“Nachgefragt bei Marco Michalzik: Ist das Leben eine Bruchlandung? Über Ikarus, Gott und die Reise unseres Lebens…”

Nachgefragt

Für mich gehört Ikarus zu den absoluten Highlights im Jahr 2018 und ich höre die CD immer wieder sehr gerne, die Texte sind herausfordernd, vielschichtig und ich liebe den Hauch von Ironie, der immer wieder mitschwingt, die Atmosphäre der Songs ist unglaublich dicht und Manuel Steinhoff schafft es wunderbar Text und Musik zu einer Einheit werden zu lassen. Also, vertraue mir, ich weiß, was ich tue, CD kaufen, hören und mitnehmen lassen in die große Geschichte von Ikarus, Gott und dir!

Ich traf Marco und habe ihn zu dem Album befragt…..

 

  1. Lieber Marco, wie kam es zu diesem Konzeptalbum?

Ich hatte schon längere Zeit die Idee im Kopf, mal eine Platte zu machen, die von vorne bis hinten eine fortlaufende Geschichte erzählt und eben nicht nur eine mehr oder weniger lose Sammlung einzelner Bühnentexte ist. Das Titelstück hatte ich dann schon eine ganze Weile fertig herumliegen bis mir aufgefallen ist, dass das die Rahmengeschichte sein könnte und dass sich ganz viele der Themen und Gedanken, die mich gerade beschäftigen und die ich kommunizieren will, da einbetten lassen.

 

  1. Das Leben als Bruchlandung – welche Bedeutung hat die Ikarusgeschichte für dich persönlich?

Die Geschichte, die auf IKARUS erzählt wird, ist zu einem sehrgroßen Teil meine eigene Lebens- und Glaubensgeschichte. Natürlich etwas verfremdet durch den Filter der Ikarus-Figur, die ich mir ein Stück weit geliehen habe, um dadurch meine eigene Geschichte erzählen zu können. Ich bin mit einem Gottesbild und einem Verständnis von Leben und Gemeinde aufgewachsen, das ich als sehr eng empfinde. Diese Form habe ich über die Jahre immer wieder gegen Formen und Gemeinschaften eingetauscht, die mir freier und „echter“ vorkamen. Allzu oft hat sich das dann aber für mich als Trugschluss erwiesen. Oft war einfach nur die Verpackung, die Art und Weise, wie es präsentiert wird, anders, aber der Inhalt stellte sich als genau so eng und schwierig für mich heraus. Als ein Mensch, der gerne hinterfragt und seine Zweifel spazieren trägt, bin ich da irgendwann einfach rausgefallen und vieles, was da als Lösung oder Antwort angeboten wurde, passte einfach so überhaupt nicht zu meinem Leben und meinem Erleben. Und dann kommen da natürlich noch so Dinge dazu, wie wenn man erlebt, wie Menschen einfach Glaube und Religion für Macht und Kontrolle und Kohle benutzen… Da gab es schon krass desillusionierende Momente, wenn es um das Thema Gemeinde oder Kirche geht.

Allerdings wollte ich bei IKARUS den Fokus gar nicht so sehr nur auf meine eigene Geschichte richten. Mir war wichtig, dass die Geschichte auch für sich stehend einfach als Geschichte funktioniert. Und im besten Fall macht sie vielleicht sogar die Tür auf für Menschen, die da andocken können und die ihre eigene Ikarus Story erlebt haben, oder gerade mitten drin stecken.

Für mich ist diese Geschichte ein schönes Gleichnis geworden, das ich für mich umgedeutet habe und dass mir ein bisschen dabei hilft, Teile meiner eigenen Geschichte zu sortieren und zu benennen. Eine Geschichte zunächst mal über Höhenflüge und Abstürze und wie man damit umgeht. Konkret aber auch eine Geschichte über Glaubenserfahrungen, Gottesbilder und wie es aussieht und sich anfühlt, wenn man beginnt diese zu dekonstruieren und auf den Kopf zu stellen (oder gestellt zu bekommen) und was dann am Ende übrig bleibt.

 

  1. Was können wir für unseren Glauben von Ikarus lernen?

Ich glaube, oft wurde die ursprüngliche Ikarus-Geschichte ja so nach dem Motto „Hochmut kommt vor dem Fall“ gedeutet. Dieser Aspekt war mir bei unserer Version der Geschichte nicht so krass wichtig. Eher so in die Richtung, dass selbst gut gemeintes Licht auch mitunter ziemlich heiß werden kann und Menschen verbrennen und zum Absturz bringen kann. Darum geht es schon auch ein Stück weit, dass ich oft erlebt habe, dass Menschen, die diese Aussage von Jesus ernst nehmen wollen und Licht der Welt sein wollen, in Wahrheit dieses Licht, vielleicht unbewusst, als so eine Art Waffe missbrauchen, die andere dann zum Abstürzen bringt.

