In der jüngsten Rezension unseres Buches Transformative Ethik – Wege zur Liebe wurden von Paul Bruderer in seiner Rezension in IDEA eine Reihe schwerwiegender Vorwürfe formuliert, die unseren Entwurf in zentralen Anliegen verzeichnen. Wir nehmen die geäußerte Kritik ernst und möchten ihr differenziert und sachlich begegnen. Ja, wir würden sogar sagen, dass eine „Ethik zum Selberdenken“ Kritik und Gegenrede hervorrufen muss, dass darf und soll so sein. Dabei liegt uns besonders daran, dass unsere Argumente nicht verkürzt, verzerrt oder gar falsch wiedergegeben werden.
1. Grundlage und theologische Verortung
Unser Buch ist kein isolierter Beitrag zur Sexualethik, sondern baut bewusst auf Band 1 (Transformative Ethik – Grundlagen) auf. Dort haben wir ausführlich unsere hermeneutischen und theologischen Grundlagen dargelegt, die in Band 2 systematisch entfaltet und auf konkrete sexualethische Felder angewendet werden. Wer unser Buch ernsthaft kritisieren möchte, sollte diese argumentative Kontinuität berücksichtigen. Unser Ansatz folgt keiner „Loslösung vom christlichen Glauben“, wie behauptet wurde, sondern einer christologisch und narrativ begründeten Hermeneutik, die die Bibel als maßgeblichen Orientierungsrahmen versteht.
2. Bibel und Hermeneutik
Der Vorwurf, wir würden die Bibel relativieren oder gar entwerten, verkennt den Kern unseres Ansatzes. Wir wenden uns sowohl gegen einen naiven Biblizismus, der komplexe ethische Fragen durch das bloße Zitieren einzelner Verse zu lösen versucht als auch gegen einen modernen Liberalismus, der in seiner Ethik weitgehend ohne Bibel auskommt. Stattdessen arbeiten wir mit einem kanonischen, christologischen und narrativen Schriftverständnis, wie es auch in der reformatorischen und evangelischen Ethik weithin geteilt wird. Die Bibel ist für uns der Ausgangspunkt ethischer Orientierung – aber sie wird verantwortlich interpretiert, kontextualisiert und im Horizont des Reiches Gottes bedacht. Deshalb sprechen wir von der Metapher „Karte & Gebiet“. Damit sind wir fest verwurzelt in der Tradition der christlichen Ethik.
Unter Ethik verstehen wir die reflektierte Auseinandersetzung mit unserem moralischen Handeln. Dieses Handeln findet immer in der Gegenwart statt: in unserem Kontext, in den konkreten Situationen unseres Lebens. Darum müssen wir unsere eigene Zeit, unseren Kontext und unsere Lebenswirklichkeit verstehen und ernst nehmen – nicht, weil wir sie für besonders gut oder richtig halten, sondern weil wir als Menschen gar nicht anders können. Wenn Bruderer uns nun vorwirft, wir „gründeten unsere Ethik auf zeitgenössische soziologische Modelle“, hat er insofern Recht, als wir den Kontext ernst nehmen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn der zweite Teil – die „Karte“ – ist ebenso entscheidend: die biblisch-theologischen Leitlinien und Normen, die wir in Band 1 ausführlich dargelegt und in Band 2 (Kapitel 1) nochmals kompakt zusammengefasst haben. Gerade das Besondere unserer Transformativen Ethik besteht darin, dass wir die Bibel als zentrale Orientierung für ethische Entscheidungsprozesse verstehen und zugleich betonen: Nur wer die Realität angemessen beschreibt, kann hilfreiche Orientierung geben.
3. Anthropologie und Menschenbild
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft unsere Anthropologie. Es wird behauptet, wir würden queere Identitäten pauschal als Schöpfungsordnung erklären. Unsere Anthropologie betont den Menschen als Beziehungswesen, geschaffen im Bild Gottes, mit relationaler Offenheit und Verletzlichkeit. Daraus folgt keine normativen Festlegung auf ein bestimmtes Identitätsmodell, sondern ein offener, aber verantworteter Rahmen, in dem menschliche Vielfalt theologisch ernst genommen und geprüft werden kann. Ehe, Treue und Verbindlichkeit haben in diesem relationalen Rahmen einen zentrale Bedeutung. Zugleich möchten wir Menschen, die nicht in klassische Kategorien passen, nicht theologisch unsichtbar machen. Eine Ethik der Gottebenbildlichkeit schließt niemanden aus.
