Eine spannende Frage innerhalb der „emergent conversation“ ist, ob es nur um die „Methoden“ geht, oder um eine veränderte Theologie. In den USA hat sich die emerging Bewegung grob in zwei große Bewegungen geteilt, zum einen in den „emerging Flügel“, der davon ausgeht, dass sich die Methoden verändern müssen, da sich die Gesellschaft verändert, um Menschen für Gott zu erreichen, die Theologie hingegen bleibe gleich. Vertreter sind u.a. McManus oder Dan Kimball. Die „emergent“ Vertreter (haben übrigens nichts mit „emergent Deutschland“ zu tun) hingegen sagen, dass sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen auch die jeweilige Theologie verändert, da sie vom jeweiligen Denken (der zeitgeschichtlichen Epoche) abhängig ist. Vertreter sind McLaren oder Doug Pagitt. Beide Flügel sind im Gespräch und versuchen ein konstruktives miteinander zum Wohle des Reiches Gottes zu leben.
Wie sieht die Entwicklung in Deutschland aus?
In Deutschland gibt es diese „Flügel“ so nicht und dies soll auch in Zukunft so bleiben. Die emgernet conversation ist wie am Anfang beschrieben eine sehr heterogene Bewegung und viel zu klein um sich in verschiedene Gruppierungen aufzuteilen. Im Gegenteil, sie sieht sich als Netzwerk, die verschiedene Positionen nebeneinander stehen lassen möchte. Daneben gibt es viele andere neuere Bewegungen, die sich inhaltlich etwas anders positioniert haben wie Kirche21 (Baptisten), novavox (missionale Gemeindegründung), YoungLeaders (Leiterschaftsförderung der Lausanner Bewegung) etc. Alle diese Bewegungen sind über Personen miteinander vernetzt und versuchen in Deutschland das Reich Gottes zu bauen. Dabei soll und darf es auch unterschiedliche Positionen geben, Diskussionen um Theologie und Gemeinde sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht und notwendig, wenn wir das Evangelium im 21. Jahrhundert verkündigen und leben wollen.
Offene Fragen und Kritikpunkte:
In den letzten Jahren gab es einige Kritikpunkte an der emergent conversation, manches sicherlich auch zu Recht, da eine junge Bewegung Fehler macht und sich auch manches Mal über Abgrenzungen definiert. Zum Wachstumsprozess gehört es deshalb dazu, konstruktive Kritik anzunehmen und daraus zu lernen. Manche theologischen Kritikpunkte müssen aber weiter diskutiert werden und es ist wie gesagt nicht das Ziel eine einheitliche Dogmatik zu entwickeln, sondern kultur- und milieuübergreifend Gemeinde zu entwickeln. Einige Diskussionspunkte werden in diesem Buch aufgegriffen. Einige sollen hier genannt werden:
• Autorität der Bibel und die Frage der Hermeneutik (Schriftverständnis)
• Die Frage nach der Ethik
• Die Frage nach der Ekklesiologie (Gemeindeform, Gottesdienstes, Selbstverständnis Gemeinde, Hauskirchen, missionale Gemeinde etc.)
• Die Frage nach der Soteriologie (Die Frage nach dem Heil zum Beispiel in der „neue Paulusperspektive“)
• Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Gesellschaft & Bibel: Löst sich die Bibel und der Glaube in der Gesellschaft auf? Die Gefahr ist berechtigt. Man kann immer auf beiden Seiten vom Pferd fallen: Eine Theologie, die nicht auf die Menschen und die gesellschaftlichen Gegebenheiten eingeht, hat ihr Ziel verfehlt. Eine Theologie, die sich in den Menschen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten auflöst, ist kraft- und nutzlos.
19 Comments
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Hallo Tobias,
ich hab mal eine Frage- wenn ich das richtig mitbekommen habe, hast du dich ziemlich mit Postmoderne beschäftigt und auseinandergesetzt. Ich möchte darüber eine Hausarbeit schreiben- wurde aber bei meiner heutigen Literatur recherche echt ernüchtert. Das Thema heißt “Gesellschaft in der Postmoderne”. Dazu habe ich, wie gesagt nicht viel gefunden- zumindest nicht in unserm Hochschulkatalog, oder auch anderen Katalogen (dem Hessichen Verbundkatalog z.B.). Also jedenfalls wollte ich einfach mal fragen, ob du gute Literaturempfehlungen zu diesem Thema kennst…?
Liebe Grüße,
Steffi.
“Die Gefahr ist berechtigt.”
Das klingt ein bisschen witzig… 😉
Danke für diesen Überblick! 🙂
LG,
Ilona
@ilona: stimmt. 😉
Ist das aus Zeitgeist II? (“Einige Diskussionspunkte werden in diesem Buch aufgegriffen”…)
sehr aufmerksam. 🙂
Ein Probetext sozusagen….
