„Warum ich nicht mehr glaube.“

Christsein, Kultur & Glaube
“Ich habe lange überlegt, wie meine Familie reagieren wird. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte mir das leichter vorgestellt. Also, ich hätte nie gedacht, dass die Beziehung zu meiner Frau so beschädigt werden könnte. Und noch weniger dachte ich von meinen Eltern, dass sie mich ab diesem Moment so anders sehen würden. Das waren schon gravierende Auswirkungen. Eigentlich dachte ich, dass es zwei, drei schwere Monate geben wird, aber dann ginge alles weiter. Aber das war nicht der Fall.” Nicolo
„Christen reden von Freiheit. Gott und Glaube machen frei, aber gleichzeitig stellen sie so viele Regeln und Gesetze auf, die man alle einhalten muss, weil man sonst nicht mehr bei Gott ist.“ Claudia

So der Titel des neuen Buches, was heute frisch aus der Druckerei angeliefert wurde. Zwei Jahre habe ich mit meinen Kollegen Tobias Künkler und Martin Hofmann am Institut empiricaüber das Thema ‚Dekonversion’ (Entkehrung) geforscht. Wir haben dafür verschiedene Studien ausgewertet, selbst eine Onlinestudie durchgeführt und 15 Interviews mit jungen Erwachsenen gemacht, die von sich sagten, dass sie sich entkehrt haben. Dabei sind wir vielen spannenden Fragen nachgegangen wie: Was haben Leute erlebt, denen, auf welche Art auch immer, der Glauben abhandengekommen ist? Was erhoffen sie sich, wenn sie sich bewusst von Gott und ihrem Glauben abwenden? Wer begleitet sie dabei? Was sagen ihre Familien und Freunde? Wie reagieren ihre Kirchen und Gemeinden? Diese und weitere Fragen beschäftigten uns, als wir anfingen, uns diesem Thema zu nähern. Die Ergebnisse liegen jetzt in Buchform vor und sind sehr herausfordernd. Ich selbst muss sagen, dass mich eine Studie noch nie so sehr bewegt hat und ich selbst noch viele Fragen habe. Wir (als Team) haben uns diesem komplexen und emotionalen Thema vorsichtig angenähert und es von verschiedenen Seiten beleuchtet. Manches von dem, was wir herausgefunden haben, ist nicht leicht zu verdauen. Wir stießen auf teils unbegreifliche Schicksale, verstörendes (Nicht-)Handeln Gottes, zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten von Glaubensgeschwister uvm. Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass es sich nicht nur lohnt, sondern dass es in gewissem Maße sogar unsere Verantwortung als Christen ist, uns mit diesem sensiblen Thema auseinanderzusetzen und als Einzelne wie als Gemeinschaften davon zu lernen. Es lohnt sich also in dieses Buch reinzulesen. Wer sich dafür interessiert, kann es hier bestellen. Herausgekommen ist es beim SCM Brockhaus Verlag, der das ganze Projekt unterstützt und begleitet und uns immer unsere Forschunsgfreiheit gegeben hat. Danke.

Leseprobe mit dem ersten Kapitel, einem Vorwort von Paul M Zulehner und dem Inhaltsverzeichnis gibt es hier.


“Fast jeder, der in missionarischer Jugendarbeit engagiert ist, kennt den Schmerz: Junge Menschen finden zum Glauben, aber eines nahen oder fernen Tages verlieren sie den Anschluss, wenden sich ab und lösen sich aus der Gemeinschaft. Die neue Marburger Studie hilft, solche jungen Menschen besser zu verstehen und zu achten. Sie hilft aber auch, Verkündigung, Seelsorge und Leitung in unseren Gemeinden kritisch zu überprüfen, inwiefern sie einen mündigen und widerstandsfähigen Glauben fördern – oder ihm im Weg stehen.”

Prof. Dr. Michael Herbst, Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald

11 Comments

  1. Ja, das ist ein trauriges Kapitel. Christus selbst beschreibt es im Gleichnis vom Sämann. Er nennt verschiedene Gründe: (1) Der Arge kommt sofort und reißt wieder weg, was ins Herz gesät war, vielleicht dadurch, dass der Neubekehrte keine passende Gemeinschaft findet, die ihn aufnimmt und schützt. (2) Oder Trübsal und Verfolgung erheben sich um des Wortes willen, und “er ärgert sich alsbald”. (3) Oder die Sorge dieser Welt und der Betrug des Reichtum erstickt das Wort, und er bringt nicht Frucht. Nur einer von Vieren scheint dabei zu bleiben:
    Das aber in das gute Land gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort hört und versteht es und dann auch Frucht bringt; und etlicher trägt hundertfältig, etlicher aber sechzigfältig, etlicher dreißigfältig.

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  2. Ja, aber die Frage ist aus der Sicht des Lebens nicht so einfach zu beantworten, was ist der Weg, die Sonne oder die Dornen? Wie erkennen wir die Frucht? Unsere Umfrage versucht nicht die deduktiv theologische Frage zu beantworten, sondern “vom Feld” her zu kommen…

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  3. ein wichtiges buch zu dem thema war für mich auch “a churchless faith” von alain jamieson”. eine gut gemachte qualitative studie, die zeigt, wie unterschiedlich die glaubensgeschichten von personen weitergehen, wenn sie kirchliche gemeinschaften verlassen.

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  4. Anonymous

    Ihr redet, dass das Buch hilft, die Leute, die sich entkehrt haben, besser zu verstehen.
    Was aber hilft mir, wo ich gerade dabei bin, mich zu entkehren? Wenn es mir schwerfällt, noch am Glauben dranzubleiben und ich nicht weiß,wie lange ich noch durchalte, was hilft mir da?

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  5. das ist sicher schwierig in einem Post ohne Hintergrund zu beantworten, aber wir haben ja im Buch dafür ein viertes Kapitel geschrieben, in dem wir versuchen konstruktiv einige Themenfelder und Fragen zu beantworten…

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