„Mit Freunden und Freundschaften ist es paradox bestellt: Man kann viele und wenige zugleich haben. Wo allzu großzügig mit der Auszeichnung umgegangen wird – Geschichte und Politik liefern dafür bis heute Beispiele zuhauf – werden wir misstrauisch: „Gott schütze mich vor meinen Freunden“ – die zahlreichen Sprichwörter und Redewendungen kennen die Paradoxa der Freundschaft. Shakespeares Tragödie Julius Caesar, entstanden kurz vor der Wende zum 17. Jahrhundert, kennt und nützt dieses ironische Potenzial von Freund und Freundschaft. Zugleich verweisen diese emphatischen Bezeichnungen für soziale Beziehungen auf ein Kernproblem dieser Tragödie und der Tragödie überhaupt: auf den Zusammenhang zwischen Opfer und Versöhnung.“
Diese wunderbaren Eingangsworte sind mir gestern, im Zuge des Umzuges von meinen intellektuellen Hausbesitzerfreunden, regelrecht vor die Füße gefallen, so dass ich nicht an mich halten konnte sie mitten im Trubel des Umzugschaos laut zu rezitieren. Als ich so halb im Ernst und halb im Spaß die Worte las, kam Stini, schwer mit Kisten beladen, daher und sagte, schwitzend an mir vorübergehend mit eleganter Lässigkeit: „Oh liest du gerade Braungarts Ausführungen über Shakespeare?“ Ich stockte und sah sie mit bewundernden Augen an. In den Händen hielt ich ein kleines schäbiges Heft (ARS ET AMICITIA) von 1998, eine Festschrift zum 60. Geburtstag von Martin Bircher. Fühlte mich klein und unwissend und mein Spaßfaktor sank danieder. Aber bevor er den Nullpunkt erreichte, drehte sich Stini noch mal um und sagte: „Der schreibt nicht schlecht der Braungart, nich? Ist mein Doktorvater!“ So gab es noch eine lehrreiche Ausführung über Braungarts (schreibt über Kafka & Religion) Wissen und Persönlichkeit (verbietet in seinen Vorlesungen Kaugummi kauen und aus der Flasche trinken), scheint einer der letzte kulturmissionarischen Retter der Moderne zu sein. So war das beim Umziehen. Schön. Ja, ein schöner Nachmittag. Gut wenn man Freunde hat.
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