Ich war diese Woche in der Arbeitsgruppe Praktische Theologie der AfeT und habe ein paar sehr inspirierende Vorträge und kontroverse Diskussionen miterlebt. Das Thema war Kinder- und Jugendarbeit und vor allem erstes passte sehr gut in viele Gedanken die ich mir gerade mache. Ich habe oft das Gefühl, dass in vielen Gemeinden Kinder als defizitäre Wesen angesehen werden, die in ihr eigenes Programm abgeschoben werden, damit die Erwachsenen so richtig über den Glauben reden können. Natürlich würde das kaum einer so sagen, aber die Praxis ist es oftmals. Die Problematik die dahinter steckt ist aber tiefer: Was ist der Glaube der Kinder wert? Ist für Gott der Glaube der Kinder minderwertig? Kann man Glauben anhand von intellektueller oder moralischer Urteilskraft bewerten? Oder gibt es noch andere Kriterien? Wenn Gott Glauben schenkt, dürfen wir Kindern dann den Glauben absprechen? Wenn der Glaube der Kinder echt ist, warum dürfen sie dann in (freikirchlichen) Gemeinden und Kirchen oftmals nicht am Abendmahl teilnehmen, Mitglieder werden oder sich taufen lassen (ich rede hier nicht von der Säuglingstaufe)? Aus soziologischer Sicht ist ein achtjähriges Kind völlig kompetent und komplett (klar, dass es sich noch entwickelt), aus theologischer nicht?
Diese ekklesiologische Randstellung von Kindern in vielen Gemeinden muss meiner Meinung dringend und konstruktiv angegangen werden. Ich habe selbst noch nicht alle Fragen für mich beantwortet, aber ich möchte mich ihnen in den nächsten Monaten stellen. Die Kinder in unseren Gemeinden haben es verdient. Und die Gottesbilder vieler „Erwachsener“ rufen mir oftmals laut zu, dass diese Fragen schon lang überfällig sind.
Vielleicht ist es ein Anfang, konsequent damit aufzuhören, Dinge F-Ü-R Kinder (und Jugendliche) zu tun, sondern mit ihnen zu gestalten. Ich habe eine konkrete Situation vor Augen, wo man aus tugendhaften Motiven junge Menschen systematisch entmündigt. Da platzt mir dann schon mal der Kragen. Aber ich will lernen, den Menschen die Konsequenzen ihres fehlgeleiteten Handelns vor AUgen zu führen und nicht nur zu meckern.
Ja, ich glaube wir müssen weitgehend umdenken, mit Kindern ist ein guter Ansatz. Kinderzentriert, nicht Programmorientiert ….
Ehrlich gesagt, versteh ich das Problem nicht. Natürlich haben Kinder andere Bedürfnisse als Erwachsene und auf diese sollte die Gemeindearbeit eingehen. Das hat nichts mit Wertigkeit zu tun. Ich glaube nicht, dass Kinder das als “Abschieben” wahrnehmen. Als ich Kind war, gab es nicht immer einen Kindergottesdienst, und ich empfand es als anstrengend im Gottesdienst sitzenbleiben zu müssen.
Also ich versteh nicht ganz, worauf du hinauswillst.
Die Sache mit Taufe und Abendmahl hängt vielleicht mit der gesetzlichen Religionsmündigkeit zusammen (teilweise ab 10J, uneingeschränkt ab 14J)?
http://de.wikipedia.org/wiki/Religionsm%C3%BCndigkeit
Spricht mir aus der Seele. Bin seit längerem ein eifriger Verfechter der Kindertaufe – in diesem Sinn gesprochen …
Die Sache mit der Religionsmündigkeit ist rechtlich nicht unwichtig, aber im Gemeindekontext spielt das zumindest bei “Gemeindekindern” keine große Rolle. Da muss das Gespräch mit den Eltern natürlich laufen. Schwieriger könnte es werden, wenn ich einen 9jährigen gegen den Willen seiner Eltern taufen wollte.
@Thomas:
Natürlich haben Kinder andere Bedürfnisse als Erwachsene, das ist klar. Aber ich glaube Toby geht es mehr um die Tatsache, dass Kinder in und mit ihrem Glauben oft nicht wirklich ernst genommen werden. Was würdest du z. B. denken oder tun, wenn ein gläubiges Kind prophetisch begabt ist? In der Regel tut man das doch als Spinnerei ab bzw. hört nicht darauf – ist ja nur ein Kind…
In den meisten Gemeinden werden auch prophetisch begabte Erwachsene als Spinner abgetan 😉
Prophetie ist ja wieder ein Thema für sich mit Gemeindespaltungspotential.
