„Würden Evangelikale in Deutschland Trump wählen?“

Kultur & Glaube
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In der aktuellen „Christ & Welt“ hat Petra Bahr einen interessanten Beitrag über die Bedeutung der Christen beim Wahlsieg von Donald Trump geschrieben. Ich würde angefragt, um den Artikel im Bezug auf die Evangelikalen in den USA und Deutschland in einem kleinen Beitrag ergänzt. Da dieser nicht online ist – jetzt hier im Blog:

Die Wahl von Trump zum nächsten Präsidenten Amerikas ist ein Lehrstück über die Verquickung von Politik und Evangelium. Trump ist für viele Evangelikale in den USA dabei ein Mittel zur Macht. Sie wollen ihr konservatives Amerika zurück und sind bereit, einiges dafür zu opfern. Der Traum, ein ganzes Land mit ihren Werten zu prägen, überlagert leider alle Bedenken. Trump mag ein notorischer Lügner und sein Wahlkampf von sexistischen und rassistischen Ausfällen geprägt gewesen sein – die sonst so bibeltreuen Evangelikalen hat das nicht davon abgehalten, ihn zu wählen. Für sie ist es eine Dilemmasituation, die der Bestsellerautor und Bonhoeffer Biograph Eric Metaxas sogar mit der schwierigen Situation Bonhoeffers im Dritten Reich verglichen hat. Er und viele andere Evangelikale wollen weg vom humanistisch-liberalen Weltbild der Clintons und Obamas, hin zu einem christlich-konservativen, das für klare Werte bei den Themen Familie, Abtreibung und Homosexualität steht. Der Sohn von Billy Graham, Franklin, erklärte den Sieg Trumps mit dem „Gott-Faktor“, der die aktuelle gottlose Agenda überwinden wird. Ihre Strategie reicht aber über das Oval Office hinaus: Sie wollen den Evangelikalen Mike Pence als Vizepräsident der USA installieren und den Obersten Gerichtshof besetzen – eine Amtshandlung, die dem neuen Präsidenten vorbehalten ist.

Immerhin haben 19 Prozent der weißen Evangelikalen für Clinton gestimmt, wie beispielsweise die linksevangelikalen Aktivisten Jim Wallis oder Shane Claiborne, und auch die Mehrheit der schwarzen oder lateinamerikanischen Evangelikalen. Es sind vor allem die Jüngeren, die sich gegen Trump wenden. Die meisten Christen in Deutschland, wie auch ich, sind auf ihrer Seite. Doch auch wenn hier vieles anders ist und es Evangelikale amerikanischer Prägung kaum gibt, so spaltet die Angst und Sorge um unser Land zunehmend auch hier evangelikale Kreise. Viele konservative Kräfte schauen gebannt und vielleicht sogar hoffnungsvoll auf das, was in den USA passiert. Den Wunsch nach einer »moralischen Wende« gibt es auch bei konservativen Evangelikalen in Deutschland. Das ist gefährlich und könnte zu einer ähnlichen Situation führen wie in den Vereinigten Staaten, gerade wenn es darum geht, welche Parteien die eigenen Werte und Themen vertreten. Die Frage ist deshalb auch für Evangelikale in Deutschland: Was bedeutet uns das Evangelium und welche Rolle soll es in unserer Gesellschaft spielen? Deshalb brauchen wir eine neue Streitkultur, die mit konstruktivem Widerspruch und geduldiger Auseinandersetzung eine Diskussion über politische Implikationen des christlichen Glaubens führt und auch die eigenen blinden Flecken ausleuchtet.

zuerst erschienen in: “Christ & Welt” 17. November, Nr. 48

Nachtrag: Mittlerweile ist der Beitrag online.

 

9 Comments

  1. Hans-Georg Wünch

    Irgendwie erschreckend: Trump ist Präsident der USA … Noch erschreckender: wie viele Evangelikale ihn gewählt haben. Was kommt als Nächstes? LePen in Frankreich, Wilders in Holland und Frauke Petry in Deutschland?
    Es steht schlimm um die Evangelikalen, wenn Konservativismus wichtiger ist als Integrität, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Wobei ich nicht sagen will, dass diese Werte Clinton ausgezeichnet hätten … Schade, wenn man nur die Wahl zwischen Übeln hat. Aber gerade dann ist es wichtig zu definieren, was wirklich wichtig ist. Die einfache Antworten und der Popularismus sind es jedenfalls nicht!

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  2. Ja, keine schönen Aussichten! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal darüber freue, dass sich einige meiner evangelikalen Freunde bei der CDU engagieren! 😉

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  3. Andreas Hahn

    Ich fürchte, durch krasse Fehlentscheide (oder Schlimmeres) wird eine Regierung Trump jetzt nicht nur sich selbst, sondern auch die Evangelikalen, die geholfen haben, sie an die Macht zu bringen, dramatisch in Misskredit bringen. Eine “moralische Wende” ist sicher nicht durch den Griff nach politischer Macht zu erreichen.

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  4. “auch wenn hier vieles anders ist und es Evangelikale amerikanischer Prägung kaum gib” – diese Aussage wundert mich. Ich empfinde, dass unsere freikirchliche-evangelikale “Szene” sehr stark amerikanisch geprägt ist. Es sind überwiegend amerikanische Prediger und Autoren, welche die Themen bestimmen. Es sind amerikanische Lobpreisbands, christliche Filme, amerikanische Mega-Churches etc. welche das Vorbild für unsere evangelikale christliche Kultur liefern…
    Ich finde, das ist eines der “Probleme” der evangelikalen Szene, dass Bibel, Glaube, Moral und Amerikanisches Weltbild so dicht verknüpft sind.
    Dabei bin ich kein Freund des plumpen Antiamerikanismus – ich lehne nicht alles amerikanische ab, finde manches durchaus gut. Aber ich finde es trotzdem wichtig zu unterscheiden zwischen “biblischen Positionen” (soweit es sowas gibt) und “amerikanischen Positionen” – und das ist oftmals nicht so einfach.

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  5. ja, da gebe ich dir Recht, es gibt sicher einen amerikanischen Einfluss auf Lobpreis und Predigt, vor allem in freikirchlichen Kreisen. Aber mir gib es vor allem um die “Masse”, etwa die Hälfte der Amerikaner bezeichnet sich selbst als “Evangelikale”, in D sind es vielleicht ein paar Prozent. Deshalb sind sie in den USA ein echter Machtfaktor in Politik und Ökonomie, tauchen regelmäßig in den Hauptnachrichten auf und in der Yew York Times – alles in D undenkbar….

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  6. Vielen Dank für diesen Beitrag auf den ich durch Zufall gestoßen bin! Seit der Wahl zweifle ich nämlich so ein bisschen an meinem eigenen Weltbild, denn ich komme selbst aus dem evangelikalen Umfeld und konnte kaum fassen, mit welch überwältigender Mehrheit Evangelikale in den USA einen Mann gewählt haben, der nichts der Werte verkörpert, die sie propagieren.

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  7. Dane Hanson

    Tobias, Interesting blog.
    You state the dilemma but not a real solution. May I turn the question around? if Merkel would not run next year and CDU picked an arrogant loud mouth as their candidate would you rather vote for morally Liberal and Anti-Israeli Shulz/SPD? Or woukd you rather vote Anti-Gott Linke?

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