und dass sich dies wie ein roter Faden durchzog. Deshalb sollte uns die heutige Diskussion nicht überraschen, egal ob klassische Höllenlehre, Fegefeuer, Allversöhnung, Annihilationismus oder diversen Mischformen. Und vielleicht ist das auch gar nicht so schlimm. Nachdenken sollte man darüber trotzdem und in guter Art und Weise streiten auch. Dazu ein passend ein Zitat von Jürgen Moltmann:

„Die Logik der Hölle scheint mir nicht nur inhuman, sondern extrem atheistisch zu sein: hier der Mensch in seiner freien Entscheidung für Hölle oder Himmel – dort Gott als der Ausführende, der diesen Willen vollstreckt. Gott wird zum Diener des Menschen degradiert. Wenn ich mich für die Hölle entscheide, muss Gott mich dort hinstecken, obwohl es nicht sein Wille ist. Drückt sich so die Liebe Gottes aus? Und wo bleibt die Allmacht Gottes? Menschen würden selbst ihrem Schicksal überlassen, sie brauchen Gott eigentlich nicht, denn nur der Mensch bestimmt, was passiert.“

Theologie der Hoffnung

Wie schrieb Richard Rohr so passend:

“Wenn Gott Richter ist, dann sind Sie und ich es nicht.
Wenn Gott Richter ist, dann ist es die menschliche Kultur nicht.
Wenn Gott Richter ist, dann sind es die Kirchen nicht.“

133 Comments

  1. Gut gesagt, Tobi. Ich glaube zudem, dass Rob Bell missverstanden wird (zumeist von Leuten, die sein Buch gar nicht gelesen haben). Ich ziehs mir grad zum zweiten Mal als Hörbuch rein und sehe ihn nicht als “Universalist”. Er stellt nur die Frage, die sich wirklich durch das gesamte AT, NT und Kirchengeschichte stellt, ob es möglich sein könnte, dass Gott die ganze Schöpfung (d.h. alle Menschen) mit sich versöhnen könnte (wird)….Wer diesen Wunsch noch nicht hegte, diesen Gedanken hatte, dem gnade Gott 😉 VG Toby

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  2. Super. Endlich äußert sich mal jemand zu dem Thema ganz konkret.

    Ich hoffe, dass Bell an manchen Punkten nicht unrecht hat, und ich glaube, dass Gott größer ist als unsere Höllenlehren 🙂

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  3. Wichtiges Thema und gutes Statement! Hatte vor einiger Zeit auch mal was dazu gepostet (http://phil-mertens.blogspot.com/2011_03_01_archive.html), will mich hier also nicht wiederholen.

    In welchem Kontext hast Du das Thema vorgetragen und diskutiert? Kirche? Bibelschule? Finde es immer wieder spannend zu hören, wo solche Dinge diskutiert werden. Und, war die Diskussion dann auch offen und ehrlich geführt oder war eigentlich von vornherein klar, wie die Position in diesem Kontext ist und sein soll. Manchmal ist ein echtes Diskutieren ja leider erst gar nicht möglich…

    Liebe Grüße,
    Philipp

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  4. Ja, danke, hab ich gelesen, vor allem das Zitat von Leo Trepp ist sehr gut!

    Die Diskussion gestern war sehr gut und offen, deshalb war der Rahmen auch geschlossen und ich möchte nicht schreiben wo das war. Aber es zeigt auch wie viel Unsicherheit bei diesem Thema herrscht und ich merke selbst, dass ich da noch lange nicht am Ende bin….

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  5. Nee klar, verstehe ich. Wollte jetzt auch gar nichts konkretes a la Gemeinde xy oder Bibelschule yz. Ich fänd’s nur total spannend zu hören, in welchem Kontext das Thema diskutiert wurde. Aber Deinen Worten nach schien, die Diskussion ja ganz gut verlaufen zu sein. Es kam also anscheinend eine echte Diskussion zustande. Habe es halt auch schon anders erlebt bzw. bei vielen Ami-Gemeinden wird Bells Denken ja kategorisch als universalistisch und damit häretisch verurteilt. Man stellt sich also erst gar nicht dem Thema und der damit verbundenen Problematik, obwohl Bell ja super Fragen aufwirft.

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  6. Raphael Kunz

    Wenn ihr Lust habt noch bisschen mehr zu lesen, dann kann ich euch gerne auch noch eine Seminararbeit zu der Thematik geben, welche ich letztens in meinem Theologie studium geschrieben habe.
    Titel: “Welche Vorzüge und Gefahren liegen in dem Ansatz von Rob Bell´s Buch Love Wins”

    Meiner Erachtens, schafft er es sehr gut seine persönliche Zielgruppe abzuholen, ihre Definitionen und Ansichten aufzubrechen und ihnen einen sehr positiven Zugang zum glauben zu geben. Auf der anderen Seite bricht er auch viele andere DEfinitionen auf, lässt die Leute aber im Raum stehen bzw. sie füllen es mit Aspekten und Definitionen, die er nicht sagt, aber die der Leser weiterdenkt. Natürlich gibt es das ein oder andere Exegetisch zu hinterfragen besonders, wie er Verse aus dem Kontext nimmt, aber genauso machen es auch teilweise seine Kritiker die seine Statements aus dem Kontext nehmen…. Gruß Raphael

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  7. @Jason: Die von Dir beschriebene Argumentation setzt zunächst voraus, daß das Ziel des christlichen Lebens der Himmel ist. Dem würden Bell und auch NT Wright beispielsweise widersprechen: Ziel ist die Erde. Wenn dem so ist und zudem das irdische Leben in der jetzigen Welt (עולם הזה) Konsequenzen auf die kommende Welt (עולם הבא) hat, geht es gerade nicht darum, nur den einen richtigen Weg zu finden. Nach Deiner bzw. der von Dir vorgebrachten Position muß man ja nur Christ werden (was heißt das eigentlich?), und schon habe ich den Freifahrtschein für den Himmel. Wenn man so denkt, kann ich die Logik verstehen, daß man dann nur noch hier auf der Erde ist, um andere zu bekehren. Aber so denke ich – und Bell – nicht. Das ganze irdische Leben ist aus meiner Sicht wichtig, was aber gerade nicht heißt, daß es nicht auch ein Endgericht o.ä. geben kann. Aber wie das ausgeht, ist nochmal eine ganz andere Frage. Und von vielen evangelikal argumentierenden Christen werden auch gern Bibelstellen wie Mt 25,31-46, Offb 20,11ff. u.ä., wo sehr klar auch von Gottes Richten nach den Werken die Rede ist. Und ich wage zu behaupten, daß sich das gerade nicht mit dem Kontext wegdiskutieren läßt.

    Du hast ja auch nach der Logik gefragt: Ich würde sagen, daß es unlogisch ist, auf der einen Seite anzunehmen, daß alles Gnade ist (sola gratia), und andererseits eine Entscheidung von jedem einzelnen zu Christus zu erwartet wird. Denn das wäre ja doch ein Werk, das verlangt wird. Dann müßte man konsequenterweise auch von Gottes freier Gnadenwahl ausgehen (vgl. Röm 9), wie Luther es denkt oder auch extremer noch Calvin bzw. viel früher schon Augustin (praedestinatio gemina).

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  8. @jason: ich würde mich in den Grundzügen Philipp anschließen und die Grundfrage stellen, woher unsere Vorstellungen von der “Hölle” kommen. Wenn man in die Bibel schaut, dann stellt man schnell fest, dass das Wort Hölle kaum vorkommt udn wenn, dann eher presentisch auf Erden verstanden wird, im AT ist es Scheol, im NT Gehenna (nur bei Jesus, bei Paulus zum Beispiel gar nicht). Der Dualismus Himmel – Hölle wurde m.E. sehr stark vom griechischen Denken beeinflusst. Was biblisch-theologisch eine wesentlich wichtiger Rolle spielt ist die Frage nach Gericht und Gerechtigkeit und den daraus resultierenden Konsequenzen. Das Thema kommt mir aber oft zu kurz…

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  9. Unsere Ansicht zu dem Thema hängt eng mit unserer Sicht von Gott zusammen. Wie real der Fluch Gottes, der seit dem Sündenfall auf der Menschheit lag, ist, sehen wir an den Worten Christi am Kreuz “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”
    Wenn Gott zugunsten seines Volkes seinem Sohn solche qualvolle Trennung zumutete, müssen wir davon ausgehen, dass er nicht beide Augen zudrückt, wenn Menschen, anstatt umzukehren, den Sohn Gottes “erneut kreuzigen”.

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  10. Mich interessiert das Thema sehr weil ich seit einiger Zeit an einem Buch über die Hölle schreibe (geplant soll es nächsten Herbst rauskommen) und von daher seit Monaten in der Recherche stecke.

    Ich meine dass Bells Buch einfach mehrere entscheidende Fehler hat, die das Buch im Grunde für Diskussionen wertlos machen. Er hat zwar eine Diskussion angestoßen, aber letztlich nicht substanzielles zu ihr beigetragen:
    1) Er stellt (fast) nur Fragen und gibt keine Antworten. Ich habe ihn, anders als Toby Kron, auf jeden Fall universalistisch verstanden. Er sagt es zwar nicht ausdrücklich, bugsiert aber mit seinen Fragen genau in die Richtung. In Interviews hat er es aber auch wieder abgestritten Universalist zu sein.
    2) Er argumentiert nicht theologisch. Das kommt gerade in dem Zitat von Toby (diesmal Faix) zum Ausdruck. Klar ist ewige Verdammnis keine gute “Geschichte”, aber darum geht es ja auch nicht. Das klingt zwar immer ganz gut, aber eigentlich spricht er über Theologie, argumentiert aber eher soziologisch.

    Man kann gerade Universalismus besser argumentieren (das auch kontra Moltmann, der in dem Zitat schon theologischer ist). Im Grunde muss die Diskussion in einem christlichen Kontext exegetisch geführt werden. Da ist es interessant in die frühe Kirchengeschichte zu gehen, gerade Clemens und Origenes, die ganze Alexandrinische Schule und Antiochia etc. haben sehr viel nachdenkenswertes gesagt, das auch über ein plattes “Gott rettet aus Liebe alle” weit hinausgeht.

