Letztes Wochenende war ich mit meinen beiden Kollegen (Tobias Künkler und Martin Hofmann) auf einer kleinen Lesetour mit unserem Buch „Warum ich nicht mehr glaube“. In drei Tagen vom Westen über die Mitte in den wilden Süden, das war zum einen sehr aufregend und zum anderen auch sehr intensiv und emotional. Die Abende waren so aufgebaut, dass wir die wichtigsten Ergebnisse präsentiert haben, eine Entkehrungsgeschichte gelesen und dann gemeinsam mit den Leuten diskutiert haben. Das eigentlich herausfordernde kam aber meist danach, auf allen Lesungen waren auch Menschen, die eine Entkehrungsgeschichte hinter sich hatten und, ermutigt durch das Buch, jetzt über ihre Erfahrungen reden wollen. Ehemalige Pastoren bspw. erzählten von ihren Zweifeln und wie sie plötzlich nicht mehr predigen konnten. Aber es gab auch andere Geschichten, eine Frau erzählte, wie sie nicht mehr glauben konnte und wie ihre beiden besten Freundinnen zu ihr standen und sie fünf Jahre in ihrem Unglauben begleiteten, bis sie plötzlich wieder Hoffnung hatte und jetzt wieder langsam anfängt mit Gott. Aber es gab auch immer mal wieder eine Frage bzw. Anmerkung, die mir in den letzten Wochen häufiger gestellt wurde: „Die waren doch alle nie richtig bekehrt!“ Ein Satz, wie ein Urteil. Und die Argumentation dahinter ist nicht gerade besser: „Wenn die richtig bekehrt wären, dann könnten sie sich nicht entkehren!“ Auch ein paar angefügte Bibelverse machen es meines Erachtens nicht glaubwürdiger, denn bei der Frage geht es vielleicht gar nicht so sehr darum, ob sie Recht haben, wer will das auf Erden beantworten? Sondern um die Haltung dahinter. Es ist genau die Haltung, die einige im Buch Interviewten in ihrem Entschluss sich zu entkehren bestätigt hat. Wer entscheidet das, wann ein Mensch glaubt, wenn der Glaube ein Geschenk ist? Ab wann kann oder darf ich mich Christ nennen? Im Moment meiner Entscheidung? Und wer urteilt darüber? Menschen oder Gott? Viele Fragen und weil diese nicht so einfach und immer klar zu beantworten sind, haben wir im Buch die Meinung der Interviewten ernst genommen. Wenn sie gesagt haben, dass sie sich für ein Leben mit Gott entschieden und (im Durchschnitt 23 Jahre) mit ihm gelebt haben, in der Gemeinde haupt- oder ehrenamtlich mitgearbeitet haben, ja, dann haben wir ihnen einfach geglaubt.
Ein ausführliches Interview über das Buch gibt es hier.
Wenn meine Meinung hier auch im Vorfeld abgekanzelt wurde, gebe ich dennoch zu bedenken: In der Bibel sind es zwei völlig verschiedene Dinge, die seelsorgerisch unterschiedlich behandelt werden: (1) Ein geknickter Halm wird nicht zerbrochen, und ein glimmender Docht nicht ausgelöscht; (2) doch jemand, der seinen Glauben an den Nagel hängt und öffentlich sich dagegen wendet, wird ernstlich gewarnt und der Schluss wird nahegelegt, dass das, was an Glauben und Erkenntnis sichtbar war, von vornherein fundamentale Strukturschwächen gehabt haben muss.
Christsein bedeutet für viele immer noch, Noten zu verteilen und Urteile auszusprechen. Unter dem Strich werden alle von irgendwem verurteilt.
Wohl eher wenden sich Menschen vom Glauben ab, weil ich sie nicht geliebt, sondern verurteilt habe.
Und mancher “Abtrünnige”, so habe ich den Eindruck, hat in seinem Herzen mehr Liebe und Gottvertrauen, als wir uns vorstellen können.
