„Gehen: oder die Kunst, ein wildes und poetisches Leben zu führen – Eine Anleitung von Tomas Espedal“

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In Norwegen besitzt er Kultstatus, in Deutschland ist er noch ein Geheimtipp: Thomas Espeldal. Der Norweger, der alles hinter sich gelassen hat, um zu gehen. Wegzugehen, der sonst unterdrückten Sehnsucht Raum geben und dem ständigen Erwartungsdruck von Familie, Beruf und sich selbst zu entkommen. Espedal tut es und geht, nur mit dem nötigsten Gepäck, von Norwegen durch Deutschland nach Frankreich und durch Griechenland bis in die Türkei und wieder zurück in die Heimat. Was sich im ersten Moment wie ein Roman für Männer in der Midlifecrises anhört, entwickelt sich auf Grund der wunderbar elementaren Sprache Espedals zu einem wahren Höhentrip und Alternativerzählung zu unserer vollgepackten Konsumgesellschaft. “Im Grunde gibt es gar nicht so viel, was man wirklich benötigt” konstatiert Espedal zu seinem Wegbegleiter und nimmt einen tiefen Schluck Wein aus der Flasche, die nie leer zu werden scheint. Der erste Teil des Buches besteht mehr aus einem Philosophieren über das „Gehen“ selbst, allerhand imaginäre Gesprächspartner wie Kierkegaard, Hölderlin oder Hazlitt kommen zu Wort. Der zweite Teil dagegen wird geprägt durch allerlei skurrile Erlebnisse und Anekdoten, die beim Gehen geschehen. Wunderbar, frisch und elementar. Dabei nehmen die Erfahrungen in Griechenland einen großen Teil ein, die Leserinnen und Leser werden mit hineingenommen in eine hierzulande oft vermisste Ursprünglichkeit des Lebens mit spontaner Gastfreundlichkeit, purer Lebensfreude und vergessener Historizität im Alltäglichen. Ein wohltuendes Kontrastprogramm zu den verzerrten Nachrichten über dieses aktuell geschundene Land.

Tja, was liest man mit „Gehen“? Es ist weder ein klassischer Roman noch eine Autobiographie. Vielleicht trifft es die neuerdings oftmals bemühte Kategorie der ‚essayistischen Romanliteratur’ am Besten. Aber Espedal will mehr, er möchte in das Leben seiner Leserinnen und Leser eingreifen, möchte Veränderung herbeiführen, sie in Bewegung bringen, eben ins Gehen. Und genau das ist auch die Stärke des Buches, es nimmt einen mit und weckt die Sehnsucht nach Freiheit, losgehen und hinter sich lassen. Einfach so, um ein poetisches und wildes Lebens zu führen. Ein größeres Kompliment kann man Literatur kaum machen.

 

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