    Auf der anderen Seite sind auch Leute wie McArthur und Co. nur begrenzt hilfreich. In dem Lager wird die Hölle gern als Bühne für den Beweis der eigenen Orthodoxie benutzt, was z.B. bei Mark Driscoll oder David Wilkerson teilweise bizarre Blüten treibt. Da wird theologische Reflexion starken Ansagen oder Ausschmückungen der Höllenqualen geopfert.
    In dem Lager ist gar kein Gefühl dafür da dass die “offizielle Höllenlehre” kirchengeschichtlich noch gar nicht so lange offiziell ist (eigentlich erst seit dem 6.Jahrhundert) und dass “Bekehrung” noch mal mehr als 1000 Jahren später kam.
    Das ist auch sehr störend: Man liest “Gehenna” und hört Dante. (Übrigens @Toby Faix: Gehenna taucht auch bei Jakobus einmal auf, allerdings ganz sicher im übertragenen Sinne).

    Über manche Aspekte kann man sich nach meinem momentanen Stand der Erkenntnis kein absolutes Urteil erlauben. Die Frage nach Ewigkeit oder Annihilation gehört ebenso dazu wie die Frage wer errettet ist und warum. Oder besser negativ: Man kann nicht sagen, wer nicht errettet ist. Ich schätze, dass das Thema in evangelikalen Kreisen noch für einige Diskussionen sorgen wird. Es kann sein, dass wir an einer theologischen Zeitenwende stehen und das Rad doch noch mal hinter Augustinus zurückgedreht wird.

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  11. Ganz richtig, Storch, es soll auch keine “gute Geschichte” sein. Es ist eine schreckliche, aber wahre Geschichte, um die Menschen wachzurütteln, damit sie umkehren und ihr Leben Christus anvertrauen. Das ist die “gute Geschichte”.

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  12. p.s. Storch:
    die von dir genannte Rückbesinnung auf vor-augustinische Kirchenväter wäre theologisch kein Fortschritt, da gerade Clemens und Origenes mitsamt der gesamten alexandrinischen Schule in vieler Hinsicht noch sehr im griechischen Denkschema verfangen waren. Tertullian und besonders Augustinus stellen Meilensteine auf dem Weg zu einem spezifisch christlichen Theismus dar.

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  13. @Hans-Christian: Danke für deine Kommentare, dazu ein paar kurze Gedanken:

    a) “Wenn Gott zugunsten seines Volkes seinem Sohn solche qualvolle Trennung zumutete, müssen wir davon ausgehen, dass er nicht beide Augen zudrückt, wenn Menschen, anstatt umzukehren, den Sohn Gottes “erneut kreuzigen” – hier stellt sich ja die Frage, warum ist Jesus gestorben? Für wen ist er gestorben? Und was bedeutet sein Tod? Ich glaube, dass es es zu kurz gedacht ist, nur den qualvollen Opfertod zu sehen, damit wir Vergebung bekommen und in den Himmel kommen. Den Tod Jesu verstehe ich als zentrales Heilsereignis, welches Versöhnung und Befreiung bringt in allen Beziehungsebenen (bis in die Schöpfung hinein) und deshalb ist es nicht für menschliche Zwecke zu Instrumentalisieren.

    b) Die Diskussionen sind ja nicht neu, du hast Recht, wenn du die Kirchenväter ansprichst, da gab es alle Meinungen und nicht immer einen feinen Umgang, aber daraus können wir ja auch was lernen. Gerade weil es so unterschiedliche Meinungen gab wie Allversöhnung (Origines († 254), Clemens von Alexandria († 215) oder Annihilationismus (Justin dem Märtyrer († 165) und Theophilus von Antiochien († 185))ist eine gute und konstruktive Diskussion nötig…

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  14. @storch: Danke. Ja, Jakobus habe ich unterschlagen. Sorry. 🙂

    Ich finde die exegetische Auseinandersetzung sehr wichtig, aber um ein ganzes Bild zu bekommen, brauchen wir auch die anderen Ebenen wie die Offenlegung unserer hermeneutischen und methodischen Herangehensweise, die systematisch-theologische Einordnung, die missiologische Perspektive und auch die psychologische Dimension (Warum ist das Thema “Hölle” für unseren Glauben so wichtig?).

    Also, ich freue mich auf dein Buch! 🙂

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  15. Gewiss, der Tod Christi hat universelle Bedeutung, ebenso, wie der Sündenfall universelle Bedeutung hatte. Deshalb heißt es ja auch in Hebr. 2,9 (wie die Elberf. korrekt übersetzt): “Wir sehen aber Jesum, … mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, – so dass er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte.” Die gesamte Schöpfung wartet auf die Offenbarwerdung der Kinder Gottes. Primärgegenstand der Evangeliumsbotschaft ist natürlich die Erlösung seines Volkes (“für die Schafe”, “der Gerechte für die Ungerechten”).

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  16. @ Hans-Christian:
    Ich würde das nicht so pauschal sagen. Es ist zwar die mehr oder weniger offizielle Lesart, aber dabei kommt Augustinus zu gut weg. Einige Argumente sprechen dafür, dass es kein Rückschritt sondern ein Fortschritt wäre:

    1) Es ist interessant, dass die griechische Patristik eindeutig nicht zur Hölle Augustins neigte, die lateinischen Kirchenväter aber schon. Origenes und Clemens waren griechische Muttersprachler und Clemens noch recht nah an den Aposteln dran. Die Diskussion contra Celsus ging auch um griechische Worte: ainios kolasis und da kommt mir Augutinus, der kein Griechisch konnte, nicht so kompetent vor.

    2) Es ist schwer zu sagen, wer nun mehr von der griechischen Philosophie geprägt war. Was wir von Origenes wissen kommt nicht selten aus den Quellen seiner Gegner, gelegentlich kommen aber auch mal Gelehrte die meinen, dass man ihn einer Neubewertung unterziehen müsste und dass er vielleicht nicht ganz so neuplatonisch war wie gemeinhin angenommen wird. Dennoch wird bestehen bleiben, dass er philosophisch geprägt war.
    Aber ist das bei Augustinus anders? Der ganze Gottesstaat (dessen XXI. Kapitel eine der wichtigsten Höllenquellen bei Augustinus ist) klingt schon sehr dualistisch. Ich bin da nicht so kompetent, aber ich habe nicht das Gefühl, dass Augustinus seine manichäischen Wurzeln ganz überwunden hat.

    3) Das Purgatorium geht eigentlich zu gleichen Teilen auf Tertullian/Augustinus und Origenes zurück. Der Gedanke einer läuternden Strafe im Sinne von kolasis ist eindeutig Origenes. Augustinus wollte ihn nicht für die Menschheit gelten lassen, wohl aber für die Gläubigen die im Fegefeuer geläutert werden.
    Darin erscheint er mir theologisch inkonsequenter als Origenes.

    4) Wir kaufen bei weitem nicht den ganzen Augustinus. Die meisten Protestanten glauben nicht an Fegefeuer, Hölle für ungetaufte Säuglinge, Prädestination, Abstufungen der Höllenqualen usw. Wenn wir das alles nicht übernehmen, warum dann ausgerechnet den einen Aspekt, dass Hölle ewiges Brennen bedeutet?
    Selbst in dem Punkt sind viele von uns nicht mit Augustinus in Übereinstimmung. Viele glauben eher Separatismus wo die eigentliche Qual die Trennung von Gott ist und nicht das Feuer (das oft symbolisch verstanden wird). Es ist sehr willkürlich und oft nur mit Prägung zu erklären, dass wir die einen Aspekte augustinscher Theologie fraglos übernehmen und die anderen nicht. Ich fände es sehr gut, den ganzen Augustinus auf den Prüfstein zu stellen. Die Hölle ohne ihn zu denken ist total faszinierend.

    5) mit/durch/nach Augustinus kommt ein anderer Wind in die kirchlichen Diskussionen. Auf einmal werden Konzile wichtiger, es gibt immer mehr in/out-Entscheidungen. Ich mag diesen juristischen Unterton in seinen Schriften nicht. Es weht ein gefährlicher Geist wenn Christentum auf Dogmatik gestellt wird. Das ist sicherlich nicht nur Augustins Einfluss, aber einen Anteil hatte er daran. Es wäre schön, wieder einen anderen Umgang mit “Wahrheit” zu finden als einen starr dogmatischen.

    Storch

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  17. @ Tobias Faix:

    Da stimme ich Dir zu. Exegese ist ja auch eigentlich nicht denkbar ohne andere Faktoren. Ich meine nur, dass die Debatte zu willkürlich geführt wird. Leute die pro Bell sind reden mir zu wenig über die Bibel. Es wäre schade wenn die Diskussion wieder mit anti-postmodernen Totschlagargumenten á la Ebertshäuser endet und man mehr vom eigenen Gefühl ausgeht als von objektiveren Quellen. Wenn es zu einem Dialog zwischen klassischer Höllenlehre und deren Alternativen kommt, wird das Hauptschlachtfeld die Bibel sein.

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  18. Danke für deine Ausführungen, Storch!
    Allerdings waren Konzilien wichtig, sonst hätten Arianer, Sabellianer & Co schnell endgültig das Feld gewonnen. Erst Chalcedon hat das Wesen Christi (“ganz Gott und ganz Mensch”) – gegenüber jeder Vermischung der beiden Naturen, und Pantheismus – und damit einen spezifisch christlichen, trinitarische Theismus, mit klarer Trennung von Schöpfer und Schöpfung, formuliert.
    Vor Tertullian und Augustinus waren die Kirchenväter noch sehr von der griechischen Logos-Idee geprägt.