4. Methodik und ethisches Argumentieren
Ein zentraler Bestandteil unseres Ansatzes ist die von uns entwickelte achtstufige Methode ethischer Urteilsbildung, bei der die biblisch-theologische Reflexion ein eigener und unverzichtbarer Schritt ist. Auf dieser Basis stellen wir drei gängige Zugänge in der Sexualethik dar – Gebotsethik, Beziehungsethik und Konsensethik. Wir folgen dabei selbst einer Beziehungsethik, die Treue, Fürsorge und Verbindlichkeit als leitende Kriterien versteht, ohne die anderen beiden Zugänge abzuwerten. Alle drei haben ihre Stärken und Schwächen und wir versuchen die jeweiligen Stärken wertzuschätzen und einzubauen. Wenn wir bei strittigen Themen wie Pornografie, Sexualität außerhalb der Ehe oder Polyamorie Pro- und Contra-Argumente vorstellen, dann nicht, um sie unkritisch zu befürworten, sondern um Leser:innen zur reflektierten Urteilsbildung zu befähigen. Wir schreiben kein Handbuch mit fixen moralischen Vorschriften, sondern eine „Ethik zum Selberdenken“. Das unterscheidet sich bewusst von bisherigen evangelikalen oder auch liberalen Modellen. Uns ist bewusst, dass wir dadurch Menschen evtl. auch in eine Überforderungssituation bringen oder Menschen das Konzept des „Selberdenkens“ ablehnen, es aber einseitig für die eigene Argumentation zu nutzen, ist wenig tugendhaft.
5. Die Kritik zur Auslegung von Gen 1 und 2
Im Zentrum der Kritik von Paul Bruderer steht der Vorwurf, „Wege zur Liebe“ löse die von ihm als selbstverständlich verstandene biblische Binarität von Mann und Frau auf und widerspreche damit der „Schöpfungsordnung“. Diese inhaltliche Feststellung stimmt, aber die Kritik von Bruderer greift jedoch weder die biblischen Texte noch deren historische Auslegungsgeschichte präzise auf. Zunächst ist wichtig festzuhalten: Den Begriff „Schöpfungsordnung“ gibt es in der Bibel nicht. Weder im Alten noch im Neuen Testament findet sich ein Abschnitt, der ein geschlossenes Konzept einer Schöpfungsordnung beschreibt. Der Begriff ist ein nachbiblisches Konstrukt, das vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert als theologisches Konzept der konservativen Theologie eingeführt wurde – in einem kulturellen Umfeld, das patriarchale Strukturen als naturgegeben verstand. Dieses Konzept ist also keine exegetische Entdeckung, sondern eine historisch gewachsene, von Männern geprägte hermeneutische Brille. Wenn man die biblischen Texte selbst betrachtet, zeigt sich ein anderes Bild. In Gen 1,26–28 heißt es: „Und Gott schuf den Menschen (adam) zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; männlich und weiblich schuf er sie.“ Entscheidend ist die Spannung zwischen Singular und Plural: „den Menschen“ (Singular) und „männlich und weiblich schuf er sie“ (Plural). Das Wort adam meint hier nicht den Mann als männliche Einzelperson, sondern die Menschheit als Gattung. Geschlechtliche Differenz ist Teil dieser geschaffenen Menschheit, aber sie wird nicht hierarchisch markiert. Dass der Text die Gleichwertigkeit der Geschlechter betont, ergibt sich aus dem Kontext: In Gen 3,15 wird das Herrsein des Mannes als Fluchfolge beschreiben. Es wäre verfehlt, diesen Text darüber hinaus als klare und verbindliche Antwort auf heutige Fragen lesen zu wollen. Die Behauptung, dass der Text ein binäres Verständnis von Geschlecht impliziert, ergibt sich nirgendwo aus dem Kontext. Ein solches Verständnis ist auch nicht zwingend. Der Alttestamentler Frank Crüsemann betont genau diesen Punkt. „Männlich“ (zakar) und „weiblich“ (neqevah) benennen dabei keine festen kulturellen Rollen oder ein