Gruß Rainer Haak
Hi Tobi. Wann ist denn die Lesung am Mittowch genau? Kann man das Buch da auch kaufen?
@anonym: jaein, ich würde sagen, dass es zwei Sichtweisen gibt, zum einen die menschliche, die wir in dem Buch untersucht haben und die göttliche, die wir nur erahnen können, indem wir die Bibel und die Menschen ernst nehmen, aber darüber Urteilen wird Gott am Ende ganz alleine.
@Rainer Haak: Ja, das bestätigt sich für mich die letzten Wochen, ich bin erstaunt wie biblisch richtig manche Christen über Menschen urteilen, ja sie verurteilen. Das ist äußert bedauerlich und hat sich weit von jenem Verständnis der Bibel entfernt…
@Tom: 20:00h, ja du kannst dort gerne ein Buch kaufen! 😉
” die göttliche, die wir nur erahnen können, indem wir die Bibel und die Menschen ernst nehmen” (Toby).
Ja, die lässt sich erahnen, wenn Jesus sagt: “Die Pforte ist eng, und der Weg schmal, und wenige sind es, die ihn finden.” Und: “Viele, die sagen ‘Herr, Herr’, kenne ich nicht.”
Er sagt mit anderen Worten: “Viele in den Gemeinden, und seien sie auch 20 Jahre lang Älteste gewesen, sind sind nie von neuem geboren worden.”
Das hat man vielleicht geahnt, aber richtig deutlich wird es erst, wenn sie sich öffentlich gegen den Glauben wenden.
@Anonym: Ja, gilt dann ja auch für Sie, oder?
Das gilt für jeden. Jeder muss sich fragen: Wie echt ist mein Glaube? Erwarte ich nur etwas von Gott, und wenn ich es nicht bekomme, gibt es ihn vielleicht gar nicht? Oder habe ich eine Begegnung mit ihm gehabt, die mein Leben verändert hat und die ich niemals vergessen kann? Mit anderen Worten: Bin ich von neuem geboren?
… schade, dass sich manche so schwer tun einfach mal auf den Gegenüber einzulassen und zuzuhören, bevor sie die persönliche Einordnungsschublade (mein Richtig und Falsch) öffnen.
Anonym hat völlig recht mit seinem/ihrem Hinweis auf diese wichtige Unterscheidung. Ich kannte mal einen Pastor, der immer wieder über das Thema der Neugeburt predigte. Als ihn jemand fragte, weshalb er denn immer wieder darüber predigte, sagte er: „Weil ihr von neuem geboren sein müsst.“
p.s.
Die Echtheit des Glaubens erweist sich auch in seiner Dauerhaftigkeit und Beständigkeit:
„Und euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er aber nun versöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht, wenn ihr nämlich im Glauben gegründet und fest bleibt und euch nicht abbringen lasst von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt …“ (Kol. 1,21-23)
“Und mancher “Abtrünnige”, so habe ich den Eindruck, hat in seinem Herzen mehr Liebe und Gottvertrauen, als wir uns vorstellen können.”
Lieber Rainer, kannst du diesen Satz bitte erläutern und uns erklären, inwiefern Menschen, die öffentlich ihren Glauben an Gott widerrufen, weil sie sich nicht “geliebt fühlen”, und dadurch auch andere angefochtene, “glimmende Dochte” schwächen und verunsichern, “mehr Liebe und Gottvertrauen im Herzen haben” als wir uns vorstellen? Was für eine eigenartige Dialektik steckt hinter dieser Aussage?
“Auch ein paar angefügte Bibelverse machen es meines Erachtens nicht glaubwürdiger.”
Was würde eine Argumentation denn in deinen Augen stattdessen “glaubwürdiger” machen?