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  19. Storch (dein letzter Kommentar):
    Ich hatte vor einiger Zeit eine Endlosdebatte mit einem Hardcore-Universalisten in dem Eberthäuser Post bei Dosis Blog. Da die Aussagen der Bibel eigentlich ziemlich deutlich sind, läuft es immer wieder auf (1) eine allgemeine Empörung, dass “ein liebender Gott so etwas wie ewige Qualen zulassen” sollte und (2) Jonglieren mit den Begriffen “Äon” und Sheol” hinaus.

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  20. Wieder ein “jein” 🙂

    Konzilien schaffen keine Positionen und schlichten keinen Streit, sie schaffen “nur” eine Kirche.

    Dass man sich für eine Position gegen eine andere entschieden hat, hat ja die Positionen nicht abgeschafft. Ich lese z.B. den Johannesprolog auch von Heraklits Logos her und finde das nicht verkehrt – es gibt Johannes eine tolle philosophische Tiefe 🙂
    Manchmal beraubt uns die Instiutionlisierung einiger Tiefe, was ich sehr schade finde. So muss die Kirche Jesu sich immer wieder spalten und kann nicht über unterschiedliche Lehrmeinungen hinweg zusammen bleiben.
    Wobei ich es natürlich auch gut finde, dass manches aussortiert wurde. Nur kostet es halt auch jedes mal einen Preis und uns ist heute selten bewusst, dass unsere Theologie viele solcher Preise bezahlt hat. (Damit meine ich jetzt ausdrücklich nicht Dich, Hans-Christian!)

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  21. @ Hans-Christian:
    Jetzt gehen die Antworten durcheinander, das ist die Antwort auf Deinen letzten Kommentar.

    Hardcore-Universalismus ist schwer zu vertreten, man muss da schon genau sagen, was man meint. Einfach zu sagen, dass es keine Hölle gibt geht völlig am biblischen Befund vorbei. Aber ich würde nicht kategorisch ausschließen, dass die Hölle ein Ende hat oder dass der Mensch nicht intrinsisch unsterblich ist. In der Ostkirche bin ich oft auf eine Formulierung gestoßen: “Zu sagen, dass alle Menschen gerettet werden ist Häresie, aber es gibt immerhin guten Grund zu der Hoffnung, dass es so sein wird”. Das gefällt mir, es grenzt Gott nicht auf unseren theologischen Stand ein, aber verspricht auch nicht etwas, das wir nicht halten können.

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  22. Der Heraklitsche Logos ist ein abstraktes Prinzip, das ganze Gegenteil vom “Wort Gottes” bei Johannes, durch das alle Dinge gemacht wurden und das unter uns wohnt, Christus.
    Die frühchristlichen Konzilien sehe ich im Zusammenhang mit Gottes souveränem Handeln innerhalb der Geschichte: Hier wurden apologetisch Grundsatzfragen anhand der Bibel geklärt, damit nicht jede Generation wieder das Rad neu erfinden muss (was die unsrige offenbar vorhat) und nicht bei jeder Dachreparatur die Fundamente ausgegraben werden.
    Dein Zitat aus der Ostkirche erinnert mich an ein Wort des Chefideologen der Universalisten Karl Geyer: “Ein Esel, der nicht daran glaubt, ein größerer Esel, der davon spricht.” 😉

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  23. Mich hat Johannes da immer sehr angesprochen weil er philosophisch angeknüpft hat (wenn man ihn so verstehen will). Er sagt dann ja quasi, dass der Logos (der mir wie eine atheistische Gottesvorstellung vorkommt) in Jesus Fleisch geworden ist – wow. http://www.pastor-storch.de/2006/02/17/der-logos/
    Das ist wie Paulus’ Predigt vom unbekannten Gott.

    Karl Geyer kenne ich gar nicht. Habe ich gerade mal nach gegoogelt. Ich dachte bei deutschen Universalisten immer an Moltmann oder Barth (bei dem es noch etwas umstritten ist, ob er überhaupt einer war)

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  24. Ja, bei Barth läuft es darauf hinaus. Er glaubte an kein relevates Heilsgeschehen innerhalb der Geschichte. Durch sein übergeschichtliches “Christus-Ereignis” sind letztlich alle Menschen Gott nahe gebracht. Menschsein bedeutet “In Christus-Sein”.
    Das Ganze hat nur leider so gut wie gar nichts mehr mit biblischem Christentum zu tun.

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  25. Hey Jason,
    Der biblische Befund ist eindeutig auf Seiten der “dualistisch” gesinnten “Evakuierungstheologen”, wie du sie nennst.
    Christus beschreibt die Schwere göttlicher Rache gegen die Gottlosen unmissverständlich (damit wir uns eine ungefähre Vorstellung machen können, die gewiss nicht an die Wirklichkeit heranreicht), mit allerhand Bildern aus dem leiblichen Bereich. Leiden und Qualen wie Finsternis, Heulen, Zähneklappen, unauslöschliches Feuer, oder der Wurm, der ohne Ende am Herzen nagt. Damit wollte der Geist Gottes sicherlich alle Sinne mit Schrecken erfüllen und uns klarmachen, was für eine Not es ist, von der Gemeinschaft mit Gott abgeschnitten zu sein.

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  26. Wiederherstellung durch Leid gibt es nur in einem Falle: Sonst hätte nicht der Gerechte für die Ungerechten leiden müssen.
    Und ziellos ist Gottes Handeln keineswegs: Ziel ist immer seine Ehre.

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  27. @ Jason:

    Da gibt es aber schon einige. Bei Bell bin ich mir nicht sicher, ich verstehe ihn schon so, dass die Hölle hier ist und nicht in der Ewigkeit. Damit relativiert er die Bilder sehr deutlich. Ebenso auch mit seiner (historisch falschen) garbage-dump-These.

    @ Hans-Christian:

    Das Opfer des Einen stellt auch niemand in Frage. In allen Systemen ist das letztlich Dreh- und Angelpunkt, auch in der Allversöhnung und Apokatastasis. Aber das bedeutet ja nicht, dass es postmortem Leiden geben kann die den Zweck der Läuterung verfolgen. Es ist schon die Frage, ob Hölle Leiden um der Strafe willen bedeutet oder ob es noch einen weiteren Zweck verfolgt.

    Storch

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  28. @Jason: Wright setzt ja durch seine inaugurierte Eschatologie nicht prinzipiell Himmel und Hölle außer Gefecht (ehrlich gesagt kann ich mich gerade gar nicht so sehr daran erinnern, mal konkreter was dazu bei ihm gelesen zu haben). Und Bell hat ja auch mal per YouTube-Channel klar kommuniziert, daß er an die Existenz der Hölle glaubt (nicht nur irdisch verstanden).

    Mein Problem und das vieler ist nicht das grundsätzliche Ablehnen einer wie auch immer gearteten Hölle. Wenn man sich die jüdischen Quellen um die Zeit der Entstehung des Neuen Testaments herum beispielsweise anschaut, findet man diese Position immer wieder. Selbst noch im babylonischen Talmud (Sanhedrin b91ff.) – spätestens mit der Endredaktion befinden wir uns im Exil, dessen Grund mehrere messianische Revolutionen sind aufgrund apokalyptischer Vorstellungen (vereinfacht) – existiert die klare Vorstellung von kommender Welt, Auferstehung und Gericht. Mein Problem ist vielmehr (und Deins wohl auch) die Ausrichtung auf das Jenseits bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Gegenwart; und die nach diesem Maßstab leben, urteilen über diejenigen, die nicht diesem Weg folgen, obwohl er biblisch mehr als zweifelhaft ist.

    Ich weiß nun, ehrlich gesagt, nicht so genau, wie Du das meinst mit dem auf den Punkt und in Worte
    Bringen meinst. Ein paar Bibelstellen in dieser Richtung sind ja schon gefallen.

    Praktisch frage ich mich z.B., warum selbst bei Christen so häufig Ehen geschieden werden. Die Ursachen mögen vielschichtig sein, und ich bin der Letzte, der über irgendeine Ehescheidung urteilen sollte. Aber ich erlebe mehr und mehr, wie wichtig und hilfreich es ist, daß Jesu Vergebung, Weisheit, Auferstehungspower und all das in unsere Ehen hineinkommt, damit wir lernen, ernsthaft miteinander zu kommunizieren, uns zu kennen, auch mal zurückstecken und all das. Eigentlich müßten wir Christen das wesentlich besser drauf haben, und das wäre eine konkrete Sache, wo der Himmel schon ein Stück hier auf die Erde kommen kann.

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  29. p.s. Ich wünschte, die Leute (wie Rob Bell & Co) würden ihre wohl gemeinten Spekulationen zum Thema Allversöhnung (denn darauf muss es hinauslaufen, solange sie an der Unsterblichkeit der menschlichen Seele festhalten) einen Augenblick lang unterbrechen, um zu überlegen, welche Auswirkung sie auf grundlegende biblische Aussagen haben, wie z. B. (1) die Heiligkeit Gottes, (2) das Wesen der Sünde, dass die Menschen den Gott, den sie kannten (gnontes ton Theon), nicht als einen Gott priesen noch ihm dankten, (3) die Einzigartigkeit und Bedeutung des Sühneopfers Christi, (4) den Zusammenhang vom Wirken des Heiligen Geistes, Glauben, Errettung und Kindschaft.
    Ich will ihnen gern zugute halten, dass ihre Gedanken wohl gemeint sind, aber der Preis ist hoch.