binäres System im heutigen Sinn, sondern beschreiben zwei Pole, in deren relationaler Bezogenheit die Ebenbildlichkeit Gottes zur Entfaltung kommt. Es geht also nicht um die Zuschreibung unveränderlicher Identitäten, sondern um die Darstellung des Menschen als Beziehungswesen. Gen 2 vertieft diese Aussage. Der erste Mensch ist adam – ein „Erdling“ ohne Geschlechtszuweisung. Erst später entsteht die Unterscheidung in isch und ischah („Mann“ und „Frau“), und zwar nicht hierarchisch, sondern als existenzielles Gegenüber: „Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“. Die hebräische Bezeichnung zela, die traditionell mit „Rippe“ übersetzt wird, meint eigentlich einen Teil eines Ganzen, der ergänzt und vervollständigt wird. Das Bild ist also komplementär im Sinne der Gleichwertigkeit, nicht hierarchisch im Sinne einer Über- und Unterordnung. Auch das vielzitierte Wort „Gehilfin“ (ezer) wird in der Bibel fast ausschließlich für Gott selbst verwendet, als Beschützer, Retter und Beistand. Wenn dieser Begriff für die Frau gebraucht wird, ist er Ausdruck von Stärke, nicht Unterordnung. Daraus folgt: Genesis 1 und 2 liefern keine Grundlage für eine starre Geschlechterhierarchie. Die Vorstellung einer „Schöpfungsordnung“, in der der Mann über der Frau steht, ist ein Ergebnis späterer, patriarchal geprägter Auslegungen – nicht des Textes selbst.
Besonders abwegig ist Bruderers Unterstellung, dass wir „das Geschlecht des Menschen ohne jeglichen Bezug zum Körper“ verstehen. Leiblichkeit und Verköperung im Sinne biblischer Ganzheitlichkeit sind zentrale Anliegen unserer Ethik. Wir sind überzeugt, dass die heutige Sicht des Menschen als biopsychosoziale Einheit dem gerecht wird. Das meinen wir mit der These: Geschlecht ist nicht ausschließlich biologisch zu bestimmen. Die Behauptung einer eindeutig binären Geschlechterlogik ist letztlich kulturell geprägte Interpretation , die man nicht einfach als die biblische behaupten kann. Wenn wir die biblischen Texte ernst nehmen, sollten wir uns hüten, ihnen einfach vermeintlich eindeutige Positionen zu unterstellen, etwa zu Fragen wie Inter- und Transgeschlechtlichkeit. Die theologische Pointe liegt für uns hier: Das Ebenbild Gottes realisiert sich in der Beziehung – nicht in der Fixierung auf bestimmte Geschlechterrollen. Genau an dieser Stelle knüpft die Argumentation von „Wege zur Liebe“ an. Sie betont, dass die Beziehung zwischen Menschen – und nicht die binäre Zuschreibung – der zentrale Ort ist, an dem sich Gottes Schöpfungsidee verwirklicht. Hinzu kommt eine heilsgeschichtliche Perspektive. Der Schöpfungsbericht ist nicht der Endpunkt, sondern der Auftakt einer Geschichte, die in Christus ihren neuen Horizont findet. Paulus formuliert dies in Gal 3,28 unmissverständlich: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“ Das bedeutet nicht, dass Geschlecht verschwindet, sondern dass es seine hierarchische Bedeutung verliert. Geschlechtliche Differenz ist nicht Grundlage von Ordnung, sondern Teil einer vielfältigen Schöpfung, die in Christus zur Einheit geführt wird. Vor diesem Hintergrund ist es theologisch inkonsistent, aus Gen 1 und 2 eine starre binäre „Ordnung“ abzuleiten und sie zur Norm zu erheben. Bruderers Argument, die Nähe von „männlich und weiblich“ in Gen 1,27 zu „vermehrt euch“ in Gen 1,28 beweise eine göttlich festgelegte Zweigeschlechtlichkeit, greift exegetisch zu kurz. Der Text sagt, dass Fortpflanzung eine Möglichkeit des Menschen ist – aber er macht diese biologische Funktion nicht zum theologischen Wesenskern menschlicher Identität.