Eine schöne kleine Randnotiz ist übrigens auch, dass ein Song von Manus Band „Someday Jacob“so ein kleiner erster Trigger für die IKARUS Geschichte war. In dem Song „Useless Light“ wird im Grunde dieser Aspekt des gut gemeinten, aber fehlgeleiteten oder falsch eingesetzten Lichtes auch vorgestellt:

Eine Erkenntnis aus der Geschichte ist aber vielleicht auch, dass der Absturz gar nicht das Ende der Geschichte sein muss. Vielleicht ändert sich da einfach nur die Route und etwas Neues beginnt. Oder zumindest etwas Anderes. Den Kindheitsglauben nebst das dazugehörige Gottes-, Welt- und Selbstbild zu demontieren ist ja natürlich auch ein echt schmerzhafter Prozess. Aber dann zu schauen, wie sich diese ganzen Puzzleteile irgendwie neu zusammensetzen lassen, empfinde ich als wahnsinnig spannend.

Und so eine Kernaussage auf der Platte ist auch immer wieder die Betonung von „UND“ und „ABER“. So nicht immer dieses „schwarz und weiß“, „richtig und falsch“, „so oder so“ Schema. Sondern dass man Gott nur denken und sprechen kann, wenn man sich eingesteht, dass das alles nur bruchstückhaft und Stückwerk ist und dass dieses Experiment ohne eine gewisse Weite schon von vorne herein zum Scheitern verurteilt sein muss. Ein Satz, der ziemlich zum Ende der Geschichte kommt (Spoiler Alert), ist die Frage der Ikarus-Figur: „Kannst du mir dein Licht leihen? Und mir sagen, dass ich vielleicht zum Gehen die Flügel nicht brauche?“Ich glaube, das zeigt schon ganz schön, wo die Reise da so hingeht.

 

4.Faszinierend finde ich auch den Sound, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Manuel Steinhoff und hat dies für dich was verändert? 

Mit Manu habe ich Anfang 2014 zum ersten Mal zusammen gearbeitet. Daraus ist dann mein erstes Hörbuch „Der obdachlose Gott“entstanden. Es folgten weitere gemeinsame Projekte (u.a. das Gerechtigkeits-Lobpreis Projekt „Die Stimme erheben“) und irgendwann auch die Idee, das mal gemeinsam live auf die Bühne zu bringen. Das haben wir dann einige Male gemacht und festgestellt, dass das gemeinsam sehr viel Freude macht und dass es doch spannend wäre, das noch zu intensivieren und aus den eher improvisierten und erjammten Sessions Richtung Kompositionen und Album zu denken. Wir haben dann irgendwann mehr oder weniger aus Spaß erstmal dafür den Hashtag #poetrymeetsbeats erfunden und der ist seitdem geblieben und so ein bisschen der Projektname des Ganzen. Der Sound ist auch wirklich etwas Besonderes, finde ich. Manu nutzt live ausschließlich diese kleinen Volca Geräte von KORG. Für die Produktion haben wir dann beschlossen, dass wir auch da nur das benutzen, was uns auch live zur Verfügung steht. Wir haben also bewusst auf alles verzichtet, was man noch so mit dem Rechner hätte dazu bauen können und haben dabei auch erlebt, dass so eine bewusste Beschränkung der Mittel auch ganz viel Kreativität frei setzen kann.

Zusätzlich ist auch noch Theo Sperlea zu nennen der ganz tolle, experimentelle und zum Teil auch verrückte Gitarren auf Ikarus eingespielt hat und ohne den das alles nicht so klingen würde. Theo ist zum Teil auch live mit dabei und hat sehr entscheidend und prägend zu dieser Platte beigetragen.

Ich habe die letzten Jahre in Kombination mit meinen Texten viel unterschiedliche Musik ausprobiert und habe jetzt bei Ikarus zum ersten Mal so richtig das Gefühl da zu sein, wo ich soundmäßig hinwollte. Insofern genieße ich diese Zusammenarbeit und auch das live Spielen gerade sehr.

 

Mehr über Marco Michalzik: 

www.marcomichalzik.com

www.poetrymeetsbeats.de

 

Alles rund um das Album:

Ikarus Album Stream + Download: song.link/ikarus

Ikarus CD: https://www.gerth.de/index.php?id=details&sku=5597155

Hintergründe zu dem Album und den Texten: https://hossa-talk.de/107-ikarus-lieber-gehen-statt-fliegen/

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