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  30. @ Jason:

    Hier ein Zitat von CS Lewis aus “the problem of pain” (meine Übersetzung, ich habe keine deutsche Ausgabe:

    „Unser Herr spricht mit vier Symbolen von der Hölle: erstens dem der Strafe (‚ewige Strafe‘, Matthäus 25,46); zweitens, dem der Zerstörung (‚fürchtet vielmehr den der sowohl den Körper als auch die Seele in der Hölle verderben kann‘, Matthäus 10,28); und drittes, dem von Entbehrung (privation), Ausschluss, oder Verbannung in ‚äußerste Dunkelheit‘, wie im Gleichnis vom Mann ohne Hochzeitsgewand oder den klugen und dummen Jungfrauen. Das vorherrschende Bild des Feuers ist bedeutsam weil es die Gedanken von Leid und Zerstörung zusammenbringt. (…) Es ist nicht nötig, sich auf die Bilder von Folter und Zerstörung zu konzentrieren und darüber die zu vergessen, die Zerstörung und Entbehrung beschreiben. Welches Symbol kann für alle Aspekte gleichermaßen angemessen sein? Natürlicherweise nehmen wir an, dass Zerstörung die Auflösung oder das Erlöschen des zerstörten bedeutet. (…) Allerdings bedeutet in unserer ganzen Erfahrung die Zerstörung des einen den Übergang in etwas Anderes. Verbrenne ein Holzscheit und du erhältst Rauch, Wärme und Asche. Ein Scheit gewesen zu sein bedeutet jetzt diese drei Dinge zu sein. Wenn Seelen vernichtet werden können, muss es dann nicht den Zustand des eine Seele gewesen sein geben? Und kann dieser Zustand nicht vielleicht ebenso gut beschrieben werden Leid, Zerstörung und Entbehrung? (…) Die Geretteten gehen an einen Ort der für sie bereitet wurde, während die Verdammten an einen Ort gehen, der überhaupt nicht für Menschen gemacht wurde. Den Himmel zu betreten bedeutet mehr Mensch zu werden als man es jemals auf der Erde gewesen ist; die Hölle zu betreten bedeutet von jeder Menschlichkeit ausgeschlossen zu sein.“ (Seiten 102-103)

    Echt toll ausgedrückt. NT Wright bezieht sich mehr auf den fiktionalen Text “the great divorce”, auch ein tolles Buch.

    Zur Frage der Mission:
    Ich bin sicher kein Universalist und habe auch immer wieder über die Hölle gepredigt, aber das war nie eine große Motivation für Evangelisation. Ich habe viel evangelistisch gearbeitet und auch viele “Bekehrungen” erlebt, aber meine Motivation dabei war immer, dass ich glaube, dass Jesus das Beste ist das einem Menschen passieren kann. Und das auch ganz diesseitig. Deswegen glaube ich nicht, dass mein Engagement in diesem Bereich weniger würde wenn es keine Hölle gäbe.

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  31. Das Evangelium fängt hier an zu wirken. Menschen werden von Süchten frei, Ehen werden gerettet usw. Wir werden gewiss über die Ewigkeit weil wir sehen, dass das Evangelium im Diesseits funktioniert. Alles das finde ich so gut, dass ich auch jedem Menschen Jesus anraten würde wenn es keine Ewigkeit gäbe.
    Im Grunde finde ich das einen sehr jüdischen Gedanken. Mich hat es immer gewundert, dass das AT so extrem wenig Jenseitshoffnung hat. Das fand ich besonders komisch weil ich es für einen integralen Bestandteil des Glaubens gehalten habe. Aber darin liegt oftmals ein Problem: Die Jenseitshoffnung ist so groß, dass sie das Diesseits überschattet. Ich meine, dass Gottes Wirken in unserer Welt so großartig ist, dass es sich lohnen würde für Gott zu leben wenn es kein Leben nach dem Tod gäbe. Das ewige Leben ist eine wunderbare Draufgabe, aber es fängt eben hier an.

    Noch ein kleiner Disclaimer: Jeder der mich näher kennt wird bestätigen können, dass ich eine sehr große Vorfreude auf die Ewigkeit habe. Gerade der Himmel spielt in meinem Leben also schon eine große Rolle.

    Storch

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  32. Ach so, o.k.
    abgesehen davon, dass ein bekehrter Moslem oder Hindu in seinem Heimatort sicher nur ungern auf die himmlische Hoffnung verzichten würde, weil das Leben als Christ ihm in erster Linie eine Menge Stress einbringt. Er wird Paulus gut verstehen: “Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.”
    Aber das trägt ja eigentlich offtopic.
    Zum Thema:
    Es besteht ja ein grundlegender Unterschied zwischen den ohne Gott Verlorenen in dieser Welt, und den Verlorenen nach dem Tode. Der Unterschied ist: Dazwischen liegt ein Gerichtsurteil. Sie sind sozusagen Endprodukte, wie der Satan und der Antichrist Endprodukte sind. Vorher zählen sie zur Allgemeinheit derer, die von Gott zur Umkehr gerufen werden und noch unter Gottes allgemeiner Gnade stehen. Sie leben ihre selbsterwählten Prinzipien auch noch nicht vollständig aus, sondern tun, entgegen ihren Prinzipien, allerhand Gutes, das Gott gefällt, ebenso wie auch die Kinder Gottes noch allerhand Böses tun, das Gott nicht gefällt. Somit ist Geschichte ein fortlaufender Prozess der Differenzierung (auf der einen Seite Verhärtung gegen Gott, auf der anderen Seite Läuterung und konsequentere Hinwendung zu Gott).

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  33. wow, da sind ja viele gute und interessante Gedanken dabei. Vielen Dank. Jetzt gibt es von meiner Seite zu vielem auch noch ein paar Ergänzungen, Fragen udn auch Kritik. Aber ich reduziere das jetzt mal auf ein paar Punkte:

    1. Zum Wort Gehenna: Daran, dass Gehenna ein historischer Ort ist, gibt es kaum Zweifel, das Problem liegt im Gebrauch und Verständnis im 1. Jahrhundert. Wir haben außerbiblische Quellen für die Zeit davor und danach, was zumindest eine gewisse Annahme zulässt. Aber ich wäre sehr an jüdischen Quellen aus dem 1. Jahrhundert interessiert!

    2. Die Außeinanderdividierung von von Diesseits udn Jenseits ist mir oftmals zu dualistisch bzw. zu hart. Im Reich Gottes (Himmelreich) werden genau diese Grenzen aufgeweicht udn wir können schon einen Teil der “himmlischen Qualität” (ich gebe zu einen kleinen) hier auf Erden erleben. Natürlich bleibt eine Dualität von Himmel udn Erde dadurch bestehen. Dabei heißt es oft nicht entweder oder, sondern sowohl als auch: 1. Es ist beides: Verkündigung und Tat; 2. Es ist beides, geistlich und sozial; 3. Es ist beides, für Israel und die Nationen und 4. es ist beides, gegenwärtig und eschatologisch.

    3. Ich kenne niemand (der sich selbst als Christ bezeichnet), der nicht an das Gericht Gottes und dessen Konsequenzen glaubt. Erst da gibt es dann Unterschiede udn ich glaube auch, dass dies legitim ist und die verschiedenen Meinungen auch biblisch argumentiert werden (was die Gegenseite ja immer abstreitet). Was mich wirklich stört, ist dieses ständige, “wenn du nicht genau das glaubst wie ich, dann bist du doch das und das und außerdem weiß ich viel besser was du glaubst als du selbst”! Wenn Bell in gefühlten zehn Interviews sagt, dass er kein Universalist sei, warum sollte man es ihm nicht auch glauben. Wir wollen über die Jenseitigkeit alles wissen und schaffen es nicht in der Diesseitigkeit einem Bruder glauben zu schenken. Da stimmen die Verhältnismäßigkeiten m:M. nicht mehr.

    4. Mission/Evangelisation und Allversöhnung schließen sich m.M. nicht aus. Gerade wenn wir in die Kirchengeschichte schauen, sehen wir, dass es bspw. bei Bengel, Öttinger, Blumhardt große Erweckungen gab. Dies würde ich auch bei einigen Freunden so sehen, die das heute vertreten. Was es immer gibt, dass Menschen nicht missionarisch leben, aber dies gibt es meiner Erfahrung nach bei allen, egal, ob sie an die Hölle glauben oder nicht. Da würde ich sagen, dass nach meiner Beobachtung eher umgekehrt ist, dass manche mit ihrem “harten Höllenglauben” viele Menschen abschrecken. Aber dies mag auch ein subjektiver Eindruck sein.

    Dies mal ein paar Gedanken….

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  34. “Wenn Bell in gefühlten zehn Interviews sagt, dass er kein Universalist sei, warum sollte man es ihm nicht auch glauben.” (Zitat Tobias)
    Anstatt das 10 mal zu beteuern, wäre es sinnvoller zu erläutern, wie er das Kunststück schaffen will, darum herum zu kommen.

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  35. @ Hans-Christian:

    “noch mal zu Storchs “sehr jüdischem Gedanken”.
    Es war auch ein sehr jüdischer Gedanke, auf eine fleischliche Beschneidung zu vertrauen.”

    Das war böse. Aber ich denke, dass Du schon verstanden hast, worum es ging. Die Botschaft Jesus ist ja sehr schlecht von seiner jüdischen Person zu trennen.

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  36. Ja, da gebe ich dir Recht, dass ich mir auch Wünschen würde, dass er etwas konkreter beschreibt, wie er sich das alles vorstellt.
    Ich glaube, dass es sehr schwer ist, weil wir im “Jenseitigen” immer in den spekulativen Bereich kommen und die Bibel eben oft in Bilder, Symbolen, Gleichnissen etc. spricht.

    Aber wir sind ja selbst groß! 😉

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  37. @ Storch. Es war nicht böse. Das Wort Gottes favoritisiert keinen speziellen folkloristischen Denkstil. Paulus tadelt sowohl die Griechen (fragen nach Weisheit), als auch die Juden (suchen Wunder).

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  38. Genau das macht es so schwierig, ich habe das Gefühl, dass du deine Aussagen alle als “biblisch” einstufst und alle anderen Aussagen als “spekulativ”. So kommen wir nicht weiter….