Na, das war doch klar! ;-p
Hi Toby,
in dem Artikel scheinen die anderen “neueren Bewegungen” nicht zur “emgernet (sic!) conversation” zu gehören. M.E. sind sie zumindest teilweise ein Teil der conversation, auch wenn sie nicht zu Emergent Deutschland gehören. Außerdem waren bei den Emergent Foren jedes mal Leute aus allen drei genannten Bewegungen dabei, sie sind damit sogar Teil des Gesprächs innerhalb von Emergent Deutschland.
Gruß aus Erlangen
mmhh, wollte ich eigentlich mit dem Satz:
“Alle diese Bewegungen sind über Personen miteinander vernetzt und versuchen in Deutschland das Reich Gottes zu bauen.” auch aussagen.
Hast du aber nicht so verstanden, oder? Dann muss ich das vielleicht noch Mal neu formulieren…
Hallo Tobias ist meine Mail angekommen? Ich bin mir nicht so sicher, weil ich da ne komische meldung zurückbekam, zumindest beim ersten mal…
Liebe Grüße,
Steffi
Auch wenns nicht hier hin gehört:
WAR DAS EIN SPIEL!!!
Da hats selbst mich als unbeteiligten vom Stuhl gerissen!
Leider mit dem falschen Ausgang! 🙁
Kleiner Kommentar zu der Aussage “In Deutschland gibt es diese „Flügel“ so nicht und dies soll auch in Zukunft so bleiben.” Das finde ich vom Anliegen her sehr gut/ unterstützenswert und meine trotzdem, dass man/ frau/ niemand darum herum kommen wird, klarzustellen, dass wir eine neue Theologie brauchen und bereits haben. Wie weit sich der oder die einzelne in diesen Bereich vorwagen, ist evtl. verschieden, aber nicht die Tatsache dass. Kleines Beispiel wären die New Perspectives und die damit verbundene Erweiterung der Vorstellung von “Heil”. Egal wie man zu der theologischen Debatte steht (oder auch gar nicht davon mitbekommen hat), die veränderte Vorstellung davon, was “Reich Gottes” und “Heil” bedeuten, wird allmählich mainstream.
Da stellt sich mir die Frage, ob ein Buch (oder eine Bewegung) darum herum kommt, festzustellen, dass sich Theologie sogar dann verändert, wenn wir es nicht wollen sollten und wie das bewertet wird?
Insofern bin ich gespannt auf das Buch und die die weitere E-Conversation …
Später Gruss von AndiB
@andib: Ja, da hast du natürlich recht: Theologie verändert sich immer, dies wird ja an der Kirchengeschichte mehr als deutlich. Und es geschieht, ob wir es wollen oder nicht, da wir usn verändern. Wir können reflektieren, fördern oder auch bremsen, aber die Veränderungen werden immer vorangehen. Die “New Perspektive” ist dafür ein gutes Beispiel.
Hi Tobi!
Lese diesen Post gerade erst.
Zwei Dinge: Novavox versteht sich nicht als Netzwerk für missionale Gemeindegründung, sondern für missionale Gemeindeinnovation.
Wir haben nichts gegen Gemeindegründung, ganz im Gegenteil, wir wollen aber auch mithelfen, dass bestehende Gemeinden sich in Richtung “missional” entwickeln.
Auf unseren Konferenzen oder Thinktanks findet man Leute aus beiden Bereichen.
(Weiß nicht, wie weit Zeigeist 2 schon ist, falls da was zu ändern ist).
Ein Wort zu den “Flügeln” (schönes Wort übrigens, da ich Lager zu krass finde):
Meines Erachtens gibt es sie sehr wohl, was hoffentlich nicht bedeutet, dass wir uns so zerfleischen wie Driscoll und Pagitt es z.B. tun.
Aber die Ansichten und in gewisser Sicht auch die Abgrenzung sehe ich sehr wohl, würde sie für mich – wie gesagt in Freundschaft – auch in Anspruch nehmen.
Haben wir ja schon drüber gesprochen, aber ich denke schon, dass im deutschen Emergent-Bereich sich sicher mehr Leute andocken, die auch bereit sind, theologisch “freier” zu denken (um nicht das böse lateinische Wort dafür zu verwenden), während im missionalen Flügel sich eher Leute finden, die z.B. strukturell Änderungen anstreben (z.B. mehr externally focused), aber theologisch konservativ bleiben.
Macht das Sinn?
LG!
David
@david: Danke für die Hinweise zu Novavox, werde das auf alle Fälle ändern.