6. Homosexualität, die Bibel & die Antike
Bruderer kritisiert, das Neue Testament verurteile auch heutige gleichgeschlechtliche Partnerschaften, weil die Antike „Homosexualität“ gekannt habe. Historisch ist das zu einfach. In der Antike dominierte kein modernes Orientierungsverständnis, sondern ein Hierarchie-Schema (aktiv/passiv; oben/unten). Zugleich belegen Quellen einzelne gleichgeschlechtliche Präferenzen und auch dauerhafte Beziehungen – ohne daraus ein Identitätskonzept oder eine ethische Anerkennung freier, symmetrischer Partnerschaft abzuleiten. Beides heißt: Weder „Paulus wusste gar nichts davon“ noch „Paulus meinte exakt unsere heutigen Beziehungen“ trifft es. Die biblischen Texte bewegen sich in einem anderen Deutungsrahmen. Das Alte Testament erzählt in Gen 19 und Ri 19 von sexualisierter Gewalt – nicht von Orientierung. Hes 16,49 benennt Sodom mit Hochmut und fehlender Gerechtigkeit, nicht mit einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Liebe. Lev 18,22 und 20,13 spiegeln das antike Penetrationsschema: einen Mann „wie eine Frau“ zu behandeln, verletzt den damaligen Ehrenkodex. Frauen werden gar nicht erwähnt; das spricht gegen eine zeitlose Totalnormierung. Im Kontext geht es um außereheliche und kultisch-grenzwahrende Verbote – nicht um die Beurteilung moderner, wechselseitiger Partnerschaften.
Im Neuen Testament sind 1Kor 6,9 und 1Tim 1,10 lexikalisch unsicher: malakoi („weich“) bezeichnet im damaligen Diskurs eine defizitäre Männlichkeitsvorstellung, nicht per se eine Sexualkategorie; arsenokoitaiist eine seltene und von Paulus eingeführte Wortbildung, die wahrscheinlich auf penetrierende Ausbeutung zielt und an Lev 18 +20 erinnert. Auffällig: Frühe christliche Texte greifen in vergleichbaren Lasterkatalogen oft zu paidophthoros („Kinderschänder“). Auch das deutet darauf, dass Missbrauch und Asymmetrie im Blick sind – nicht freie, verantwortete Partnerschaft unter Erwachsenen. Röm 1,18–32 schließlich ist keine paulinische Sexuallehre, sondern Teil einer rhetorischen Eingangsanamnese (Heidenkritik): Paulus knüpft an jüdische Heiden- und stoische Kulturkritik an, um anschließend zu zeigen, dass „alle“ der Gnade bedürfen (Röm 2–3). Gleichgeschlechtliche Praxis fungiert hier als drastisches Beispiel im Topos „Götzendienst → Unordnung“, nicht als lehrhafte Festlegung über alle Zeiten. Naturargumente bei Paulus (vgl. 1Kor 11) sind situativ-rhetorisch; aus ihnen eine überzeitliche „Schöpfungsordnung“ abzuleiten, überdehnt den Text.
Theologisch-ethisch folgt: Die Exegese nötig uns zu Demut und Zurückhaltung. Wo Textbedeutungen unsicher sind, Gewalt/Asymmetrie im Vordergrund stehen und Rhetorik statt Normdogmatik dominiert, verbietet sich das pauschale Verbot moderner, einvernehmlicher, treuer gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Eine christliche Beziehungsethik prüft stattdessen konkrete Kriterien: Liebe und Gerechtigkeit, Nicht-Schaden, Einvernehmlichkeit, Treue und Verlässlichkeit. Diskriminierung erzeugt Minderheitenstress, beschädigt Selbstwert und korreliert mit Gewalt – unvereinbar mit Nächstenliebe und Goldener Regel. Kurz: Die Bibel liefert weder einen Freibrief für Beliebigkeit noch eine belastbare Grundlage für die pauschale Verurteilung heutiger, verantworteter gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Bruderers Lesart setzt unbemerkt eine Gleichsetzung von antiken Mustern und modernen Beziehungen voraus, die weder historisch noch exegetisch trägt.
