Dietrich Bonhoeffer zum 80. Todestag – Erinnerung als Verpflichtung

Kultur & Glaube

Am 9. April 1945 – nur wenige Wochen vor der Befreiung durch die Alliierten – wurde Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet. 80 Jahre später bleibt sein Leben, Denken und Sterben eine bleibende Herausforderung für Kirche, Gesellschaft und jeden Einzelnen. Und es ist heute wichtiger denn je, sich mit Bonhoeffer intensiv auseinanderzusetzen, ist er nicht nur „everybodys theologischer Darling“, sondern wurde zuletzt in den USA als anti-woke Kämpfer an der Seite Trumps missbraucht, dass sich sogar seine Familie in einem offenen Brief gegen diese Vereinnahmung wehrte. 

Und ja, Bonhoeffer ist in seinem Leben und Werk vielstimmig, tiefgründig und herausfordernd. Aber er taugt nicht als „Posterboy“, sondern als langjähriger Wegbeleiter, dessen Texte immer wieder neu gelebt werden wollen. Bonhoeffer war Theologe, Widerstandskämpfer, Beter, Lehrer, Seelsorger, Dichter – und vor allem: Christ. Seine Theologie wurzelte in einer radikalen Christusnachfolge, die nicht bei geistlicher Innerlichkeit stehenbleibt, sondern sich im konkreten Leben und Handeln bewähren muss – auch und gerade im Angesicht des Bösen. So auch seine Worte aus „Widerstand und Ergebung“ aus dem Jahr 1944:

«Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und die Welt zu sein. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun.»

Bonhoeffer lebte seine Theologie, die mit der der Kirche und der Welt ringt – nicht weltflüchtig, sondern weltverantwortlich. Er war überzeugt: Wer für den Gott des Lebens einsteht, darf zum Unrecht nicht schweigen. Seine Beteiligung am militärischen Widerstand war für ihn kein Verrat am Evangelium, sondern eine Folge des Glaubens – im Wissen um Schuld und Gnade.

Was können wir heute von Bonhoeffer lernen?

  1. Verantwortungsethik und Gesinnungsethik:
    Bonhoeffer lehrte, dass Christ:innen in komplexen Zeiten nicht nur an Prinzipien festhalten, sondern verantwortliche Entscheidungen treffen müssen – im Spannungsfeld zwischen Schuld, Gewissen und Gnade.
  2. Zivilcourage im Angesicht des Unrechts:
    In einer Zeit wachsender Demokratiegefährdung, Ausgrenzung und Polarisierung braucht es Menschen, die „dem Rad in die Speichen fallen“, wo Menschenwürde verletzt wird.
  3. Christlicher Glaube als politische Kraft:
    Für Bonhoeffer war Kirche nur Kirche, wenn sie für andere da ist – besonders für die Schwachen. Diese politische Dimension des Glaubens bleibt aktuell in Fragen von Flucht, Armut, Klimagerechtigkeit und globaler Solidarität.
  4. Spiritualität aus der Tiefe der Erfahrung:
    Bonhoeffers Briefe aus der Haft zeugen von einer tiefen, reifen Gottesbeziehung – getragen von Klage, Hoffnung und Vertrauen. Sie zeigen: Geistliche Kraft wächst oft in dunklen Räumen.
  5. Mut zur Wahrheit und Klarheit:
    Bonhoeffer redete niemandem nach dem Mund – weder kirchlichen Autoritäten noch der Mehrheitsmeinung. Seine Integrität und Gradlinigkeit machen ihn zum Vorbild in einer Zeit der Unverbindlichkeiten.

Der 80. Todestag Bonhoeffers ist kein bloßes Gedenken, sondern eine Einladung: zu entschiedener Nachfolge, zu verantwortetem Christsein, zu wachem Mitgefühl und klarem Widerstand gegen jede Form von Unmenschlichkeit. Sein Leben und Sterben fragen uns: Wofür stehen wir ein – heute, hier, jetzt? Im Angesicht gesellschaftlicher Unruhen und kirchlicher Transformationen können die Texte Bonhoeffers herausfordern, ärgern und Orientierung geben. Er bleibt unbequem und das ist gut so.

Bild: Jeffrey C. Pugh & Tripp Fuller

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