Grundsätzlich halte ich es durchaus für möglich, dass Gott zu und durch Kinder spricht – vielleicht sogar besser als zu Erwachsenen.
@Thomas: Mir geht es um die Frage wie ernst wir den Glauben von kindern nehmen und was dies für die Gemeindearbeit bedeutet. Es gibt bspw. kaum Glaubenskurse für Kinder, wie viele theologische Ausarbeitungen gibt es über die Glaubensvermittlung der 8 bis 10jährigen? Natürlich spielt Prägung und fromme Sozialisation eine Rolle, ebenso magisches Denken, aber ehrlich wie viele Erwachsene kenne ich, die immer noch ein magisches Gottesverständnis haben. Mir geht es auch nicht darum, dass alle Kinder jetzt in den Gottesdienst der Erwachsenen gehen sollen, sondern dass sie so ernst genommen werden und gefördert werden, wie es für sie richtig ist und da sehe ich, auch in meiner eigenen Arbeit mit Kindern, noch Mängel. In der Kindheit wird das Gottesverständnis und das Grundvertrauen geprägt und wenn ich die massiven Probleme und den hohen Aufwand von Seelsorge etc. im Erwachsenenalter sehe damit umzugehen, frage ich mich, warum wir nicht früher darauf achten.
Amen!
Meine Tochter hat sich mit 5 ( für uns überraschend) bekehrt, mit 9 zur Taufe ( weil freikirche) entscheiden und mit 10 Taufen lassen.
Viele hängt bei von dir kritisierten Freikirchen an den jeweiligen Pastoren und Gemeindeleitungen. mein pastor ist da klasse:)
Denke schon seit Jahren extrem: Kinder brauchen eigene Räume für ihre Mündigkeit, gute, frische Lehre und dann entspannte Begegnungsräume mit den oft so ernüchternden Erwachsenen: praktisch: kindergebetskreise, Glaubenskurse, hauskreise, die dann aber gemeinde mitgestalten.
Haben z#B mit Kindern Teile der gebetsnacht der gemeinde gestaltet.
Ich denke, ein totales Gleichgewicht ist zwischen Erwachsenen und Kindern ist Quark. Aber: Kinder sollen mehr als geistig kompetent erlebt werden, nicht nur bebastelt und betreut!
Dürfen Kinder im Gottesdienst für ihr Meerschweinchen beten lassen? Dürfen sie ihre Eltern mit Kopfweh segnen?
Wer entwickelt gute, fetzige Materialien für Kindergottesdienst, wo Kindern Glauben leben (lernen)?
Buon giorno Tobias,
hätte Luthers Ekklesiologie sich durchgesetzt (3-Weisen-Modell) – vgl.
http://netchurch.wordpress.com/2008/02/26/der-urvater-der-emerging-church-bewegung-martin-luther/
würde man in vielen Kirchen nicht über dieses Thema reden müssen, da a)eine andere kirchl. Konstitution zu verzeichnen wäre und b) Intention/Motivation Konsumgottesdienstbesucher zu sein, wäre nicht gegeben.
Dadurch, dass stattdessen (besonders gegenwärtig) der Semipelagianismus in der Landschaft häufig sozialisiert war/ist, hat man (was div. Überblicksstudien zeigen) durchaus erst ein Konsumtenchristentum installiert.
Wenn eines Tages das Bewusstsein mehr kultiviert ist, selbst Kirche zu sein als in die Kirche zu gehen, werden wir sicherlich mehr (was man ja in div. E-Churches sieht) durchaus mehr Kinder im Gemeindeleben integriert sehen.
Insgesamt brauchen wir aber in Deutschland gesellschaftlich mehr Wertschätzung unserer Kinder.
Noch einen Gedanken wg. der Kinder: In vielen protestantischen Kirchen hat man die Termini teknon/paidion/nepion/pais mehr als auf das Lebensalter und den Lebensstatus leider auf die Lebensweise hin fokussiet und vor allem dies mehr einseitig mit einigen Belegen aus dem paulinischen Schrifttum belegt (jedoch zu häufig nicht kontextuell erfasst und mit negativen Konnotationen behaftet). CP benutzt, so könnte so die Wirkung in unserer Kirchenlandschaft, den Begriff Kind nicht als Vorbild-Metapher, sondern in bestimmten Beziehungen, wie z.B. in 1Cor 14,20, als Paulus die Glossolalen der Korinther als “kindisch” hinstellt. In 1Cor 3,1 nennt er seine Adressaten “Unmündige”, die noch nicht mündig waren für die Vermittlung des Christusgeheimnisses hinsichtl. der Christusoffenbarung. In 1Cor 13,11 stellt er in einem Hapaxlegomenom das Kind dem Mann gegenüber, wonach der Christ die “Gnosis” abstreifen solle, wie der Mann das Wesen des Kindes. Weitere Blstellen wären Eph 4,13f; Gal 4, 1ff; etc.
