Wenn es um eine theologische Fragestellung zum Thema Inklusion geht, muss natürlich zuerst festgestellt werden, dass es weder das Wort Inklusion noch die dazugehörigen pädagogischen oder soziologischen Konzepte in der Bibel gab. Deshalb möchte ich mich auf den Weg machen, um a) nach der ähnlichen Mustern zu suchen und, b) zur fragen, wo Exklusionen und Inklusionen in der Bibel vorkommen und wie diese ge- bzw. bewertet werden und c) ob es so etwas wie eine „inklusive Haltung“ gibt. Die anthropologische Frage ist die nach der Würde des Menschen, dies ist auch für alle weiteren Fragestellungen entscheidend. Die inhaltliche (theologische) Begründung der Menschenwürde und der daraus folgenden Menschenrechte geht dabei auf das alttestamentliche Verständnis der ‚Imago Dei’ zurück, der Ebenbildlichkeit des Menschen gegenüber Gott in der Schöpfung (Gen 1, 26+27). Gott schafft den Menschen nach seinem Bilde und verschafft ihm und ihr dadurch, unabhängig von seinem/ihrem Tun, einen absoluten und universalen Wert und eine Teilhabe an Vernunft und Macht, die der Mensch als Gestaltungsauftrag auf der Erde nutzen soll. Für den Tübinger Theologen Jürgen Moltmann ist dies die Grundlage und der Kernbegriff seiner Anthropologie und er ergänzt, dass der Mensch nicht nur Repräsentant und Abglanz von Gottes Herrlichkeit ist, sondern damit auch eine Erscheinungsweise Gottes selbst, so schreibt er: „Nicht ein Fürst, sondern der Mensch, Mann und Frau gleichermaßen, alle Menschen und jeder Mensch ist Bild, Stellvertreter, Beauftragter und Abglanz Gottes“ (Moltmann 1985:224). Zur Geschichte des Menschen gehört aber auch der Sündenfall (Gen 3), durch den der Mensch in all seinen/ihren Beziehungsebenen gestört und entfremdet wurde von sich selbst, Gott und der ganzen Schöpfung. Trotzdem nennt der Psalmschreiber David den Menschen „mit Herrlichkeit gekrönt“ und „ein wenig niedriger gemacht als Gott selbst“ (Psalm 8). Diese Aussage zieht sich durch das ganze Alte und Neue Testament (Ps. 106, 20; Röm. 1, 23; Eph. 4, 24; Kol. 3, 10). Der Mensch steht bei aller Gefallenheit in einer unauflöslichen Beziehung zu seinem Schöpfer und in einer großen Geschichte der Wiederherstellung dieser Beziehung. Im Neuen Testament wird die Ebenbildlichkeit Gottes besonders in der Ebenbildlichkeit Christi deutlich. In Christus können wir Menschen Gott wieder neu erkennen und uns selbst widerspiegeln in seiner Herrlichkeit. Dies hat aber nicht nur Auswirkungen für die eigene Wahrnehmung, sondern kommt auch allen anderen Menschen zugute (Röm 9,28; 2. Kor 4,4; Kol 1,15, Gal 3,28). Durch die Rechtfertigung des Sünders/der Sünderin entfaltet sich die Würde unabhängig von seiner/ihrer Beschaffenheit und Leistung und dies in all seiner/ihrer Fehlbarkeit. Die Ebenbildlichkeit des Menschen besteht also keinesfalls nur im grundsätzlich Guten des Menschen, sondern auch in seiner/ihrer Unvollkommenheit. Der Dresdener Professor für theologische Ethik Ulf Liedke stellt deshalb fest, dass dies beispielsweise auch für Menschen mit Behinderungen bzw. Einschränkung gilt (Liedke 2011:83-84). Die Würde und die Rechte eines Menschen sind also nicht abhängig von Status, Geschlecht, Behinderung oder Herkunft. Jede und jeder hat das Recht Teil einer Gemeinschaft zu sein und sich dort mit seinem/ihrem ganzen Sein, seinen/ihren Gaben und Aufgaben einzubringen, um so Bild, Stellvertreter, Beauftragter und Abglanz Gottes zu sein. Und doch muss auch darauf hinweisen, dass die eschatologische Dimension der Wiederkunft Christi eine zentrale Hoffnung ist, in der erst die Ebenbildlichkeit des Menschen durch die Gnade Christi wieder ganz hergestellt wird. Bis dahin spiegelt Inklusion eine Haltung der Würde und Gnade gegenüber allen Menschen wider und ist doch nur eingeschränkt lebbar. Aber in dieser Spannung, können wir doch erahnen, dass diese eschatologische Hoffnung unser Handeln und Denken schon heute verändert. Dies scheint mir für den Themenkomplex Inklusion von großer Bedeutung zu sein. Was auf der einen Seite für Christinnen und Christen in den Kirchen und Gemeinden selbstverständlich sein sollte, weil klassische Exklusionsgründe (Galater 3,28: Mann/Frau, arm/reich, Einheimischer/Fremder) durch Christus überwunden werden, ist auf der anderen Seite immer noch ein problematisch (sowohl in als auch außerhalb der Gemeinden), weil wir immer noch mit beiden Beinen mitten in dieser gefallenen Welt stehen. Inklusion muss aber genau diese Spannung aushalten, da sie sich auf der einen Seite für die Würde und die Rechte aller Menschen einsetzt und auf der anderen Seite wird durch Inklusion nicht das Paradies auf Erden geschaffen. Gerade weil es um unterschiedliche und gefallene Menschen geht, gehört aus christlicher Sicht das Thema Versöhnung zur Grundhaltung jeglicher Inklusionsdebatten.
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