„Ja, wo ist es denn? Das Reich Gottes.“

Theologie




In den letzten Wochen wurde ich vermehrt auf das Verständnis vom Reich Gottes angesprochen, ja es gab dazu die verschiedensten Meinungen und anregende Diskussionen, ob das Reich Gottes eher gegenwärtig oder zukünftig und/oder eher transzendent oder sozial zu sehen ist. Dabei war natürlich, wie immer, nicht nur jeder im Recht, sondern begründete seine Meinung auch biblisch. Das ist bei diesem zentralen Begriff auch gut und richtig. Aber welche Bibelstellen zieht man für seine Argumentation hinzu? Die, die die eigene Meinung am besten untermauern? Sicher, davon ist keine gefeit, ich zumindest nicht. Hilfreich ist aber, nicht nur in die exegetische Tiefe zu gehen, sondern auch eine hermeneutisch-theologische Breite in seiner Argumentation zu haben. Gerade bei den Diskussionen um das Reich Gottes hat mir das in den letzten Wochen oftmals gefehlt. Der Begriff „Reich Gottes“ ist beispielsweise keine Neuschöpfung von Jesus, sondern die jüdischen Zuhörer kannten dies bereits aus ihrer Bibel, dem AT. Deshalb ist es klar, dass wir, wenn wir Jesus verstehen wollen, sein jüdisches Verständnis vom „Reich Gottes“ verstehen müssen. Dieses geht, etwas verkürzt ausgedrückt zurück auf das das Bild der Königsherrschaft Gottes, die in den Bekenntnissen: „Gott ist König“ oder „Gott herrscht als König“ oftmals im AT wiederfindet (Ps. 10,16; Ps. 93,1; Ps. 96,10; Ps. 97,1; Ps. 99,1; Ps. 146,10). Während im AT die Königsherrschaft immer unvollkommen bleibt, wird gleichzeitig die Verheißung nach dem neuen König in den Propheten laut, ein Nachkomme Davids wird kommen und sein Friedensreich aufrichten. (Jes. 9,1-6; Jes. 11). In Jesus erfüllen sich diese Prophezeiungen und er predigte: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Was eine Aussage. Und von da an bildet das Reich Gottes in der Verkündigung Jesu eine zentrale Rolle. Diese eher präsentische und ethische Verkündigung (z.B. in der Bergpredigt Mt. 5,3 und Mt 6,33) zu sehen ist zwar richtig, aber eben auch nur eine Seite dieses zentralen und komplexen Begriffs. Denn RG hat auch einen eschatologischen Charakter, als ein Reich, dass zwar begonnen hat, aber noch nicht vollendet ist. Mein Kollege Guido Baltes hat die nach Theißen/Merz (Der historische Jesus) die Worte Jesu über das Reich Gottes in vier verschiedene Kategorien eingeteilt:
a) „Erfüllungsworte“: Diese Jesusworte sprechen vom Reich Gottes so, als ob sich die alttestamentlichen Verheissungen vom zukünftigen messianischen Friedensreiches bereits jetzt erfüllt haben, durch das Wirken Jesu. Zu diesen Texten gehören z.B. Lk 17,21, Lk 11,20; 10,18; Mt 11,12-13.
b) „Wachstumsworte“: Diese Jesusworte sprechen vom langsamen Wachstum des Reiches Gottes. Sie machen also deutlich, dass das Reich Gottes schon jetzt angebrochen ist, allerdings noch klein und unscheinbar, und sich in der Zukunft noch deutlicher zeigen wird. Hierher gehören z.B. Lk 8,5-8; Lk 13,18-21; Mk 4,26-29
c) „Verheissungsworte“: Diese Jesusworte sprechen vom Reich Gottes als einer zukünftigen und oft jenseitigen Größe. Hierher gehören Mt 5,3-6; Lk 6,20-21; Lk 13,28; Mt 21,31-32
d) „Bedingungsworte“: Auch diese Jesusworte sprechen davon, dass man in das Reich Gottes erst in der Zukunft „hineingelangt“. Dieses Eingehen ins Reich Gottes ist dabei abhängig vom eigenen Verhalten oder von der eigenen Entscheidung (Mt 5,20; 7,21; Mt 18,23-35; Mk 9,43ff; Mk10,15.23 u.ö.)
Diese Einteilung macht deutlich, dass das „Reich Gottes“ bei Jesus ein vielseitiger Begriff ist, der in der Kirchengeschichte dazu geführt, dass zum Teil sehr gegensätzliche Vorstellungen vom Reich Gottes entstanden, je nachdem, ob man eher den gegenwärtigen oder den zukünftigen Charakter betonte, und je nachdem ob man eher das Handeln Gottes oder das Handeln des Menschen betonte (siehe Skizze).
So musste ich feststellen, dass die meisten Diskussionen der letzten Woche nicht sehr neu waren, sondern einfache Wiederholungen in neuen Worten, was die Sache etwas entspannen lässt und wenn ich jetzt noch versuche das ganze Bild zu sehen, dann hilft mir mein Diskussionspartner vielleicht unfreiwillig, meinen blinden Fleck im Gesamtbild des Reiches Gottes zu finden.

5 Comments

  1. Anonymous

    Danke für die Einteilung und Übersicht der Bibelstellen. Wenn auch aus zweiter Hand….

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  2. Anonymous

    Hi Tobi. Wo findet man die Einteilung von Guido Baltes? In irgendeinen Buch?
    Danke
    Matthias Brüns

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  3. Rita Zimmermann

    Jesus wäre längst wiedergekommen, wenn es denn gäbe. Er ist vom Christentum konstruiert worden, um ein einseitig männliches Gottesbild aufrechtzuerhalten und um die Macht der Männer in Kirche und Gesellschaft weiterhin zu sichern. Jesus war nie mit einem Vatergott “eins”, hatte keine Liebesbeziehung zu ihm, denn sonst hätte Gott ein schwules Verhältnis. Es ist die WEIBLICHE WEISHEIT, die Gottes Gegenüber ist, seine Lebensgefährtin. Mit ihr hat er die Schöpfung in Liebe erschaffen. Das einseitig männliche Gottesbild ist ein Götzenbild. Das hat schon der Autor Kurt Marti gesagt. Es kommt ALLES ANS LICHT in diesem Zeitalter.

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