Aber!!! Im pointiert katechetischen Sprachgebrauch hingegen sieht Paulus m.E. die Gotteskindschaft soteriologisch fundiert und durch die recht verstandene Abrahamskindschaft vermittelt (Gal 3,6ff; Röm 4; 1Cor 10,1ff – vgl. auch Gal 6,12). Aus der Heilstat Christi konstituiert jedoch Paulus die ekklesiologischen, soteriologischen und vor allem auch anthrpologischen Konsequenzen. “Ihr seid alle hyioi theou durch den Glauben in Jesus Christus” (Gal 3,26). Die Annahme an Sohnes Statt in der Taufe schließt die Pneumagabe an die “hyioi” in sich, lässt den Sohn und die Söhne zu Gott stehen in der “Kindlichkeit” des Abba-Vater-Rufens. Gebe noch einiges mehr zu sagen … aber man vergleiche die von Pualus eingesetztes Begriffe wie tekna photos, tekna agapeta .. dann erklärt sich, dass o.g. Einseitigkeit zu CP, nicht berechtigt ist….
Ciao
Giovanni
@pfanny Gut Fragen, denen sich lohnt nachzugehen…
@alexander: Ich war bisher ehrlich gesagt dagegen und bin jetzt gerade neu am Überlegen. Bisher war die Religionsmündigkeit einfach meine Hauptargumentation, aber das ist vielleicht zu einfach, mal sehen…
@giovanni: Ich hoffe, dass sich deine Hoffnung bewahrheitet. 🙂 Ich glaube, dass es Jahre dauert um das Konsumchristentum (bei mir angefangen) zu durchbrechen.
Gute theologische Gedanken, wobei ich denke, dass die Ekklesiologie immer aus der Soteriologie kommen sollte. Wobei sich beides gegenseitig bedingt! 😉
Hallo Tobias,
ich bin durch Zufall auf Deinen Blog gestossen und finde die Diskussion ganz interessant. Ich habe bis Ende 2007 Kindergottesdienst in unserer Gemeinde gestaltet und hatte oft den Eindruck, dass der Kigo als Betreuungsmöglichkeit gesehen wird und nicht als Ort an dem Kinder ihren Glauben leben, erleben und teilen können. Wir sind eine ev. Landeskirche und dort sind Kinder erst mit der Konfirmation zum Abendmahl zu gelassen, obwohl die Einladung lautet: Alle die Jesus lieb haben, ihn suchen oder ihm nachfolgen wollen sind eingeladen. Bei einer solchen Einladung fällt es mir schwer meiner 10j. Tochter zu erklären, warum sie das Abendmahl einnehmen darf (Kinder werden mit Handauflegung gesegnet).
Sorry, natürlich soll es heißen, “warum sie das Abendmahl n i c h t einnehmen darf.
Das “Bild vom Kind” ist von Gemeinde sehr unterschiedlich.
Das geht von Kinder abschieben, damit sie bloß nicht stören, bis zu Mitwirkung in einer Predigt.
Seit einiger Zeit frage ich mich, was bedeutet es, wenn Jesus sagt:
Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Mt 18, 3-5
Auf jedenfall sind Kinder für Gott nicht Minderwertig! Nein, im Gegenteil Jesus stellt sie hier als Beispiel hin!!
Wenn ich mit Kindern spiele, dann lerne ich jedes Mal, was neues. Ich staune immer wieder neu über ihr Vertrauen, natürliche Weisheit und die Gabe hinter die Dinge blicken zu können. Sie sind neugierig, hinterfragen viel, bemerken die Kleinen und wichtigen Dinge, sind ehrlich mit ihren Gefühlen und brauchen Beziehung und wollen alles von der Person die sie mögen wissen. Sie wissen, dass sie Abhängig sind. Sie lernen jeden Tag dazu und sind offen.
Toby ich mag es sehr an der Weisheit deiner beiden Mädels teilhaben zu dürfen und oft hauen sich mich mit ihren tiefen Sätzen einfach um!
Kinder haben es verdient, das man sie ernst nimmt, ihre Fragen beantwortet und sie nicht nur einfach abspeist nach dem Motto “Das ist halt so und jetzt geh und mal ein Bild”!