@anonym: Naja, es gibt für fast alles einen Bibelvers, das alleine macht eine Behauptung nicht richtig oder falsch. Das bedeutet nicht, das die Bibel nicht wichtig wäre, ganz im Gegenteil, aber ich bin erstaunt wie wenig Demut manche Menschen vor Gott und der Bibel haben und sie sehr schnell für ihre Zwecke gebrauchen. Gerade bei so heiklen Themen wie Wiedergeburt. Wer von uns Menschen schaut denn in den anderen hinein? Ich muss seinen Worten und seinem Leben glauben (an der Liebe werdet ihr sie erkennen) schenken und da ist mir doch manche Härte, Gleichgültigkeit, Urteilsfähigkeit und Besserwisserei sehr schnell gesprochen. Aber auch da, sehe ich ja nicht hinein, warum manche so reagieren, vielleicht aus einer eigenen Verletztheit heraus oder einer eigenen Unsicherheit? Ich weiß es nicht…
Toby, ich kann darin überhaupt keine Besserwisserei, Härte oder Lieblosigkeit, und erst recht keine Gleichgültigkeit erkennen, dass jemand die Leute ermahnt zu prüfen, wie sie im Glauben stehen, und ob sie wiedergeboren sind (gerade mit dem Ziel, solch scharenweise “Entkehrungen” zu verhindern). Schließlich ist dies bei Jesus das absolute sine-qua-non! Ich wundere mich ganz ehrlich, dass ihr die geistliche Neugeburt so ganz und gar nicht auf dem Schirm habt und stattdessen in irgendwelchen sozio-psychologischen Ursächlichkeiten herumstochert! Bei jeder Nachfrage danach kommt in emergenten Kreisen nur verächtliches “Individual-soteriologische Verengung!” aus den Mundwinkeln. Das ist bei der Gewichtung, die Jesus dem Thema gibt, verantwortungslos und führt seelsorgerlich auf Abwege!
@anonym: Sorry, aber du verwechselst hier ein paar Sachen: Es ging in unserem Buch nicht um eine soteriologische Studie, sondern tatsächlich um eine empirische Bestandsaufnahme. Das mag einem nicht gefallen, was ja auch in Ordnung ist, aber daraus gleich ein Argument ex nihilo zu machen ist nicht redlich. Und dann, ausgerechnet anonym, solche Vorwürfe zu machen, finde ich schon sehr mutig.
Ich bleibe bei dem, was ich geschrieben habe. Du kannst das Thema “Entkehrung” unmöglich behandeln, weder als Empirie noch als Statistik, ohne zu fragen: Was ist Bekehrung überhaupt? Und: Was sagt die Bibel dazu?
Nach Mal: Wir haben das Thema “Entkehrung” in diesem Buch nicht biblisch behandelt. Wir haben das in der Theoriearbeit vorher gemacht, um uns ein biblisch-theologisches Bild zu machen, aber es kam in diesem Buch explizit nicht vor.
Was ich in meinem blogbeitrag kritisiert habe, ist auch nicht, dass sich Menschen Gedanken über Be- oder Entkehrung machen, sich biblisch-theologisch damit auseinandersetzen, nein, ganz im Gegenteil, das freut ich als Bibellehrer ja, was mich ärgert, ist die Haltung mit der einige Leute einfach über Andere urteilen. Wer heute zweifelt oder sagt, dass er nicht mehr glauben kann, der hat nie geglaubt. Punkt. So einfach ist das Leben. Wenn wir schon theologisch an den Sachverhalt ran gehen wollen, dann ist die Frage nicht, ob sich ein Mensch bekehrt, sondern, ob Gott einem Menschen durch seinen Heiligen Geist begegnet. Nach meinem Verständnis der Bibel ist es nämlich zuerst Gott der handelt und nicht der Mensch.
@anonym: Ich hoffe, Sie haben Leute um sich, die Ihnen bei Ihren Zweifeln und Sorgen besser helfen als sie hier gerade sich selbst präsentieren.
Für mich ist der Satz “die waren nie wirklich bekehrt” ein ÖFFENTLICHES Fallenlassen der Person. Und das ist traurig! Wenn jemand fällt, dass dann die Gemeinde nicht hingeht und ihm aufhilft – sondern “nachtritt”.