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  39. Mmhh, es ist doch etwas schwierig sich über das Medium blog zu unterhalten. Ja, ich gehe davon aus, dass ich in so einer Diskussion etwas lernen kann, auch von dir. Vielleicht ist das nicht deine Motivation, was ja völlig in Ordnung ist. Damit habe ich aber nicht dir die “Schuld” gegeben gegeben, dass hast du falsch verstanden…

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  40. Es ist nur: Wenn jemand eine schöne Vision zum Besten gibt, die er nicht biblisch belegen kann, die Verkündung dieser Vision aber “christlich” nennt, weil sie so schön ist, dann gleicht er den Priestern und Propheten in Jeremia 6,14, die Gottes Volk trösten in seinem Unglück, dass sie es gering achten sollen, und sagen: “Friede! Friede!”, und ist doch nicht Friede.

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  41. Seit dem neunzehnten Jahrhundert gibt es einiges an Literatur über die Sichtweisen der Kirchenväter. Ergebnis ist in Summa, dass die griechischen Kirchenväter universalistisch waren, die lateinischen nicht. Das änderte sich erst im sechsten Jahrhundert völlig. Wenn Du mir Deine Mailadresse gibst, schicke ich Dir gerne einige dieser Bücher zu.

    Mit judenchristlich hat das allerdings wenig zu tun, jüdische Hintergründe spielen zu dieser Zeit keine Rolle mehr. Zur Auslegungstradition bestimmter Bibelstellen helfen immer BIbleWorks und EKK.

    Storch

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  42. @Hans-Christian: Ich bin mir nicht sicher, ob du Bell`s Beschreibung von “Geschichte erzählen” (story) richtig verstehst. es geht ihm nicht nur um eine Geschichte im Sinne einer Erzählung, sondern um einen größeren Zusammenhang, zum Beispiel die Geschichte Gottes mit den Menschen etc. Diese Doppeldeutigkeit NT Wright in seinem Buch “Das Neue Testament udn das Volk Gottes” ganz gut erklärt.

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  43. @Jason: Es gibt da ja trotz des historischen Anspruchs unterschiedliche Herangehensweisen: 1. Der historisch-arbeitende Theologe. NT Wright wäre da ein gutes Beispiel, aber auch EP Sanders, J. Dunn u.a. Kenneth Bailey soll auch sehr zu empfehlen sein.

    2. Es gibt aktuelle jüdische Historiker und Forscher, die Jesu jüdische Identität beleuchten, z.B. Geza Vermes, Pinchas Lapide u.a.

    3. Vergangene jüdische Denker wie Leo Baeck haben im Zuge von Suche nach Anerkennung des Judentums zu zeigen versucht, daß Jesus ja selbst Jude war. Sowas gab es z.B. schon im 19. Jahrhundert.

    Unter http://www.jcstudies.com findest Du Teachings des mittlerweile verstorbenen Dwight A. Pryor. Ich find ihn super bereichernd, weil er zahlreiche Bibelstellen und biblische Zusammenhänge beleuchtet, die er in Auseinandersetzung mit dem Judentum entwickelt hat (aber auch Wright).

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  44. Nun seid doch bitte nicht immer so geheimnisvoll, sondern verratet einfach mal, welche bahnbrechenden Erkenntnisse ihr aus New Paul’s Perspective und Jewish Research für unser Thema erwartet.

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  45. Danke für den Tipp, Tobias. Wenn jemand meine Ansicht wissen möchte: Das Ganze läuft auf eine heillose Verneblung der Klarheit der Heiligen Schrift hinaus. Denn, um sie zu verstehen, müssten wir erstmal wie die damaligen Juden denken. Das werden wir aber nicht können, sondern allerhöchstens so, wie wir denken, dass die damaligen Juden eventuell gedacht haben. Also werden wir die Heilige Schrift nie mehr verstehen. Damit sind wir in den vorreformatorischen Zustand zurückversetzt.
    Offenbar formiert sich auch schon eine neue Priesterschaft, die die Kunst des jüdischen Denkens beherrscht.

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  46. Die Klarheit Schrift ist aus meiner Sicht ein Mythos. Zur Zeit Luthers war das sicherlich ein probates Mittel gegen die Vorherrschaft der katholischen Lehre. Aber 2000 Jahre Dogmengeschichte und 5000 protestantische Dogmengeschichte zeigen mir, daß da alles andere als klar.

    Gleichzeitig bin ich mir auch bewußt, daß ich mit meiner Theologie Kind meiner Zeit bin und letztlich – wie Paulus so schön formuliert – unser Wissen Stückwerk ist. Dessen sollte sich jeder von uns zu jeder Zeit bewußt sein, weshalb ein bloßes Rekurrieren auf vergangene Theologie – sei es reformatorisch, vor- oder nach-reformatisch – alles andere als weise ist. Vielmehr muß jede Generation neu Theologie betreiben, selbstverständlich mit dem Wissen über bereits Gedachtes.

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  47. Neue Theologien sind solche, die Gott und die Bibel aus der aktuellen nicht-christlichen Philosophie heraus definieren und interpretieren.
    Was wir stattdessen brauchen, ist die gute alte Theologie, apologetisch angereichert und ausformuliert, dass sie für die Menschen unsrerer Zeit weiterhin eine echte Alternative und Herausforderung darstellt.

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  48. wow, Strack/Billerbeck, da hab eich bisher nur den Matthäuskommentar gekauft, da die Reihe sehr teuer ist. Aber die Seite ist ja super. Danke!

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  49. Mmmhh, ob das die Täufer auch so sehen, da hab ich meine Zweifel. Calvin ist ein großer Theologe, aber eben auch ein Kind seiner Zeit und dass er die “konsistenteste Darstellung der biblischen Lehre” darstellt, ist deine Entscheidung, oder?

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  50. @ Hans-Christian:

    Es geht erst mal nicht um ein theologisches System. Auf Systemebene habe ich mit Reformtheologie das Problem der Überbetonung der Prädestination. Ich komme da eher vom freien Willen her. Wieder ein Punkt an dem ich gerne zu einer Theologie vor Augustinus zurückkäme.
    Worum es aber eigentlich geht ist Exegese. Die große Frage ist, was Jesus mit seinen Worten gemeint hat oder zumindest diejenigen die seine Lehren zuerst ins Griechische übersetzt haben. Wenn wir in irgendeiner Weise annehmen, dass die Bibel Gottes Wort ist, dann ist das die Frage. Interpretieren kann man nachher, aber erst wenn man sich der Bedeutung sicher ist.
    Hier liegt das größte Problem in der Diskussion: Wir lesen reflexartig das in die Bibel hinein, was unsere Übersetzungen und unsere theologische Prägung uns sagen. Ein Blick in die Kirchengeschichte und das griechische NT zeigt aber, dass unsere Prägung nicht unbedingt richtig sein muss.
    Ich glaube, ich habe schon gesagt, dass die Theologie der ewigen Qualhölle gerade bei den Lateinern aufgekommen ist. Also bei Leuten, die kein Griechisch lasen oder es nicht einmal konnten (wie Augustinus). Die griechischen Kirchenväter (in der Ostkirche, in der Westkirche stehen einige unter Anathema) haben mit griechischen Argumenten dagegen argumentiert.
    Ein griechischer Muttersprachler der ersten Jahrhunderte hat aionios nicht als ewig gelesen. Und auch kolasis nicht als rächende Strafe. Hier liegt die ganze Crux. Wenn die verwandte Sprache den Verdacht nahe legt, dass die Sache anders liegt, ist mir egal wie gut eine falsche Position belegt ist.
    Deshalb muss dort ansetzen wo man wenigstens versucht vorturteilsfrei zu lesen was Jesus über die Gehenna gesagt hat – ohne immer das hineinzulesen, was man immer schon gelesen hat. So hoch wie Du die Reformation hältst liest Du ganz bestimmt durch eine Brille. Versuch doch mal, die abzusetzen. Vielleicht siehst Du nachher etwas anderes.

    storch

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  51. Lieber Storch,
    Sprachwissenschaftlich und exegetisch gesichert ist beides: “olám” und “aión” können sowohl Ewigkeit im Sinn von Endlosigkeit als auch einen begrenzten Zeitraum angeben. Das allein hilft nicht weiter. Die Tricksereien der Allversöhner, wenn es darum geht zu begründen, wieso für ewiges Leben und ewigen Tod derselbe Ausdruck benutzt wird (z.B. in der Offb. “bis in die Äonen der Äonen”) ebenso wenig.
    Vor allem scheitern sie daran, dass “äonisch” auch für Gott (z.B. Röm. 16,26; Hebr. 9,14; 13,8; 1Tim. 1,17) und göttliche Dinge (z.B. 2Kor. 4,18) verwendet wird. Wenn die Bibel Gottes Ewigkeit bezeugt, kann sie damit nichts anderes meinen als seine endlose Unsterblichkeit. Die hebr. und gr. Begriffe für “ewig” und “immerwährend” bezeichnen allesamt eine Zeitdauer unbestimmter Länge.
    Allversöhner müssten wennschon, dennschon konsequent sein. Welcher Allversöhnungsanhänger wäre Gott wohl böse darüber, dass er ihm seine diesseitige, vielleicht sogar zaghaft und voller Zweifel getroffene Entscheidung mit ewigem Leben vergilt?
    Im übrigen widerspricht die Behauptung, endliche Sünden könnten nicht mit ewiger Pein bestraft werden, nicht nur dem sprachlichen Befund über das “Äonische”, sondern auch dem biblischen Befund über das Gericht, und erweist sich somit als menschliches Denken, das barmherziger sein will als Gott selbst.

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  52. Das Instrumentarium “New Paul’s” und “Jewish thinking” macht die Errungenschaft nicht nur der Reformation, sondern auch der frühchristlichen Konzilien und der Kirchenväter praktisch irrelevant.
    Wie das resultierende Konstrukt am Ende aussehen wird, lässt sich nur mutmaßen, doch wird es auf alle Fälle nicht mehr viel mit dem zu tun haben, was man im protestantischen Christentum bislang für den christlichen Glauben hielt.
    Das erste Opfer ist die Inspirationslehre, das zweite der Grundsatz der Klarheit der Schrift, womit nicht gemeint ist, dass alle Schriftstellen gleichermaßen leicht verständlich sind, oder dass alle Christen in allen Details dasselbe Verständnis haben, sondern dass jeder (unabhängig von Priestern) alles verstehen kann, das zu seiner Errettung notwendig ist.

