„Das Schönste an dir ist deine Widersprüchlichkeit“

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Auf dem Kirchentag habe ich ihn leider verpasst, aber jetzt lese ich gerade als „Stille-Zeit-Lektüre“ das neue Buch von Fulbert Steffensky, dem großen alten und weisen Mann der Ökumene, den ich nie traf und der mich doch durch seine Bücher prägte und mich immer wieder neu ins Nachdenken bringt. Jetzt also „Heimathöhle Religion. Ein Gastrecht für widersprüchliche Gedanken“ und gleich das erste Kapitel ist wundervoll, eine kleine und feine Hommage auf seine verstorbene Frau Dorothee Sölle. 34 Jahre waren sie verheiratet und Steffensky schreibt über seine Frau voller Würde und lässt sie durch ihre Gedichte und Tagebucheinträge dabei immer wieder selbst zu Wort kommen. Und er schreibt über das, was er an ihr am meisten liebte, ihre Widersprüchlichkeit:

„Die einen sagen, sie hätte das Evangelium instrumentalisiert zu politischen Zwecken. Die anderen haben ihrer Mystik und Frömmigkeit misstraut und sie für zu unpolitisch gehalten. Dorothee Sölle konnte weder von den Frommen noch von den Politischen, weder von den Konservativen noch von den Aufklärern ganz eingefangen werden. Sie erlaubte sich, die jeweils ganz andere zu sein – den Frommen die Politische, den Politischen die Fromme, den Bischöfen die Kirchenstörerin und den Entkirchlichten die Kirchenliebende. Das hat viele irritiert. Peter Bichsel hat einmal geschrieben: „Der Satz, der mich in meinem Leben am tiefsten betroffen gemacht hat, ist der Satz von Dorothee Sölle: ‚Christ sein bedeutet das Recht, ein anderer zu werden.’ Sie hat sich das Recht herausgenommen, eine andere zu sein als die Vermutete. Ich habe oft zu ihr gesagt: Das Schönste an dir ist deine Widersprüchlichkeit.“

In Zeiten der gesellschaftlichen Umbrüche, der aufbrechenden Kategorien und den daraus entwickelten Unsicherheiten, brauchen wir Menschen wie Dorothee Sölle, die mutig ein anderer werden. In Zeiten, wo sich an den pluralistischen Rändern die Extreme ausbreiten, die nur noch ihre eigene Meinung kennen, brauchen wir Menschen, die sich in andere hineinversetzen und die eigenen und fremden Abgrenzungen überwinden. Und es braucht Menschen wie Fulbert Steffensky, die diese Menschen aushalten und lieben und verstehen und darüber wunderbar schreiben können.

2 Comments

  1. Johannes

    Hmmmm…… da regt sich bei mir einiges an Widerspruch. Ist das nicht schön? 😉

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