Riepichep, um gerade dieses Missverständnis zu vermeiden, habe ich eingangs von dem Unterschied zwischen geknickten Halmen oder glimmenden Dochten, die wir alle von Zeit zu Zeit sind, einerseits, und solchen Menschen, die den Glauben, den sie hatten, wirklich an den Nagel hängen, weil sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass er ein Irrtum war, als hätten sie gleichsam Gott und Christus “gewogen und zu leicht befunden”. Und das, so behaupte nicht ich, sondern die Bibel, ist für einen wiedergeborenen Christen unmöglich! Seelsorgerische Bemühung und liebendes Ringen um die betreffende Person ist in beiden Fällen unsere Pflicht. Doch dafür ist zuvor eine Diagnose notwendig. Wenn Toby schreibt, dass die theologische Aufarbeitung separat, im Vorfeld stattgefunden hat, dann sind ihm sicher die klassischen “Entkehrungs”-Passagen aus der Bibel gegenwärtig, wie das Gleichnis vom Vierfachen Ackerboden, oder auch Hebräer 6,4-8 mit seinen eindringlichen Warnungen, sowie die Parallelstelle Hebr. 10, 26-29.
Ich finde es befremdlich, dass bei einem geistlichen Thema wie diesem nicht vorwiegend aus der Bibel argumentiert wird.
p.s. Ich bin hier nur deshalb anonym, weil ich auf meinem iPad die google-Registrierung irgendwie nicht hinbekomme. Mein Name ist Christian
@christian: Ganz praktische Frage: Was machst du mit deinem biblischen Befunden im Bezug auf die gemachten Interviews? Legst du dann deinen biblischen Maßstab an und kommst zu einem Urteil? Hilf mir das besser zu verstehen.
Dann würde mich interessieren, ob du das Buch gelesen hast?
@Hans-Christian Beese: Bewusst habe ich “Abtrünnige” in Anführungsstriche gesetzt. Ich sehe das Wort als Kampfbegriff an. Damit werden Menschen etikettiert, die nicht mehr “richtig” glauben und gehorchen.
Das war im christlichen Mittelalter so (mit drastischen Strafen), das ist heute teilweise in christlichen Sekten ähnlich, aber auch in einigen islamischen Ländern (bis zur Todesstrafe).
Es gibt unzählige Gründe, seinen eigenen Glauben infrage zu stellen. Den (in meinen Augen) reifsten Glauben erlebe ich oft bei Menschen, die durch eine (Glaubens-)Krise gingen und sich gehäutet haben.
Ich kenne zahlreiche Menschen, die sich von Kirche und Gemeinde fern halten (oft auch, um sich zu schützen!), und trotzdem am Glauben “dran” sind, vielleicht mehr als viele “Gläubige”. Und selbst da, wo der Docht nur noch glimmt, möchte ich das Feuer nicht austreten, sondern hoffen (und helfen), dass es neu entfacht wird.
Gruß Rainer Haak
Lieber Rainer, da rennst du bei mir offene Türen ein. Ich bin seit vielen Jahren gemeindelos. Meine 10-jährige Tochter hat noch nie eine Gemeinde von innen gesehen. Alle meine erwachsenen Kinder haben erhebliche “Glaubenskrisen” hinter sich oder stecken mitten drin. Es geht auch nicht um Urteile oder gar Strafen. Es geht mir schlicht und einfach um die Frage: Ist ein Mensch von neuem geboren, oder nicht? Ist er es, so kann ihn nichts, nicht mal die größte “Glaubenskrise”, aus Gottes Hand reißen. Er wird eher sich selbst, als Gott in Frage stellen. Ist er es nicht, werden früher oder später die “Sorgen dieser Welt”, oder “Trübsal und Verfolgung”, oder einfach intellektuelle Überlegungen oder Enttäuschung durch andere Menschen seinen Glauben und seine Erkenntnis dermaßen ins Wanken bringen, dass sich vollständig abwendet.