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  53. @Storch, offtopic zur Prädestination: Gerade für “jüdisches Denken” ist ein Gott, der freiwillig seine Allmacht aufgibt und den Geschichtsverlauf Zufallselementen überlasst, der es duldet, dass der sündige Mensch seinen ewigen Ratschluss durchkreuzt und zunichte macht, der seinen Sohn für Menschen die Strafe bezahlen lässt, die anschließend selbst noch mal dafür bezahlen, weil sie das Sühneopfer unwirksam machen, absolut undenkbar.

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  54. Dann solltest Du besser nicht Jonas Aufsatz “Der Gottesbegriff nach Auschwitz“ lesen, wo Jonas dezidiert von der Ohnmacht Gottes redet – geschrieben von einem Juden. Wenn wir von jüdischem Denken reden, würde ich gerade nicht von Vorherbestimmung Gottes reden (so interpretiere ich Dein Verständnis von ewigem Ratschluß). Wenn der Mensch tatsächlich einen freien Willen hat, kann Gott dies zwar vorher wissen, aber dann muß Er auch die Fehltritte des Menschen in Kauf nehmen. Und dennoch kann Gott aus meiner Sicht nach wie vor dran sein an der Geschichte. Aber das müßte ja an dieser Stelle sicherlich umfangreicher entwickeln, wozu mir gerade die Zeit fehlt.

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  55. Wenn wir vom jüdischen Denken reden, sollten wir bei demjenigen der Heiligen Schrift bleiben, ansonsten müssten wir ja auch dasjenige von Spinoza und Einstein und Kafka hinzuziehen.
    Und dort ist das Zeugnis eindeutig für den souveränen Gott, der “alles zu seinem Zweck gemacht” hat und “alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens”.
    “Herr, wie sind deine Werke so groß und viel. Du hast sie alle weise geordnet.”
    Römer 11,26: “Denn von ihm, und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.”
    Mit anderen Worten: Gott weiß alles, weil er verordnet hat, was sein soll. Die Ereignisse sind die Auswirkungen seines ewigen Planes.
    Wäre der Mensch selbst der ausschlaggebende Faktor für sein ewiges Heil, wäre Gnade keine Gnade, weil derjenige, der sie austeilen muss, selbst vom Menschen abhängig wäre, und menschliche Freiheit wäre keine Freiheit, weil das Umfeld, indem allein sie funktionieren kann, der Plan Gottes, nicht allumfassend wäre.

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  56. Ich würde a) nicht einfach so mit Bibelstellen um mich schmeißen und b) nicht unterschiedliche Themen in einen Topf werfen (Gottes Gnade hat nicht notwendigerweise etwas mit seiner Vorhersehung zu tun; und die Frage, ob es eine Hölle gibt oder nicht, wäre schon Thema Nr. 3).

    Aber ich sehe, daß wir zu keinem Punkt mehr kommen werden. Deshalb ist für mich an dieser Stelle diese Auseinandersetzung beendet. Herzliche Grüße trotz alledem!

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  57. Hans-Christian: ich würde noch mal gerne etwas zurück gehen in der Diskussion, zur Wahl des Calvinismus und meiner theologischen Ansätze. Ich habe keinen theologischen Ansatz den ich hier einfach angeben könnte. Die Frage ist für mich eher: Warum findest du den Calvinismus so attraktiv oder biblisch nah oder gar wahr. Ist dies eine rein intellektuelle Entscheidung? Hat es etwas mit deiner Biographie zu tun? Deinem Weltbild? Deinen bisherigen theologischen Erfahrungen? Deiner Persönlichkeitsstruktur? Deiner geistesgeschichtlichen Prägung? Wahrscheinlich doch von allem etwas, oder? Ich glaube dass es wegen all diese FRagen noch zwei weitere Entscheidungskriterien hinzugezogen werden müssen, wenn es um die “Bewertung einer Theologie” geht: Der Heilige GEist und die “Gemeinschaft der Gläubigen”. Das in Kürze mit lieben GRüßen.

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  58. Nun, Jason, Gott liebt ja nicht erst, seit er den Menschen erschaffen hat. Er brauchte auch nicht die Schöpfung, um endlich jemanden zum Lieben zu haben. Die innertrinitarische Beziehung ist von aller Ewigkeit her Liebe. Mit anderen Worten: Gott liebt sich selbst und verherrlicht sich selbst in seinen Werken. Er hat sich ein Volk erwählt, das er rettet, und erträgt die Gefäße des Zorns. Wenn sie das Sühneopfer Christi in den Wind schlagen, welches Opfer bleibt dann noch?

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  59. Ich finde das gar nicht so off-topic. Prädestination ist doch völlig im Höllenthema drin.

    Zur Wortbedeutung:
    Inwieweit ist olam für diese Diskussion wichtig? AT ist ja mal ein ganz anderes Thema…
    Aber eine Frage lässt sich leicht beantworten. Du schreibst: “Wenn die Bibel Gottes Ewigkeit bezeugt, kann sie damit nichts anderes meinen als seine endlose Unsterblichkeit. Die hebr. und gr. Begriffe für “ewig” und “immerwährend” bezeichnen allesamt eine Zeitdauer unbestimmter Länge.”
    Wenn das Adjektiv mehrdeutig ist, erklärt das Hauptwort die Bedeutung. Ewig und Gott ist dann logischerweise unendlich. Ewig und eine Strafe nicht notwendigerweise.
    Es ist auch fraglich wie sauber es ist, in ein modernes Lexikon zu schauen um herauszubekommen wie ein Ausleger des 2.Jhd ein Wort verstanden hat. Es ist ja offenkundig, dass z.B. Clemens äonisch nicht als unendlich gelesen hat.

    Neue Theologie:
    Ich kenne NT Wright nicht so gut, würde aber mal vermuten, dass die new perspective weder unverständlicher noch einfacher ist als die “gute alte Theologie”. In der Predigt ist nachher alles einfach, aber Calvin zu lesen hat es in sich. Von daher ist nicht damit zu rechnen, dass weniger Leute die Bibel verstehen wenn sie aus einer solchen Perspektive gelehrt wird.
    Für mich ist Reformtheologie übrigens alles andere als intuitiv. Ich war völlig überrascht als ich nach jahrelangem Christsein gehört habe, dass es Christen gibt die an Prädestination und nicht an den freien Willen glauben. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Bibel einige Male gelesen und wäre nie auf die Idee gekommen, dass es keinen freien Willen geben könnte.

    “Das Instrumentarium “New Paul’s” und “Jewish thinking” macht die Errungenschaft nicht nur der Reformation, sondern auch der frühchristlichen Konzilien und der Kirchenväter praktisch irrelevant.”

    Da machst Du ein Fass auf… Da habe ich schon mal was zu geschrieben und sehe es noch immer so: Die meisten Konzil- und Synodenbeschlüsse werden von Protestanten nicht anerkannt. Wir glauben weder dass eine Reise nach Rom noch die Teilnahme an einem Kreuzzug und Erleichterungen im Fegefeuer bringen. Wir glauben noch nicht mal an das Purgatorium. Christi Höllenfahrt ist bei uns umstritten. Wir glauben an keines der vielen Mariendogmen usw.
    Aber ein paar christologische Lehraussagen und eben die Höllensachen übernehmen wir. Zugespitzt: Wir ziehen die meisten Aussagen die auf Konzilien über das Leben nach dem Tod getroffen wurden in Frage. Kann man sich dann immer noch auf Konzilien und die Autorität der Kirchenväter berufen? Und warum sind es dann wieder nur die offiziellen, die westlichen Kirchenväter?

    Jüdisches Denken:
    Das Spinoza und Kafka außen vor sind ist ja klar. Aber nur bei der Heiligen Schrift bleiben können wir auch nicht. Die apokalyptische Literatur zwischen den Testamenten ist entscheidend für unser Verständnis der Hölle. Die ganze jüdische Auslegung vor Christus ist auch wichtig, denn immerhin stellt sie den Rahmen für Jesu Denken dar. Dass er die feinen theologischen Unterschiede wohl kannte zeigen seine Diskussionen mit Pharisäern und Sadduzäern.
    Dennoch sollte uns auch klar sein, dass Jesus über das jüdische Denken hinausgehen musste. Er hatte schließlich einen Auftrag und der zielte letztlich auf eine totale Reformation des jüdischen Glaubens.

    Und schließlich: “Wäre der Mensch selbst der ausschlaggebende Faktor für sein ewiges Heil, wäre Gnade keine Gnade…”
    Das stimmt nicht. Gnade ist Gnade in dem Moment in dem sie unverdient angeboten wird. Sie wird zum Zwang wenn man sie nicht ablehnen kann. In diesem Sinne lehrt Reformtheologie keine Gnade, sie lehrt einen göttlichen Zwang.

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  60. Lieber Storch,
    Als Geschöpfe Gottes nach seinem Ebenbild können und sollen wir wahre (wenn auch unvollständige) Erkenntnis Gottes haben. Das kann nur geschehen, wenn wir seine Selbstoffenbarung mit Hilfe seines Geistes studieren und lernen, Gottes Gedanken analog “nach-zu-denken”, nicht, indem wir mit der Methodik unserer Logik (Gesetz der Kontradiktion), nach Art der Scholastiker aus einzelnen Aussagen deduktiv Schlüsse ziehen, die anderen Aussagen widersprechen. Vielmehr lassen wir sie als begrenzende (oder ergänzende) Konzepte stehen, wie zum Beispiel die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen für seine Entscheidung. Daraus eine absolute menschliche Autonomie abzuleiten, wäre verkehrt.
    Was hast du denn bei deinem jahrelangen Bibelstudium gedacht, als du Verse last wie “Da es aber die Heiden hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des HERRN und wurden gläubig, wie viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren”?
    Deine Ausführungen über Gnade sind nicht schlüssig, denn: Was nützt “Gnade”, wenn derjenige, der davon erfährt, “tot in Übertretungen und Sünden” ist und “nichts vom Geist Gottes vernimmt”?

