„Die neue Einheit als Ende der ‚suizidalen Polarisierung’? Ausgerechnet beim lange umstrittenen Thema Mission wird jetzt zusammengearbeitet.“

Theologie

Das hätte man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können: Ausgerechnet der großen Zankapfel „Mission“ bringt die unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen in Kirchen und Freikirchen wieder zusammen. Nach dem der Prozess um die ökumenischen Verlautbarung („Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“) schon sehr erfolgreich auf Expertenebene lief und mit dem Kongress „Mission Respekt“ (2014) endete, soll es jetzt an der Basis weitergehen und im März den großen, gemeinsamen „Dynamissio“ Kongress in Berlin geben. Ein kurzer Blick zurück zeigt, warum dies so besonders ist.

Ein kurzer Blick zurück

Seit Beginn der 1960er Jahre gibt es eine zunehmende Trennung von „evangelikalen“ und „ökumenischen“ Christinnen und Christen, die eine jeweils einseitige Priorisierung von Wort- bzw. Tatglaube proklamieren. Während die evangelikal-pietistischen Kreise die Wichtigkeit einer Wortverkündigung mit dem Schlagwort Evangelisation betonten, wurde im kirchlich-ökumenischen Umfeld parallel das Schlagwort der (sozialen) Tat hervorgehoben („Schalomisierung“ von Hoekendijk), was sich vorwiegend im sozialen Bereich (Kindergärten, Erwachsenenbildung, Entwicklungshilfe usw.) zeigte. Die Unterschiede wurden so groß, dass die Evangelikalen ihren eigenen Kongress (Lausanner Kongress 1974) gründeten. Schien in den 1980er und 90er Jahren die Trennung noch unüberwindbar, hat sich dabei in den letzten Jahren eine Diskussion unter Christen entwickelt, die sich dem Zwang der Fraktionen entziehen möchte und neu fragen, wie die biblische Botschaft des Heils in Wort und Tat zu verstehen ist, was sie für unsere heutige Zeit bedeutet und wie sie im gesellschaftlichen Kontext lebbar ist. Natürlich gab es immer wieder Versuche, diese Trennung zu überwinden, wie zum Beispiel vom südafrikanischen Missionstheologen David Bosch. Er wollte schon in den 1980er Jahren die festgefahrenen Fronten zwischen Ökumenikern und Evangelikalen nicht so stehen lassen und nannte sie nicht nur eine falsche Alternative, sondern mit Berufung auf Moltmann eine „suizidale Polarisierung“: Es nütze nichts, wenn man das Evangelium auf der einen Seite sozial-politisch „verwässere“ und auf der anderen Seite individualisiere und somit „eintrockne“. Dabei ging es Bosch immer um eine Versöhnung beider Strömungen. Aber diese Versuche von Bosch und anderen wurden von beiden Lagern immer wieder stark kritisiert und so dauerte es fast vier Jahrzehnte, bis sich eine neue Generation daran macht, zu fragen, was überhaupt das Trennende ist. Und es muss auch kritisch gefragt werden: Wer lebt von der Trennung? Den Etiketten „evangelikal“ oder „liberal“?

Die Zeit der Abgrenzung ist vorbei

Die Zeit in der man sich über Abgrenzung definiert hat und das Schlechte immer am anderen suchte, neigt sich also dem Ende zu. Die junge Generation sucht das Gemeinsame, auch weil sie die trennenden Geschichten nicht mehr kennt. Und es gibt noch andere Gründe: Die explodierende “Super-Nova” der Religionen (Charles Taylor) hat das Christentum aus seiner Umlaufbahn gerissen und nun muss es sich schmerzhaft in die Gleichwertigkeit der Religionen einordnen. Dabei stellt der „pragmatische Atheismus“ die am schnellst wachsende „Religion“ (Weltanschauung) da. Es sind also andere „Konkurrenten“ am Horizont aufgetaucht, so dass es auch gut nachvollziehbar ist, dass die führenden Köpfe der unterschiedlichen Kirchen und Freikirchen nicht mehr alte Feindschaften pflegen, sondern die neue gemeinsame Zeit einläuten. Denn eines ist klar, auch die christliche Landschaft wird sich neu sortieren und Ähnliches erleben, wie die politische: Links und rechts werden sich die Ränder „verhärten“ was an der Semantik und dem jeweils gleichermaßen postulierten Wahrheitsanspruch deutlich wird. Facebook gibt davon heute schon ein teilweise erschreckendes Bild: „haten“ um der Wahrheit willen zeigt dabei, wie die ethischen Grenzen mit großer Leichtigkeit übersprungen werden, um die (eigene) Wahrheit zu verteidigen.

 

 

 

 

 

4 Comments

  1. Mich “dem Zwang der Fraktionen entziehen”!
    Ja, das bringt es super auf den Punkt, wonach ich mich sehne. Danke für die Formulierung.

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  2. Lieber Tobias, danke für Deine Gedanken und eine kleine Korrektur. Erst war die Verlautbarung “Das christliche Zeugnis …..” und der Kongress eine Folge, sozusagen auf Deutschland-Ebene dem Arbeitsauftrag des wertvollen Papiers, zu folgen.
    Zitat:
    Ziel dieses Dokuments ist es, Kirchen, Kirchenräte und Missionsgesellschaften dazu
    zu ermutigen, ihre gegenwärtige Praxis zu reflektieren und die Empfehlungen in
    diesem Dokument zu nutzen, um dort, wo es angemessen ist, eigene Richtlinien für
    Zeugnis und Mission unter Menschen zu erarbeiten, die einer anderen Religion oder
    keiner bestimmten Religion angehören. Wir hoffen, dass Christen und Christinnen
    in aller Welt dieses Dokument vor dem Hintergrund ihrer eigenen Praxis studieren,
    ihren Glauben an Christus in Wort und Tat zu bezeugen.

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