„Glauben heißt, die Grenzen in vorgreifender Hoffnung überschreiten. Happy Birthday Jürgen Moltmann zum 90.“

Theologie
moltmann

„Ohne die Christuserkenntnis des Glaubens wird die Hoffnung zur Utopie, die sich in leere Luft streckt. Ohne die Hoffnung aber verfällt der Glaube, wird er zum Kleinglauben und endlich zum toten Glauben. Durch den Glauben kommt der Mensch auf die Spur des wahren Lebens, aber allein die Hoffnung erhält ihn auf dieser Spur. So macht der Glaube an Christus die Hoffnung zur Zuversicht. So macht die Hoffnung den Glauben an Christus weit und führt ihn ins Leben hinein. Glauben heißt, die Grenzen in vorgreifender Hoffnung überschreiten, die durch die Auferweckung des Gekreuzigten durchbrochen sind. Bedenken wir das, so kann dieser Glaube nichts mit Weltflucht, Resignation und Ausflucht zu tun haben. In dieser Hoffnung schwebt die Seele nicht aus dem Jammertal in einen imaginären Himmel der Seligen und löst sich auch nicht von der Erde. Sie erkennt in der Auferstehung Christi nicht die Ewigkeit des Himmels, sondern die Zukunft eben der Erde, auf der sein Kreuz steht. Sie erkennt in ihm die Zukunft eben der Menschheit, für die er starb. Darum ist ihr das Kreuz die Hoffnung der Erde. Darum ringt diese Hoffnung um leiblichen Gehorsam, weil sie leibliche Lebendigmachung erwartet. Darum nimmt sie sich in Sanftmut der zerstörten Erde und der geschundenen Menschen an, weil ihr das Erdreich verheißen ist.“

Jürgen Moltmann, aus: „Theologie der Hoffnung“, 15-16.

Heute feiert Jürgen Moltmann seinen 90. Geburtstag und Deutschland und die Welt feiert einen großen Theologen. Einen, der in alle Stille und Bescheidenheit in den letzten Jahren ein neues, weltweites Gehör gefunden hat. Und dies zu recht, denn Moltmann war nicht nur ein großer Theologe, sondern in vielem auch ein Prophet, der seiner Zeit voraus war.

Spätestens seit 1964, in dem Moltmann „Theologie der Hoffnung“ veröffentlicht hat, gilt er als wichtige Stimme im gesellschaftlichen und theologischen Diskurs. Vielen Konservativen war er zu „links“, beschäftigte er sich doch mit dem aufkommenden befreiungstheologischen Theorien und mischte sich immer wieder in politische Dinge ein. Dabei gehört Moltmann zu der kriegsgeprägten Generation, deren Glaube maßgeblich durch die Erfahrungen im Krieg und von der Gefangenschaft in England geprägt war. Bei einem Bombenangriff in Hamburg ist sein Schulfreund ums Leben gekommen und Moltmann überlebte wie durch ein Wunder, dieses Erlebnis hat sein Leben geprägt: „In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Gott geschrien und mein Leben in seine Hände gelegt.“ Diese Gottesbegegnung hatte Auswirkungen, auch in der Gefangenschaft in England, die ihn in eine große Depression trieb, dort entstand sein Lebensthema: Hoffnung. So sagt er über diese Zeit: „Es gab zwei Erfahrungen, die für mich eine Wende zu neuer Lebenshoffnung bedeuteten. Zum einen erlebte ich in dem Lager an der schottischen Küste viele menschenfreundliche Begegnungen mit den einheimischen Arbeitern und ihren Familien. Zum anderen wurden Bibeln verteilt und ich las abends darin. Die Klagepsalmen im Alten Testament sprachen mir aus der Seele. Dann las ich die Passionsgeschichte im Markus-Evangelium und vernahm den Todesschrei Jesu: “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” Ich erfuhr zwar keine Erleuchtung, aber ich spürte die wachsende Gewissheit: Da ist jemand, der dich versteht, der die gleiche Verlassenheit gefühlt hat, in der du jetzt bist! Das brachte mir neuen Lebensmut.“

Und diese Hoffnung, dieser Lebensmut durchzieht sein ganzes Werk und hat auch mich immer wieder herausgefordert, manches ist streitbar, manchem stimme ich nicht zu und manches hat mich nachhaltig geprägt. Themen wie Atomkraft, Umweltschutz oder Armut hat Moltmann angesprochen, theologisch reflektiert und angemahnt, lange bevor sie im gesellschaftlichen Mainstream angekommen sind. Und bei aller Kritik war es immer die Hoffnung des angebrochenen Reich Gottes, die Nächste Woche wird Moltmann in Bremen gefeiert, zurecht und ich möchte danke sagen, danke Jürgen Moltmann für eine leise, aber prophetische Stimme.

 

 

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