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  61. Lieber Hans-Christian, in aller Demut, davon bin ich ausgegangen und deshalb habe ich diese Fragen gestellt oder gehst du davon aus, dass die Offenbarung unmittelbar von Gott zu dir kommt, sozusagen ohne kulturellen “Ballast” wie Sprache etc. und deine Erkenntnis neutral und objektiv und nicht geprägt von der westlichen Geistesgeschichte ist?
    Verstehst du jetzt etwas besser, was ich meine?

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  62. Ok, aber ganz ehrlich, glaubst du wirklich, dass deine Meinung völlig unabhängig von äußeren Einflüssen ist? Sorry, aber das kann ich nicht glauben…
    Allein, dass du Calvin, und wie deine Blogkommentare zeigen, noch viele andere Bücher, liest zeigt doch, dass du bewusst und unbewusst von vielen Dingen beeinflusst und geprägt bist…

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  63. Wir alle, die wir hier diskutieren, sind belesene Menschen. Das heißt doch nicht, dass wir keine wahre Erkenntnis über Gott haben können, oder? Unser Verstand ist von Gott konzeptionell erschaffen, und deshalb kann es nicht verkehrt sein, der Wahrheit auch konzeptionell auf den Grund zu gehen.

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  64. Ja, aber unsere Erkenntnis ist, wie Paulus so schön sagt, immer nur bruchstückhaft. Deshalb brauchen wir uns ja gemeinsam, damit wir uns durch die gemeinsamen Erkenntnisse, Erfahrungen etc. der Wahrheit Gottes nähern….

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  65. @ Toby: Das ist jetzt wirklich off-topic. Wenn wir über die objektive Realität der Hölle sprechen ist es doch egal, wie Hans-Christian zu seinen Erkenntnissen gekommen ist. Interessant ist, ob sie haltbar sind. Da wäre schon die Frage warum die Synode von Dordrecht sich entschieden hat wie sie es tat interessanter.
    Aber ich schätze, dass wir kaum genug Material haben um herauszubekommen warum die Reformatoren ihre Theologie entwickelt haben.

    Hans-Christian: Du beantwortest meine Einwände nicht mehr, also vielleicht drehen wir uns schon im Kreis. Ich würde nicht gerne wieder in Diskussion freier Wille gegen Vorherbestimmung einsteigen, aber eines will ich noch beantworten. Du schriebst:
    “Was hast du denn bei deinem jahrelangen Bibelstudium gedacht, als du Verse last wie “Da es aber die Heiden hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des HERRN und wurden gläubig, wie viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren”?”
    Ich habe z.B. bereits zwei Verse vorher angefangen zu lesen: “Zu euch mußte notwendig das Wort Gottes zuerst geredet werden; weil ihr es aber von euch stoßt und euch selber des ewigen Lebens nicht für würdig haltet, siehe, so wenden wir uns zu den Nationen.”

    Aber lass uns jetzt nicht in einen Bibelstellenbattle eintreten. Ich führe die Diskussion seit Jahren ohne dass einer meiner Diskussionspartner Arminianer oder ich Calvinist geworden wäre.

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  66. Mmhh, also für mich ist das schon wichtig, dass ich weiß, wie die Meinung des Anderen zustande kommt, sonst kann ich sie ja gar nicht einschätzen udn werten. Vielleicht ist es eine zu sehr hermeneutische Debatte, aber da fallen die Vorentscheidungen, die später kaum noch veränderbar sind. Eigentlich müssten wir uns über unsere erkenntnistheoretischen Vorentscheidungen unterhalten, damit das gesagte verstanden werden kann. Meine Erfahrung ist da, dass Weltbild, Biographie und Erfahrung oftmals (unreflektiert?) viel Stärker sind als die Theologie an sich. Aber vielleicht führt das auch zu weit…

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  67. Lieber Storch,
    Sorry, wenn ich nicht auf jeden Punkt eingegangen bin.
    Was den (nicht erfolgten) Sinneswandel deiner Gesprächspartner betrifft, wundert mich nicht, dass keiner von ihnen Calvinist wird, wenn du selbst doch Arminianer bist. Ein Calvinist andererseits wird wohl kaum wieder davon abrücken.
    Ich bin dankbar, dass allein durch mein Zeugnis allerhand Christen zur Erkenntnis der Souveränität Gottes und der Lehre von der Gnade gekommen sind.
    @Tobias: Zum Glauben gekommen bin ich, wie (fast) alle von uns, in arminianischem Umfeld, genauer: in den wilden 70ern durch amerikanische Jesus People, und zwar nach einer Zeit extensiven Drogenkonsums und Engagements in verschiedenen fernöstlichen Religionen. Es war also ein langer Weg dahin, wo ich heute steh.

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  68. flitzeflink

    @Philipp Mertens: “Die Klarheit Schrift ist aus meiner Sicht ein Mythos.” Ich empfehle Dir, Dich etwas mehr mit Luthers Schriftverständnis und auch mit seiner Zeit auseinanderzusetzen. Luther hat sich mit seinem Schriftverständnis, das übrigens ganz wesentlich in der Tatsache wurzelt, dass wir Geschöpfe Gottes sind und dass Gott gesprochen hat, nicht nur gegen die Katholische Kirche, sondern auch gegen viele andere Gruppen gestellt, deren Schriftverständnis heute im evangelikalen Raum weit verbreitet ist (v.a. Erasmus). Luthers Schriftverständnis und sein Postulat der Klarheit der Schrift war damals wie heute ungewöhnlich.

    @Tobias: “also für mich ist das schon wichtig, dass ich weiß, wie die Meinung des Anderen zustande kommt, sonst kann ich sie ja gar nicht einschätzen udn werten.” Hm, ich gehe davon aus, dass Dir klar ist, dass diese Haltung “ein Kind unserer Zeit” ist, die meines Erachtens sehr fragwürdig ist. Denn es geht dann nicht mehr um einen sachlichen Austausch über ein Thema, sondern im Vordergrund steht die Person, ihre Befindlichkeit und vor allem ihre Glaubwürdigkeit. Stellen wir uns eine Gerichtsverhandlung vor, in der der Richter den Zeugen nicht nach dem fragt, was er von einem Unfallgeschehen konkret beobachtet hat, sondern danach, ob er zuvor Streit mit jm. gehabt hat, wie er geschlafen hat und was er zur Straßenverkehrsordnung, zu Gerichten und überhaupt im Allgemeinen denkt. Das mag insgesamt recht interessant sein, wird aber zur Klärung des Unfallgeschehens nicht viel beitragen. Zudem stellt sich ja die Frage, warum der Richter so vorgeht? Traut er etwa der Aussage des Zeugen von vornherein nicht?
    Eigentlich sollte vor Gericht kein Ansehen der Person herrschen, und die Aussage des Zeugen sollte als Aussage stehen bleiben, um dann an der Realität geprüft zu werden (denn es hat ja tatsächlich etwas stattgefunden, das bezeugt werden kann).

    @alle: Wenn wir über Himmel und Hölle nachdenken, müssen wir doch zuerst die Bibel befragen, und die ist da doch jedenfalls in soweit klar, dass sie sagt: Wir landen entweder aus Vertrauen zum Evangelium im Himmel oder in der Hölle, was immer, wo immer und wie immer es dort auch sein mag – auf jeden Fall nicht schön. Wenn die Bibel nichts Absolutes zu Himmel und Hölle zu sagen hat, dann ist alles Gerede darüber nur Geschwätz und wir sollten unsere Zeit sinnvoller verbringen. Viele Grüße!

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  69. @flitzeflink: Ich glaube, dass der Vergleich mit dem Richter ersten hier nicht passt udn zweiten nicht stimmt. Natürlich spielt die Motivation und die Vorgeschichte eine Rolle, auch bei Gericht, es zählt nie nur die Tat allein. Aber ich glaube, dass es hier um was anderes geht, nämlich, dass wir erst mal lernen udn verstehen, wie unsere Meinungen, Denkmuster etc. zusammen kommen. Schon im At haben die Propheten nicht auf das “reine Ergebnis” geschaut udn gesagt, ja, die Gottesdienste laufen alle formal korrekt ab, sondern haben die Herzenshaltung angeklagt. Jesus ging noch weiter und hat sich von den verschiedenen gelebten “Kategorien” nicht aufhalten lassen, sondern hat sie durchbrochen. Da ging es nie nur um das äußere Ereignis, ja nicht mal um die gesagten Worte, sondern es ging um ein tieferes Erkennen und Begegnen.

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  70. flitzeflink

    @Tobias: Danke für Deine Rückmeldung 🙂 Natürlich hinkt der Richtervergleich irgendwo – wie jeder Vergleich. Und natürlich spielen Motivation, Vorgeschichte usw. eine Rolle – aber in erster Linie beim Täter und nicht beim Zeugen und das ist ja mein Punkt! Auch gebe ich Dir Recht, was die AT-Propheten betrifft. Allerdings sprachen die von Gott her, sie urteilten nicht einfach aus ihrer (vermeintlichen) Menschenkenntnis, sondern hatten sein Wort. Das gilt natürlich noch mehr für Jesus selbst. Ich bezweifle, dass wir als Menschen (insbesondere wenn wir Gottes Wort beiseite stellen) wirklich über die Motivationen und Herzensgründe unseres Gegenübers urteilen können (und die Bibel bezweifelt das ja offenbar auch Spr 14,10; 1Sam 16,7 usw.). Es ging nicht um die gesagten Worte bei Jesus? Aber sind es nicht gerade diese Worte, die in eine tiefe Beziehung und Begegnung mit Jesus führen – wie er ja selbst sagt, z.B. in Joh 8? Herzlichen Gruß!

