Das neue Semester am mbs hat begonnen, 49 Neue haben heute angefangen und morgen werden 33 Studierende ausgesandt. Spannend. Ein neuer Lebensabschnitt in den verschiedensten Bereichen im sozialpädagogischen, sozial-missionarischen und gemeindepädagogischen Kontext beginnt und sie werden das Reich Gottes auf ganz unterschiedliche Weise bauen. Tolle Leute. Ja, dass muss gesagt werden.
Ein Thema das uns auf der Schule immer wieder im Unterricht beschäftigt und das mich zurzeit auch privat umtreibt, ist das Thema Integration von Behinderten. Ich bekomme gerade mit, wie eine befreundete Familie den Kampf gegen die deutsche Bürokratie kämpft und dabei wie „Verlierer“ aussehen. Sie wollen ihre Kinder (Autismus) auf eine Integrationsschule einschulen, was auch ein logischer und richtiger Schritt ist. Aber das Jugendamt möchte die zusätzlichen Kosten nicht übernehmen. Ein Skandal. Deutschland ist in der Bildungspolitik sowieso nicht in der Spitze dabei, aber was die Integration von Behinderten angeht, sind wir in Europa ganz hinten. Ein trauriges Bild, dabei gilt es EU Recht umzusetzen und in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen heißt es so schön: »Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht behinderter Menschen auf Bildung. Um die Verwirklichung dieses Rechts (…) zu erreichen, gewährleisten sie ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen.“ Aber der Weg von der Theorie in die Praxis ist ein weiter und so müssen viele Familien mit behinderten Kindern nicht nur gegen die Vorurteile vieler Zeitgenossen ankämpfen, sondern auch noch gegen das deutsche Bildungssystem.
Hier wäre eine große Chance für unsere Kirchen und Gemeinden, in denen das Thema Leben mit Behinderungen (Beeinträchtigungen) ebenso kaum eine Rolle spielt, aus dem Schatten der allgemeinen Ignoranz heraus zu treten und positiv voranzugehen. Das ist nicht einfach, aber es fängt vielleicht niederschwellig damit an, die Familien zu besuchen und zu fragen, was sie sich für die Gottesdienste und Kinderstunden wünschen, dass sie dabei sein können. Dies sollten wir tun, bevor sie nicht mehr kommen, denn sie haben nicht auch noch die Kraft um ihren Platz in der Gemeinde zu kämpfen…
In der Zeit sind zwei lesenswerte Artikel dazu, hier und hier!
Ja. Eine Freundin, die neulich eine Knie-OP hatte, meinte, dass es erschreckend und frustrierend sei, wie schnell man (auch in der Gemeinde) hintenrunter fällt, wenn man nicht so wie immer “funktioniert”. Hat mir zu Denken gegeben. Und ihre Einschränkung war ja nur temporärer Natur. LG, Julia
Kann denn das mbs Rollstuhlfahrende Studierende aufnehmen? Gibt es behinderten gerechte Eingänge, Toiletten, Unterrichtsräume, Wohnraum,etc.?
Ja, sehr guter Punkt. Im Neubau haben wir darauf geachtet, aber in den alten Gebäuden geht das tatsächlich nicht.
Schon berufsbedingt stoße ich immer wieder auf dieses schwierige Thema und mache mir meine Gedanken dazu. Z.B. hier:
http://susisubkutan.blogspot.com/2009/03/behindert.html
oder hier:
http://susisubkutan.blogspot.com/2009/04/thomas-freut-sich.html
Die Angehörigen Behinderter sind übrigens meine persönlichen Helden. Es ist kaum zu glauben, wieviel Liebe, Hingabe, Kraft sie oft einsetzen, um ihren Lieben das Leben zu erleichtern und ihnen Zugang zu ganz “normalen” Freuden des Alltags zu ermöglichen – oft unter Verzicht eigener Freiheiten.
Danke, du hast absolut Recht!
Wir waren ja als Familie in “diesem Hotel” und interessanterweise ist meinen Kids gleich aufgefallen, dass “alles irgendwie anders ist”, der Eingangsbereich, die Toiletten, Duschen etc. Da habe ich wieder Mal gemerkt, wie wenig sensibilisiert ich in diesem Bereich bin und wie besonders es ist, wenn darauf geachtet wird, dass alles behindertengerecht ist…
Ja, tragisch aber wahr – Ich hatte gerade im Bekanntenkreis auch folgenden Fall:
Eltern haben ein Kind bei dem von allen Seiten her anerkannt ist, dass besonderer Förderbedarf besteht – doch die Sachbearbeiterin vom Jugendamt wehrt sich ein Jahr lang mit Händen und Füßen dagegen die Kosten für eine Integrationsschule zu übernehmen.
Jetzt ziehen meine Bekannten fünf Kilometer weiter, von einem Landkreis in eine Stadt, und die zuständige Sachbearbeiterin dort hat alle Anträge innerhalb weniger Minuten wie selbstverständlich genehmigt.
Du sprichst mir aus dem Herzen, Toby, und das wirst du wohl wissen ;-). “Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz”, sagte Bach bekanntlich. Ich stimme ihm zu, auch gesellschaftlich nicht nur kirchlich bezogen. Und, dies sollte eben auch im Hinblick auf die geistlichen Leiter selbst gelten. Auch dazu schreibt Ulrich Bach bekanntlich viel Schlaues. Ob wir es in Kirche und Gesellschaft wirklich hören wollen? Hoffe immer noch, dass ich meine Untersuchung zum Thema fertig kriege…
Ein weiterer interessanter Punkt, mit dem ich mich berufsbedingt immer wieder auseinandersetze, ist die Zugänglichkeit von Informationen für Behinderte. Gerade das Internet bietet hier vielen Behinderten tolle Möglichkeiten.
Leider sind die Webseiten von christlichen Organisationen in der Regel nicht besonders Barrierefrei.
http://www.forum-inklusiv.de/
Dieser Zusammenschluss von verschiedenen Arbeitskreisen zum “Forum inklusiver evangelischer Jugendarbeit” bei der aej versucht genau dies “aufzubrechen”: Offenheit in Gemeinden und inklusives Handeln statt Ausgrenzung und “wegschauen”.
Tolle Arbeitsmappe zu vielen integrativen Aktionen deutschlandweit.
Vielen Dank. Ein sehr guter Tipp. Super.