“Freakshow”

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Bin gestern mit dem völlig überfrachteten RE Express von Frankfurt nach Marburg gefahren was eine absolute Zumutung war, da wir gestanden sind wie die Heringe in einer zu eng gewordenen Blechdose. Die Fahrt war eine echte Herausforderung und hat fast doppelt so lange gedauert wie üblich ist, da der Zug immer wieder stoppen musste. Zweidrittel der Passagiere waren, meist gut betrunkene Frankfurt und/oder Schalke Fans. Manche hatten so einen im Tee, dass sie gar nicht mehr richtig wussten, was sie sangen bzw. grölten. Jedenfalls haben sie mit ihren abgebrochenen Fahnenstangen und ihren leeren Bierflaschen unrhythmisch, aber feste gegen de Gepäckaufbewahrung geschlagen, um dazu banale („Einer geht noch…“) oder halbwegs kreative („Ihr seid alle Offenbacher Jungs…“) Fußballhymnen zu brüllen. Was noch schlimmer als dieser ohrenbetäubende Lärm und die aufkommende Platzangst war, war definitiv der Gestank. Die Luft war zum Schneiden stickig und hat erbärmlich gestunken. Direkt neben mir stand ein in schwarz mumifizierter Gruffti der ständig Zwiebelringe in sich reinstopfte und mir verschwörungstechnisch und zwiebelgeschwängt rüberhauchte: „Schlimmer wie auf ne Demo“ oder „Wo verstecken sich die Bullen?“. Ich nickte fleißig, um doch zu wissen, dass kein Mensch und auch kein Polizist noch Platz hätte in diesem überfüllten Abteil. Schräg hinter mir standen zwei Teeniemädchen, schüchternd und ängstlich umklammerten sie ihren grau-braunen Katzenkorb in dem sich eine Katze unruhig hin- und herbewegte, die jedes mal zu Tode erschrak, als ein besoffener Fußball auf den Kasten donnerte und rief: „So, was macht das Muschikätzchen!“. Missmutig wurde diese Szene von einem Älteren Herrn Mitte 50 begutachtet, der den mächtigsten Walroßschnautzer besaß, den ich jemals gesehen hatte. Ich musste mich zusammenreißen um ihn nicht die ganze Zeit anzustarren und mir auszumalen wie gut man sich an diesem Wildwuchs festhalten könnte. Ich könnte jetzt noch weitererzählen von einer strengen älteren Dame aus dem gehobenen Bildungsbürgertum, deren Vorurteile gegenüber der verwahrlosten Jugend an diesem Abend komplett bestätigt wurden oder einem Mann, der etwas verzweifelt, aber doch glücklich in Marburg ankam und wieder ein bisschen mehr über die Menschen seiner Umgebung gelernt hatte.

10 Comments

  1. ich schon.

    man kann nicht reden, wenn man alles differenziert.

    dann muss man seitenweise schreiben und schreiben. das liest keiner. du weist, was ich meine. natürlich bist du ein gesitteter fussballfreund. eben kein fan, für den jeder sieg ein volksfest ist.

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  2. hi toby, ohh man da haste ja was erlebt aber sei getröstet ich habe so was auch schon mal mitgemacht als ich meine freundin und mehrere freunde von mir vom oktoberfest letzes jahr heim fuhren…. da hat sich fast das selbe scenario abgespielt mit dem unterschied dass ich und meine freunde auch schon ein bisschen etwas getrunken hatten, und einige meiner freunde es nicht mehr ausgehalten hatten und das stänkern angefangen haben mit den fussball begeisterten… zum glück ist es glipmflich ausgegangen ohne schlägerei oder sonst was nur ne kleine verbale attacke aber zum glück nix schlimmeres.

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  3. @manni, der gern verallgemeinert: Ja, ich nehme alles zurück, Paulus selbst hat ja schon gerne verallgemeinert, dann bist du in einer guten Tradition…

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  4. Anonymous

    für manche Fußballlfreundin ist es auch ein Fest, wenn ihr Verein mal wieder gewinnt :-)!!

    Aber jemand der Fuball nicht mag wird diese Liebe nie verstehen.
    Ich glaub Tobi, du bist ein wahrer Fan,
    dafür Bedarf es aber kein besoffenes Gegrölle!!

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  5. Anonymous

    du hast einen beeindruckenden sprachstil entwickelt.
    dein post hab ich mit grosser freude und den mir zur verfügung stehenden bildern genossen.

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