Zu den theologischen Diskussionen und Veränderungen: Ich glaube, dass es erst Mal eine Grundsatzentscheidung ist, ob ich das betonen will was einen eint oder das betonen will, was einen trennt. Wir haben im evangelikalen Raum eine lange Tradition der “Trennung” hinter uns, die viel Streit, Verletzungen und Isolation mit sich gebracht hat (Frage nach Geistesgaben, Frauenfrage, Taufe, ethische Fragen etc.). Dieser Umgang ist für meine Begriffe weit weg von dem was die Bibel uns sagt und da sind wir uns sicher einig.
Liebe und Wahrheit sind nun mal nicht zu trennen.
Was ist denn eine konservative Theologie?
Allein das theologische Verständnis (zumindest meines) von missional zeigt ja, dass ihr auch die Theologie verändert habt und dies offenbar auch wollt.
Ja, ich glaube, es geht auch gar nicht anders, so war es in jeder Epoche der Kirchengeschichte. Deshalb brauchen wir die Besinnung auf das gemeinsame, weil wir auf einer gemeinsamen Reise sind und überlegen müssen, was das Zentrum und die Mitte ist.
Hi Toby!
Dank dir für deine Antwort.
Versuche mal, der Reihe nach zu antworten.
In deinem ursprünglichen Post schriebst du:
“In Deutschland gibt es diese „Flügel“ so nicht und dies soll auch in Zukunft so bleiben.”
und bezogst dich auf McManus/Kimball bzw. McLaren/Pagitt.
Ich würde dir eben in deiner Aussage widersprechen, denn ich glaube sehr wohl, dass es diese Flügel gibt. Ich kenne einige, die sicher sehr missional drauf sind, aber mit Dingen, die McLaren oder Pagitt gesagt haben oder auch innerhalb des Ermergent Deutschland Flügels geäußert wurden, theologisch große Probleme haben.
Von daher ist für mich nicht die Frage, ob es diese Flügel gibt oder nicht (denn es gibt sie), sondern eher, wie wir damit und miteinander umgehen.
Das Bestreiten dieser Flügel klingt in meinen Ohren eher wie ein nivellieren, aber das würde ich nicht tun wollen.
Und ja, da kommen wir sicher auch bei ethischen Themen an.
Ein Freund fragte mich letzte Woche nach meiner Meinung, nachdem er einen Post zum Thema Homosexualität von jemandem gelesen hatte, der sich sicher eher dem emergenten Flügel zuordnen würde.
Und was mach ich da? Um der Liebe willen meine “andere” Meinung nicht kund tun? Das kann’s doch nicht sein.
Genauso wie mein emergenter Bruder sagt (und sagen darf), dass er die Aussage, dass ausgelebte Homosexualität Sünde sei, für falsch hält, darf ich doch sagen, dass ich seine Sicht für falsch halte.
(Und nein, ich will jetzt keine Diskussion über dieses Thema anfangen, es war nur ein Beispiel)
Die Frage ist doch eher, wie wir miteinander persönlich umgehen.
Aber wenn ich – und jetzt möchte ich bewusst wieder weg von dem eben genannten Beispiel – einige Sachen, die ich aus emergenten Kreisen höre, für falsch halte, vielleicht ja sogar gefährlich finde, wie gehe ich dann damit um?
Es muss mir doch erlaubt sein, mich inhaltlich abzugrenzen.
Nur eben persönlich sollten wir dabei nicht werden. Das müssen wir lernen.
Genausowenig wie ich jemand anderen als “liberale Sau” bezeichnen sollte, möchte ich mir anhören, ich sei eben “konservativ theologisch unreflektiert”. Dann müsste man John Stott, dessen Meinung ich bei dem oben genannten Beispiel teile, ebenfalls theologisch unreflektiert nennen.
Wir müssen wohl noch lernen, wie wir theologisch auseinander sein können und dennoch persönlich beieinander bleiben können.
Und ja, das wird hier und da nicht einfach, sondern vermutlich eher spannungsreich sein.
2.Teil:
Zum Stichwort: konservative Theologie:
Ich verstehe missional nicht als etwas, das neu ist, sondern das wir wieder zurück gewinnen müssen. Die frühe Kirche war definitiv missional, nach außen gerichtet und hat sich multiplikativ ausgeweitet. Wenn ich persönlich also organische Gemeinde favorisiere, ist das für mich nichts Neues, sondern etwas ganz Altes, was wiederentdeckt wird.
Und zuletzt:
“Deshalb brauchen wir die Besinnung auf das gemeinsame, weil wir auf einer gemeinsamen Reise sind und überlegen müssen, was das Zentrum und die Mitte ist.”