Gott wirkt durch Kinder und redet in ihre Herzen. So viele Christen haben sich in ihrer Kindzeit bekehrt und sind immer noch dabei!
Gott schenkt Kindern soviel Weisheit und ich denke, dass sich die Gemeinden da sehr viel Segen entgehen lassen.
Warum nicht mal eine Predigt zusammen mit Kindern vorbereiten? Warum sich nicht mal ehrlich mit den Fragen der Kinder beschäftigen, statt das Programm durch zuziehen? Die Idee mit dem Glaubenskurs finde ich sehr interessant!
Ich bin GHS-Lehrer und habe mich in meinem Studium etwas mit dem religionspädagogischen Ansatz des „Theologisierens mit Kindern“ befasst.
In meiner Unterrichtspraxis erlebe ich immer wieder, dass meine Schüler viel weiter denken und tiefer verstehen als ich es für möglich hielt. Wenn ich es schaffe theologischen Fragestellungen mit ihrer Erlebenswelt in Berührung zu bringen, sie zum eigenen Denken herauszufordern und zu ermutigen und ihnen einen sicheren Rahmen ermögliche, in dem es keine dummen Fragen oder Antworten gibt, kommen die Kinder oft auf Deutungen, die meinen eigenen Glauben herausfordern und mir ganz neue Blickwinkel aufzeigen.
Mich begeistert das immer wieder.
In meiner Gemeinde werden wir uns in den nächsten Jahren auch immer mehr damit beschäftigen müssen, wie wir unseren Kinder mit ihren Fragen, Erfahrungen und Antworten Raum schaffen, in dem sich ihr Glaube entwickeln kann. Von einem konstruktivistischen Ansatz her, konstruieren sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen ihr Weltbild aus Mosaikstücken zusammen, bis wir Gott eines Tages „von Angesicht zu Angesicht“ sehen werden.
Ich vermute, dass wir sowohl „Räume“ brauchen, in denen alle Altersgruppen voneinander lernen und sich an ihren Erfahrungen und Gedanken teilhaben lassen, als auch „Räume“, in denen die Altersgruppen unter sich sind und sich mit für sie interessanten Themen befassen.
Wegen der theologischen Sicht:
Es ist halt schwer, weil die Bibel m.E. nicht so viel dazu sagt.
Im AT geht Katechesa ja oft über Feste (vgl. Passah auch in heutiger Zeit). Im NT gibt halt die Szene, dass Jesus die Kinder ganz gezielt zu sich kommen lässt und so. Bei Paulus werden sie durch die Eltern geheiligt. Daher weiß ich nicht, ob man theologisch so viel dazu sagen kann.
Und “soziologisch” erzieht jede Gesellschaft nach ihren Prinzipien. Aber ich weiß nicht, ob es da überhaupt ein “so muss es sein” gibt.
@jana: Danke. Und mit den Predigten mache ich das manchmal sogar, dass ich versuche den Kinder was zu erklären. Wenn ich es nicht schaffe so zu erklären, dass sie es verstehen, verstehen es die Erwachsenen auch nicht. Das gilt sich ernicht für alles, aber für manches… 🙂
@manuel: Dein Wort in der Gemeinden Ohr! 🙂
Ehrlich, ich glaube, dass gerade solche Begegnungsräumen vieles von unserer individualistischen und konsumerfreundlichen Art der Gottesdienste nehmen würde. Ich erlebe das in unserer “Chaoskirche” wo wir ganz bewusst mit den Kinder Gottesdienst feiern. Ein Lernfeld, in jeder Beziehung.
@anonym: Ich weiß nicht, es ghet hier ja nicht nur um einzelne Stellen, sondern um die ganze Sichtweise, wie Gott uns Menschen sieht (Anthropologie) und wie er usn rettet. Was ist Glaube und wie bekommen wir ihn, ganz unabhängig von Alter, Geschlecht oder Rasse. Wie wir ihn dann leben, dies mag kulturell etc. abhängig sein, da gebe ich dir absolut recht!
@Toby
Naja, ich denke, man kann Glauben nicht trennen von Alter, Kultur und so. Im Zweifelsfall endet man wieder bei der Diskussion, ob Glaube ein Geschenk ist, ob man was dafür machen muss, wenn ja, was? usw.
Ich denke, dass es gut ist, wenn Kinder viel von ihren Eltern und anderen Erwachsenen übernehmen. Das können und müssen sie später prüfen und ändern.
Naja und ohne Stellen, keine theologische Anthropologie. =)
@anonym: Amen, unser Glauben ist niemals von der Kultur zu trennen udn trotzdem kann er Geschenk sein! 🙂
sehr guter Kommentar