7. Polyamorie und ethische Leitplanken
Besonders zugespitzt wurde in der Rezension unsere Darstellung von Polyamorie als angebliche „Lobeshymne“. Das ist sachlich falsch. Wir führen sowohl Chancen als auch massive ethische, praktische und theologische Probleme auf, darunter Fragen nach Treue, Eifersucht, Kindeswohl, Stabilität und Gottesbild. Wir geben keine Empfehlung ab, sondern konfrontieren Leser:innen mit der Komplexität des Themas und zeigen, welche ethischen Leitplanken hier zur Anwendung kommen müssen. Wer diesen Abschnitt im Kontextes unseres ethischen Ansatzes redlich liest, wird sehen: Wir befürworten Polyamorie nicht, aber wir setzen uns mit dieser Lebensform kritisch auseinander.
8. Christliches Profil
Der Vorwurf, unsere Ethik sei „nicht unterscheidbar von säkularen Konzepten“, ignoriert zentrale Passagen des Buches. Wir arbeiten, neben den in Band 1 erwähnten ausführlichen theologischen Auseinandersetzungen, mit drei christlich-theologischen Leitprinzipien, die sich durch die ganze Bibel durchziehen:
- Freiheit – als Gabe und Verantwortung in der Nachfolge Christi,
- Liebe – als Grundnorm des Handelns, orientiert an Fürsorge und Nicht-Schaden,
- Gerechtigkeit – als Ausdruck des Reiches Gottes der „besseren Gerechtigkeit“.
Diese Leitprinzipien sind keine beliebigen Kategorien, sondern tief in biblisch-theologischer Tradition verankert. Darüber hinaus verorten wir Sexualethik eschatologisch: ethisches Handeln bleibt „vorläufig“, geschieht im Horizont des kommenden Reiches Gottes und ist deshalb immer verantwortete Antwort, nicht letzte Wahrheit. Wir beziehen dabei interdisziplinäre Perspektiven ein – etwa aus Soziologie, Psychologie und Gender Studies. Aber wir übernehmen diese Ansätze nicht unkritisch, sondern stellen sie in den Dialog mit der theologischen Tradition. Intersektionalität dient bei uns nicht als ideologisches Fundament, sondern als analytisches Werkzeug, um Ungerechtigkeiten und Machtstrukturen wahrzunehmen. Auch das entspricht gängiger evangelischer Ethik. Zugleich verweisen wir auf viele kirchliche Traditionen. Wir verarbeiten reformatorische Anthropologie und setzen uns ausführlich mit der Diskussion in der katholischen Theologie auseinander. Wir diskutieren gleichermaßen mit pietistisch-evangelikalen Ansätzen wie mit dem breiten Spektrum evangelischer Theologie. Unser Ansatz ist eingebettet in einen breiten theologischen Diskurs. Wo wir Ansätze krisieren, setzen wir uns mit ihren Positionen ernsthaft auseinander.
9. Zusammenfassend
Unser Anliegen ist es, den Leser:innen ein Instrumentarium an die Hand zu geben, das sie befähigt, in eigener Verantwortung ethische Urteile zu fällen – auf einer klaren theologischen Grundlage. Wir stellen kontroverse Positionen nicht dar, um sie zu übernehmen, sondern um zu einer mündigen christlichen Ethik beizutragen. Wir sind überzeugt, dass gerade heute eine Ethik gebraucht wird, die Komplexität nicht verschweigt, sondern sie theologisch verantwortet bearbeitet. Wege zur Liebe bricht nicht mit dem christlichen Glauben, sondern entfaltet ihn kontextsensibel. Wir entwerten die Bibel nicht, sondern nehmen sie ernst, indem wir sie hermeneutisch verantwortet lesen. Wir befürworten keine beliebigen Lebensformen, sondern arbeiten mit klaren Leitprinzipien christlicher Ethik. Und wir verschweigen keine Konflikte, sondern benennen sie offen – aus Respekt vor der Wahrheit und den Menschen, die diese Fragen bewegen.
Wir laden ausdrücklich dazu ein, über diese Themen kontrovers, aber fair zu diskutieren. Wer uns kritisiert, sollte unsere Argumente nicht verkürzen, sondern im Zusammenhang lesen. Denn nur so wird eine ernsthafte theologische Auseinandersetzung möglich.
Tobias Faix & Thorsten Dietz
Danke für eure differenzierte und klare Stellungnahme und die sachbezogene Antwort!