Toby,
der Begriff “biblischer Befund” wird von eurer Seite routinemäßig sehr verächtlich gebraucht. Ich versuche dahinter zu kommen, weshalb eigentlich.
Natürlich würde ich während eines “Interviews” versuchen zu ergründen, was für eine Art Glaube derjenige hat oder in diesem Fall: gehabt hat. Einfach deshalb, um ihn besser beraten zu können.
Ich würde anders mit jemandem sprechen, der durch Kämpfe und Anfechtungen des Lebens mutlos geworden ist und traurig ist, weil er Gottes Liebe und Fürsorge aus dem Blick verloren hat, als mit jemandem, der sich entschlossen hat, den Weg der Nachfolge zu verlassen, weil er ihn mittlerweile als Irrweg ansieht.
Nein, das Buch habe ich nicht gelesen. Ich lese sehr wenig und wenn, sehr langsam.
@Christian: “der Begriff “biblischer Befund” wird von eurer Seite routinemäßig sehr verächtlich gebraucht.” Wie kommst du auf so steile Aussagen? Und wer ist “eurer”?
Toby, von emergenter Seite, siehe z.B. Kollege Aschoff:
http://www.elia-gemeinschaft.de/wordpress/2012/09/17/theologie/der-biblische-befund
Zugunsten eines “Sinnes zwischen den Buchstaben und Wörtern” hat er für eine Untersuchung des inspirierten Wortlautes nur ein verächtliches “Konkordanzkrämer!” übrig. So lässt sich trefflich diskutieren über alles, was zwischen den Wörtern steht, ohne dass den eigentlichen Wörtern die nötige Achtung und Beachtung geschenkt wird. Da aber der Heilige Geist wörtlich inspiriert hat, verliert sich dem entsprechend bei dieser Hermeneutik der eigentliche Sinn in Spekulation.
es gibt eine schöne rabbinische “Hermeneutik der schwarzen und weißen Buchstaben”: Die schwarzen Buchstaben sind die Thora, das geschriebene Gesetz Gottes, das Weiße zwischen den Buchstaben ist das Leben, es lässt die schwarzen Buchstaben dadurch erst sichtbar werden.
Beides sollte man nicht gegeneinander ausspielen….
Das ist der Unterschied: Du sagst, das Leben interpretiert die Schrift, ich sage, die Schrift interpretiert das Leben.
ich sagte, beides ist untrennbar miteinander verbunden (so das Bild), eines braucht das Andere…
klingt intelligent, tendiert nur leider zu Ungunsten der Autorität der Schrift. Zu Jesu Zeiten beendete ein Wort aus der Torah die Diskussion. Heute kann man ebenso gut in den Wind pusten, denn Schriftzitate bringen nur “Konkordanzkrämer” (oder Zeugen Jehovas). Das lässt sich an der gegenwärtigen Unterhaltung nachweisen.
“Zu Jesu Zeiten beendete ein Wort aus der Torah die Diskussion.”
Klingt richtig, wirkt aber falsch. In meinem NT werden Diskussionen selten beendet, sondern vielmehr abgebrochen. WÄRE es nämlich so gewesen, dass ein Wort aus der Torah die Diskussionen beendet hätte, wie hätte dann eine Situation wie in Johannes 8,37-59. Dort endet es mit versuchtem Mord …
ganz so einfach scheint das also in dem NT auch nicht gewesen zu sein …
Das widerspricht nicht dem, was ich geschrieben habe. Gewalt kann auch ein Zeichen der Ohnmacht und Eingeständnis der Unterlegenheit sein.
Außerdem ging es beim Thema Abraham natürlich für die Juden der damaligen Zeit um alles oder nichts. Ihr ganzer Nationalstolz und ihr Empfinden der Besonderheit und Überlegenheit gründete sich auf Abstammung nach dem Fleisch. Jesus klärt sie darüber auf, welche Bewandtnis es mit der Abstammung von Abraham wirklich hatte, nämlich, dass Abraham der Vater der (an Christus) Glaubenden ist. Er “sah seinen Tag” (im Glauben) und war froh.
