„Die Politik Jesu. Von John Howard Yoder “

Rezension

John Howard Yoder gehört sicherlich nicht zu den bekanntesten Theologen und doch sind seine Gedanken und Bücher von großer Bedeutung. Der 1997 verstorbene  täuferisch-mennonitischen Theologe war schon zu Lebzeiten ein Querdenker und seine Gedanken sind sehr herausfordernd. Er promovierte unter Karl Barth und lebte zur selben Zeit wie David Bosch und Oscar Cullmann in Basel, alle trafen sich häufig zu theologischen Gesprächen. Da wäre ich gerne dabei gewesen. Aber so haben wir wenigsten ihre Bücher und ich bin dankbar, dass der Neufeldverlag jetzt „Die Politik Jesu“ neu in Deutsch herausgebracht hat. Und dieses Buch ist ohne Zweifel ein Ärgernis. Und dies schon seit 40 Jahren. Aber das war von John Howard Yoder durchaus beabsichtigt. Es soll „anregende Verwirrung“ stiften, wie Yoder selbst formuliert, und das trifft es ganz gut. Seine Gedanken sind quer und gehören nicht zu dem theologischen „Fastfood“, das heutzutage oft angeboten wird. Seine interdisziplinären Querverweise machen dieses Buch zwar nicht immer einfach zu lesen, aber sie geben der Thematik die nötige Tiefe und Weisheit. Yoder hat ein kluges Buch geschrieben. Ein Buch voller prophetischer Kraft, das dem Zeitgeist in die Parade fährt und schon in den 1970er Jahren vieles kritisch vorhersah, mit dem wir uns heute als Christinnen und Christen auseinandersetzen.
Yoders theologische Überlegungen haben das Ziel, das vorherrschende theologische Korsett zu sprengen und neu zu fragen, was Jesus für uns heute bedeutet. Er ermutigt, sich den Macht- und Strukturproblemen unserer Zeit aktiv zu stellen und das Evangelium nicht auf eine individualistisch verengte Auslegung zu reduzieren. Diese Gedanken haben eine ganze Generation von Christen weltweit beeinflusst, wie beispielsweise Ronald J. Sider, David Bosch, Samuel Escobar, Brian McLaren, Jim Wallis oder Shane Claiborne.
Eine tolle Zusammenfassung des Buches gibt es von Gabriel Stängle auf seinem blog. Empfehlenswert.

10 Comments

  1. Ich wundere mich, in wie fern und für wen die dialektisch-aktivistische Theologie des Barth-Schülers Yoder heute noch ein “Ärgernis” sein soll, das “anregende Verwirrung” stiftet.

    Das ist doch mittlerweile Mainstream.

    Kopfschütteln und Verwirrung erntet nur noch, wer auf die gute alte “individualistische Verengung” des Evangeliums pocht.

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  2. Können wir meintwegen machen. Dann siehst du mal, wie es ist, von lauter Leuten umgeben zu sein, die überall den Strohmann des “individualistisch verengten”, sozial vollständig uninteressierten Fundamentalisten bekämpfen und die die Bibel so lange schütteln, bis ein “historischer Jesus” heraus kommt, dessen Zielsetzung in erster Linie globale Sozialreform war.

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  3. Es sind mehr die Blogs und die Foren, als die Stadt.
    Wenn das der alte Barth geahnt hätte, wie seine heutigen Epigonen seinen metaphysischen und exegetischen Ansatz so massiv und attraktiv unters Volk bringen, dass für eine ganze Generation junger Christen die alte Metaphysik nur noch eine Art Schimpfwort ist…

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  4. Zum Glück bist nicht der Wächter der barthschen Lehre! Gerade an diesem Beispiel ist es ja interessant, dass Theologen wie Barth, Yoder und Bosch keine Berührungsängste hatten, im Gegenteil einen großen Respekt voreinander, so wie es sein soll…..

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  5. Vermutlich, weil sie im Kern einer Meinung waren.
    Die Kämpfe, die Barth und Brunner ein halbes akademisches Leben ausfochten, sind ja bekannt. Dabei ging es eigentlich nur um graduelle Unterschiede, denn beide dachten sowohl kritisch als auch dialektisch, und beide waren fest entschlossen, dass eine Rückkehr zur alten Orthodoxie keine Option war.

    Zum Thema gedankliche Verengung gibt‘s hier im Norden die Geschichte vom Segelmachermaat Hein Lammers, den eigentlich nur ein Thema interessierte, nämlich: die „kaiserliche Werft“, und der bei jedem anderen Thema blitzartig die Kurve zurück zu diesem Thema nahm.

    Vorbei ist es in der emergenten Theologie (die es, wie du zu Recht schriebst, ja gar nicht gibt, denn “ein Gott, über den man etwas sagen kann, ist nicht Gott”) mit der Fülle und dem Reichtum systematischer Theologie mit ihren Ausführungen über Epistemologie, Offenbarung, Inspiration der Schrift, Wesen Gottes, Dreieinigkeit, Heilsplan etc.

    Bei aller Negation (“Gott lässt sich in kein System und kein Bekenntnis pressen und verweigert sich unserem Zugriff”), dem Zeit- und Kulturrelativismus und dialektischen Sowohl-Als-Auch (“Kein Bekenntnis ist wahr, gleichzeitig sind alle Bekenntnisse wahr”) bleibt als einziges Thema die „kaiserliche Werft“: Gesellschaftstransformation.

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  6. Ganz ehrlich: Keine Ahnung wovon du sprichst. Die meisten deiner Ausführungen und Anschuldigungen habe ich so noch nicht gehört und wo bitte habe ich diesen Satz gesagt, den du zitierst (“ein Gott, über den man etwas sagen kann, ist nicht Gott)?

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  7. Deine Ehrlichkeit in Ehren, doch solltest du dich mehr mit den Vordenkern eurer Position befassen. Die von Walter Faerber beschworene “kopernikanische Wende” steht ja keineswegs im luftleeren Raum.

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