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  71. Lieber Tobias, mich würde schon mal interessieren, was du den Leuten auf der Straße erzählst.
    Konsequenterweise müsste es etwa so lauten:
    “Jesus hat irgendwas für irgend jemanden (oder alle?) getan, das irgendwie mit Erlösung von irgendetwas Unangenehmen zu tun hat. Was genau, hängt von deinem Umfeld und deinem Kulturkreis ab.”
    Klingt nicht sehr überzeugend.

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  72. @flitzeflink: Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Mir geht es darum Menschen zu verstehen, deshalb interessiere ich mich für ihre Geschichte und ihre Meinung. Meine Erfahrung ist, dass je mehr ich davon weiß, je besser verstehe ich die Menschen, da ich ihr gesagtes einordnen kann. Unsere Diskussion hier ist dafür eigentlich ein schönes Beispiel, ich weiß nicht wer du bist und muss anhand deiner kurzes Post versuchen dich zu verstehen, was mir offensichtlich nicht so gut gelingt, aber ich werde mich weiter bemühen…:)

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  73. Hans-Christian: Ich sage den Leuten auf der Straße immer, dass es eine Wahrheit (Gottes Wahrheit) gibt und ich diese Wahrheit habe und entweder sie nehmen diese eine, meine Wahrheit an udn kommen in den Himmel oder sie nehmen meine Wahrheit nicht an und kommen in die Hölle! 😉

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  74. Hans-Christian: Zu deiner Frage vorher, ich glaube, dass Jesus die Wahrheit ist und dass ich mich durch die Beziehung zu ihm dieser Wahrheit nähere. Die Bibel, der Heilige Geist und durch die Gemeinschaft mit anderen Menschen werde ich darin ermutigt und korrigiert.
    Dies ist die undogmatische Kurzform. 🙂

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  75. Anonymous

    @Tobias: Nimm es mir bitte nicht übel, aber mir fällt es schwer, Dir zu folgen. Du sagst: “Meine Erfahrung ist, dass je mehr ich davon weiß, je besser verstehe ich die Menschen, da ich ihr gesagtes einordnen kann.” Sicherlich, es gibt Dinge, da ist es notwendig, eine Person zu kennen, bevor man das Gesagte wirklich nachvollziehen kann. Aber zum Beispiel die Aussage eines Passanten neben mir an der Ampel, “Es ist grün”, kann ich doch problemlos verstehen und einordnen, ohne je mit diesem Menschen ein weiteres Wort gewechselt zu haben, geschweige denn, ihn zu kennen. Auch den Zuruf eines mir unbekannten Menschen, “Es zieht!”, weiß ich problemlos einzuordnen, wenn ich neben einer offenen Tür in seinem Zimmer stehe (obwohl die Information an sich gar nicht so klar ist – vor allem, wenn nur er friert und ich nicht). Und hier könnte man Luther wieder schön ins Spiel bringen, der betont hat, dass wir einander und sogar Gott verstehen können, weil wir in einer Welt leben, die dieser Gott geschaffen hat und weil wir Geschöpfe Gottes sind und weil Gott die Sprache geschaffen hat. Die Gelehrten – vor allem der letzten 200 Jahre – haben uns ja den garstigen Graben, der zwischen uns und dem zu Verstehenden liegt, einbläuen wollen und aus haben aus dem Verstehen ein großes Mysterium gemacht, und wir sind naiv gefolgt. Aber dieser Standpunkt ist m. E. mit dem biblischen Standpunkt nicht kompatibel – und da sollten wir tatsächlich unsere (!) Denkvoraussetzungen überprüfen. Verstehensschiwierigkeiten entstehen m. E. vor allem da, wo wir uns unklar und zweideutig ausdrücken und nicht unbedingt da, wo wir den anderen zu wenig kennen (wobei das in Einzelfällen auch passieren kann, keine Frage).

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  76. @Anonym: Danke, super Beitrag!
    @Tobias: Laut deinem letzten Kommentar müsstest du ja Paulus Aufforderungen geradezu vermessen finden: “Befleißige dich, Gott dich zu erzeigen als einen rechtschaffenen und unsträflichen Arbeiter, der da recht teile das Wort der Wahrheit
    Bitte korrigier mich.

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  77. @anonym: Danke, verstehe was du meinst udn gerade das Beispiel Luther macht es für mcihdeutlich, dass der “gräßliche Graben” uns tatsächlich nicht mehr verstehen lässt. Luther udn mit ihm viele Menschen der damaligen Zeit hatte die existenzielle Frage “Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?”. Diese Frage war, etwas vereinfacht ausgedrückt, der Beginn der Reformation. Vielleicht lebe ich auf einer Insel, aber ich kenne kaum einen Menschen in meiner Nachbarschaft den diese Frage beschäftigt. Jetzt kann ich ihnen eine meine “reformierte Dogmatik” geben, die Frage ist, ob sie sie verstehen?

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  78. Die Notwendigkeit eines gnädigen Gottes zu erkennen, ist bereits Auswirkung des Heilshandelns Gottes an einem Menschen.
    Wir können diesen Teil der Botschaft nicht zugunsten des “postmodernen” Menschen unter den Tisch fallen lassen und unsere Predigt seinen Bedürfnissen anpassen. Damit ist ihm keineswegs geholfen.

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  79. Hans-Christian: Amen! Endlichen haben wir einen Punkt gefunden, den wir gemeinsam sehen. Zumindest den ersten Teil sehe ich so, was mich aber nicht aus meiner “menschlichen Verantwortung” entlässt, egal in welcher gesellschaftlichen Phase der Geschichte ich gerade lebe…

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  80. flitzeflink

    Ups: anonym=flitzeflink: Manchmal macht auch die komplizierte Technik die einfache Kommunikation schwierig! 😉

    @Tobias: Deine Antwort verwundert mich wiederum: Ich spreche vom Verstehen der Menschen untereinander und Du sprichst plötzlich von der Rechtfertigungslehre. Die Rechtfertigungslehre ist aber nicht das einzige, worüber Luther gesprochen hat und von mir aus können wir Luther auch weglassen. Aber ich fände es hilfreich, wenn Du einfach auf das eingehen könntest, was ich sage. Das musst Du natürlich nicht, aber es würde so manches erleichtern 😉

    PS: Ich würde auch behaupten, dass Menschen, die heute etwa unter ihrem katholischen Hintergrund leiden (oder auch Christen in so manchen evangelischen Gemeinden), durchaus Luther im Blick auf die Rechtfertigung unmittelbar und befreiend verstehen können. Außerdem ist der Schrei nach dem gnädigen Gott ja nichts anderes als der Schrei nach einem Gott, der sich mir zuwendet und mich annimmt, auch und gerade wenn ich Probleme habe, verdorben bin und mich verloren fühle – glaubst Du nicht, dass es heute genug Menschen gibt, die sich wie Luther nach dieser Annahme sehnen? Ich finde da Luther gar nicht so weit weg. Und selbst wenn Luthers Frage so weit weg wäre – so können wir sie im Blick auf seine Zeit doch offenbar problemlos nachvollziehen. Also alles gar nicht so schwierig 🙂

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  81. Ich will deiner Antwort nicht vorweggreifen. Aber meinst du vielleicht: Es gibt Gott, den Schöpfer und Lenker des Universums, ohne dessen Ratschluss nichts geschieht, und gleichzeitig den Gott, dessen Ratschluss vom Menschen durchkreuzt wird und der, ebenso wie der Mensch, abhängig ist von Zufallselementen? Ist Gott undefiniert? Hat er keine Persönlichkeit?

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  82. ne, ich würde es eher mit Paulus sagen:

    12 Daher, meine Geliebten – wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit -, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern! 13 Denn Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.

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  83. Ja, Paulus beugt allen Missverständnissen vor und leitet aus der Verantwortung des Menschen keine Willensautonomie ab.
    Trotzdem geistert dieser Gedanke durch die gesamte Kirchengeschichte und ist heute in vielen Kreisen beinahe zum status confessionis geworden.

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  84. Selbst auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole:
    Wäre der Mensch selbst der ausschlaggebende Faktor für sein ewiges Heil, wäre Gnade keine Gnade, weil derjenige, der sie austeilen muss, selbst vom Menschen abhängig wäre, und menschliche Freiheit wäre keine Freiheit, weil das Umfeld, indem allein sie funktionieren kann, der Plan Gottes, nicht allumfassend wäre. Sie befände sich praktisch in einer Art Vakuum.
    Ich liebe die Schein-Paradoxa der Bibel, wie die menschliche Verantwortung und Gottes Souveränität, aber ich hasse echte Paradoxa, wie dasjenige aus meinem vorletzten Kommentar.

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  85. @flitzeflink:
    Du schriebst:
    Und selbst wenn Luthers Frage so weit weg wäre – so können wir sie im Blick auf seine Zeit doch offenbar problemlos nachvollziehen. Also alles gar nicht so schwierig 🙂

    Wenn ich dich richtig verstehe (ohne deinen Kontext zu kennen :-)), hast du damit dein Beispiel mit dem Gericht ad absurdum geführt. Denn was ist der “Blick auf seine Zeit” anderes als die Verortung der Person (in diesem Fall eben Luther) in ihrem Kontext? Offenbar “kontextualisierst” du also auch, möglicherweise ohne es dir bewusst zu sein…

    Deine Ausführungen zu Luther und dem “garstigen Graben” finde ich trotzdem sehr interessant. Leider habe ich noch nicht verstanden, wie dieser Graben (mit Luther?) zu überwinden wäre, würde mich über weitere Hinweise aber freuen.

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  86. flitzeflink

    @Daniel: Mit dem Satz, den Du von mir zitierst antworte ich auf die Aussage von Tobias oben, “dass der “gräßliche Graben” uns tatsächlich nicht mehr verstehen lässt”. Offenbar können wir Luther, obwohl er zu einer anderen lebte als wir, doch verstehen. Das wollte ich damit sagen. Ist das nachvollziehbar?

    Zu Luthers Schriftverständnis empfehle ich das kleine Buch: Martin Luther als Ausleger der Heiligen Schrift von Mathias J. Kürschner (Brunnen-Verlag, 2004). Viele Grüße!

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