Das ist für mich die Basis, warum ich sage, dass wir bei allen sachlichen Unterschieden auf der persönlichen Ebene gut miteinander umgehen müssen. Es ist aber nichts, das ich extra betonen oder suchen müsste. Das klingt mir dann zu schnell nach heile Welt und wir haben ja alle Jesus lieb, deshalb ist schon alles okay.
Wenn mir jemand aus dem ermergenten Flügel (muss immer mal wieder “Lager” nachträglich korrigieren) sagt: “Die konservative Theologie ist Schuld daran, dass sich die Gemeinde so eingeigelt hat und weltfremd geworden ist. Und deshalb brauchen wir eine “freiere” Theologie.”, dann halte ich das für falsch, das eine hat für mich mit dem anderen nichts zu tun. Aber gut, ich kann ja damit leben, wenn jemand ne andere Meinung hat. Das Problem beginnt für mich da, wenn mit dieser Haltung dann “evangelisieren” gegangen wird.
Denn: Wenn das eine “falsche Lehre” ist (und aus meiner Perspektive ist es das), was sagt mir dann das, wie Paulus gegen falsche Lehrer umgegangen ist, für meine Praxis. Da war dann irgendwann auch Schluss mit lustig.
Wirklich ne offene Frage.
Für mich hat gemeindliches Versumpfen nichts mit konservativer Theologie zu tun:
Ich kann theologisch (wie zB bei deinen anfangs genannten Punkten wie Ethik oder Soteriologie) durchaus konservativ bleiben, aber ekklesiologisch mich deutlich von dem institutionalisierten System entfernt haben. Und ich habe Freunde, die Pastoren in klassischen Gemeinden sind, die sich mit ihren Gemeinden deutlich missional der Stadt zuwenden, ohne dabei in zB Ethik- oder Heilsfragen ihre Ansichten zu ändern.
So, lang genug geworden. LG nach Marburg!
David
Ich glaube, dass ich die Begrifflichkeiten anders definiere: „Missional“ sehe ich als theologischen Termini und „emerging/emergent“ als Bewegung. Es gibt in der „emerging Bewegung“ zumindest in Deutschland ganz unterschiedliche theologische Meinungen, sicher auch einige, die du als „konservativ“ bezeichnest (wobei ich immer noch nicht genau weiß, was das genau ist: Frauen dürfen nicht lehren und leiten wäre für viele Konservative die ich kenne ein wichtiges theologisches Zeichen oder für andere ein werteorientiertes Weltbild, sprich politisch konservativ). Deshalb habe ich davon gesprochen, dass es in D nicht diese ausgeprägten Flügel gibt wie in Amerika. Ich kenne auch niemand in der emerging Bewegung, der nicht „missional“ denkt. Deshalb halte ich diese ganze „Blockbildung“ für nicht sehr hilfreich, auch wenn sie eine lange Tradition hat und dies heißt nicht, dass ich unterschiedliche Meinungen nivellieren will, im Gegenteil, ich will unterschiedliche Meinungen aushalten lernen, gerade das zeigt sich ja bei Paulus an sehr vielen Stellen (Bsp. Korinther), Paulus hat sich immer für die Einheit in der Vielfalt (Leib/Glied Denken) eingesetzt und nicht für eine „Gleichmacherei“. Wir leben auch von einer gegenseitigen Spannung in unserer Theologie, weil wir eben Wissen, dass unsere Theologie, wie in der ganzen Kirchengeschichte sichtbar, immer auch eine Kulturabhängigkeit hat (was sie in keiner weise abwertet). Warum müssen wir ständig betonen was uns trennt und nicht was uns eint? Steckt da nicht immer eine Angst dahinter, was zu verlieren?
Hallo Tobi,
Bitte nimmst du Kontakt mit mir auf. Mein email is carlraschke@gmail.com. Es scheint dass ich deines nicht finden kann. Ich bin sehr beeindruckt mit was du ueber die “emergent” Bewegung in Deutschland, und ich suche eines ernstes theologisches Gespräch mit du und vielleicht einigen anderen Bewegungleiter in diesem Land zu eröffnen. Ich glaube dass die postmoderne Christenheit beginnt leider eines langsame u. fast bewusstlos Todes zu sterben – aus verschiedenen
Gründe – in den Vereinigten Staaten, und ich ahne irgendwie dass die Zukunft gehört wahrscheinlich zu die neuen Denker in Deutschland, wenn nicht Europa. Die amerikanische Lage scheint zunehmend über die Identität zu sein. Die neue missionale Bewegung fordert eine tiefere historische u. philosophische Theologie an, als wir an diesem Kontinent zu wollen aussehen. Die deutsche sind traditionell etwa bessere Denker. Bitte hab Kontakt. Ich freue mich darauf.
Carl Raschke, Professor der Religionswissenschaft, Universität Denver, Autor, THE NEXT REFORMATION, GLOBOCHRISTrl