Im Hebräerbrief argumentiert der Apostel gegenüber den hebräischen Christen ähnlich. Dort wird besonders deutlich, wie die kleinsten Details aus dem AT Narrativ wortwörtlich von größter, überzeugender Bedeutung sind: Melchisedek als Vorschattung des Hohenpriesters Jesus Christus. Er hatte keinen fleischlichen Priester-Stammbaum. Sein Priestertum endete nicht nach 50 Lebensjahren. Ebenso stammt Christus, der “Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks” nicht aus dem levitischen Stamm, sondern aus dem königlichen Stamm Judah. Sein Priestertum endet nicht, sondern dauert bis in alle Ewigkeit, mit der Implikation, dass das levitischen Priestertum ein für allemal absolet ist. Der Apostel argumentiert 100%ig aus der Schrift (Genesis, Psalm 110 etc.), um die Hebräer zu überzeugen.
Oder nimm Johannes 10,34, “Ihr seid Götter”, wo Jesus vom Geringeren auf den Größeren schließt und mit seinem Schriftzitat die Diskussion beendet, wenn auch mit dem Ergebnis, dass sie ihn “abermals” greifen wollten.
In Gal. 3,16 leitet Paulus aus einem Wort der Torah weit reichende Folgerungen für die Beziehung von Verheißung und Gesetz ab:
“Nun ist ja die Verheißung Abraham und seinem Samen zugesagt. Er spricht nicht: “durch die Samen”, als durch viele, sondern als durch einen: “durch deinen Samen”, welcher ist Christus. Ich sage aber davon: Das Testament, das von Gott zuvor bestätigt ist auf Christum, wird nicht aufgehoben, dass die Verheißung sollte durchs Gesetz aufhören, welches gegeben ist vierhundertdreißig Jahre hernach. Denn so das Erbe durch das Gesetz erworben würde, so würde es nicht durch Verheißung gegeben; Gott aber hat’s Abraham durch Verheißung frei geschenkt.”
Fazit: Uns geht (1) unheimlich viel verloren, und wir verfehlen (2) die eigentliche Bedeutung und Intention, wenn wir die Schrift nicht als wörtlich vom Heiligen Geist inspiriert verstehen.
Viele Grüße, Christian
riepichep, kleine Frage als Nachtrag:
Wann würdest du vermutlich eher “mit den Zähnen knirschen” oder (übertragend gesprochen) “Steine aufheben”, mit anderen Worten, deine Coolness verlieren:
(1) Wenn ich leicht zu widerlegenden, unlogischen Stuss reden würde, oder wenn ich
(2) überzeugende, unwiderlegbare Argumente liefern würde, die dich ins Unrecht setzen?
Wenn Menschen sich “entkehren”, weil sie (von Menschen oder von Gott) “enttäuscht” oder ernüchtert sind, so hatten sie offensichtlich falsche Erwartungen.
Petrus warnt seine Leute: “Ihr Lieben, lasst euch die Hitze, die euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfährt, dass ihr versucht werdet), als widerführe euch etwas Seltsames.”
Auch Paulus wurde von Gott mit den Worten getröstet: “Lass dir an meiner Gnade genügen!”
Solange wir vorrangig eine Art Kompensation für unser Christsein erwarten, beteht die Gefahr, dass wir “enttäuscht” sein werden.
Wir geben unser Leben als lebendige Opfer, und jedes Opfer im levitischen Opferritus musste gesalzen werden, um vor Gott angenehm zu sein. Jeder Christ muss “mit Feuer gesalzen” werden (Mk. 9,49).
Das sollte man jungen Christen sagen, damit sie nichts Falsches erwarten und dann enttäuscht sind, nach dem Motto: “Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht mitgespielt!”