“Heimkommen – wo immer das auch ist. Gedanken über den Zusammenhang von Flucht, Asyl und Weihnachten.”

Theologie

 

Schon alles für Weihnachten vorbereitet? Weihnachtsbaum, Geschenke und natürlich die handgeschnitzten Krippenfiguren aus Ölbaumholz? Ja, zu Weihnachten muss alles stimmen und der emotionale Edeka Werbespot mit der vorgetäuschten Todesanzeige des alten, einsamen Mannes hat uns auch moralisch darauf eingestimmt, dass es wichtig ist, heim zu kommen und Weihnachten mit seinen Liebsten zu verbringen. Alles gut?

Naja, fast, gerade an Weihnachten suchen wir die Sicherheit in einer Zeit, in der nichts sicher scheint. Da ist Vieles an Krieg und Terror in einer globalen Welt, das uns täglich ins Wohnzimmer gerät, was verunsichert. Und dann sind da noch die vielen Geflüchteten, die irgendwie so gar nicht in unsere heimelige Weihnachtsromantik passen. So gar nicht? Vielleicht passen sie gerade besonders gut zu Weihnachten. Ok, nicht in unsere beschauliche Weihnachtsromantik, aber schauen wir uns mal die Flüchtlingsroute der Flüchtenden an. Sie führt zum Beispiel von Ostafrika über Kairo nach Alexandria und von dort über das Mittelmeer nach Griechenland. Die Alternative auf dem Festland geht über Amman in die Türkei und dann wieder das letzte kurze Stück über das Mittelmeer zu den griechischen Inseln Lesbos oder Kos nach Europa. Mitten auf dieser Flüchtlingsroute, zwischen dem heutigen Syrien und Ägypten, liegt damals wie heute Israel. Wenn wir 2000 Jahre zurückgehen, dann war da eine junge Familie auf der Flucht, die Eltern nicht viel älter als Teenager und noch dazu, fest verpackt, ein neugeborenes Baby. Sie befanden sich auf der Flucht vor einer Art Diktator, der die Hinrichtung aller Jungen unter zwei Jahren in der Provinz Galiläa befahl. Klar, wir wissen es, die junge Familie ist Maria, Josef und das kleine Jesuskind, die sich auf der Flucht vor eben diesem Herodes nach Ägypten befanden, wo sie erst einmal untergetaucht sind. Der Weg war beschwerlich und unsicher und so ganz frei von Weihnachtsromantik. Vielleicht musste Josef der jungen Mutter immer mal wieder leise sagen: Wir schaffen das.

Das ist keine Ausnahmegeschichte, sondern eher typisch und konsequent, dass Gott auch bei seinem eigenen Sohn durch Flucht und Verfolgung handelt, denn die Bibel ist voll von Menschen, die Heimat suchten. Ja, eigentlich müsste man sagen, dass die ganze Bibel ein Buch von Flüchtlingen und Vertriebenen ist. Schon ganz am Anfang ging es mit dem Verlust des Paradieses los und Adam und Eva und ihre Kinder können als erste Migranten bezeichnet werden, nach dem Motto aus 1. Mose 4,12, das vieles zusammenfasst: „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden!“ Und so ging es dann weiter: Abraham zog als Nomade ein Leben lang umher, bevor er zum Stammvater des Volkes Israel wurde. Mose, der spätere Führer des Volkes, war auf der Flucht, weil er wegen Mordes gesucht wurde, und führte später das ganze Volk als Flüchtlinge aus Ägypten heraus, woran sich das Volk Israel bis heute mit dem Laubhüttenfest erinnert. Nach dieser Flucht irrte das Volk 40 Jahre in der Wüste umher, bis es endlich Heimat fand. Aber auch danach war die Geschichte Israels geprägt von Flucht, Vertreibung und Exil sowie von Sehnsucht nach Identität und Heimat. Vielleicht hat Gott ihnen aufs Herz gelegt und in Gebote geschrieben, dass Fremde und Migranten unter einem besonderen Schutz stehen (2. Mose 23,1-9; Jesaja 58,1-12; Sacharja 7,1-14; Maleachi 3,1-5), weil das Volk Israel das selbst so erlebt hat.

Mit Jesus wurde dies nicht anders, wie wir gehört haben. Er immigrierte in diese Welt hinein und lebte mit seinen Eltern eine gewisse Zeit als Migrant in Ägypten, bevor sie zusammen ins von den Römern besetzte Heimatland zurück konnten. Später zog er in guter jüdischer Tradition drei Jahre ohne festen Wohnsitz umher, lebte und lehrte die gute Nachricht vom Reich Gottes und teilte sein Leben mit seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Diese trugen das Evangelium dann nach ihm weit in die damalige Welt hinaus, teils freiwillig, teils durch Verfolgung erzwungen. Der Lohn dieser Nachfolge geht über das Irdische hinaus und zeigt uns, dass alles Leben auf der Erde nur das Vorletzte ist.

Auch bei den ersten christlichen Gemeindegründungen war dies nicht anders. Die ersten christlichen Missionare waren auf der Flucht, wurden verfolgt und haben sich erst dadurch bis nach Kleinasien und Europa ausgebreitet (Apostelgeschichte 8,1-4). Aus einer Gruppe von Flüchtlingen wurde die Keimzelle einer weltweiten Ausbreitung des Evangeliums, in deren Tradition wir heute stehen. Später wurden diese Migrationsgemeinden im Römischen Reich vom Apostel Paulus besucht.

Und heute? Immer noch dasselbe Evangelium und immer noch gedenken wir der Geburt Jesu, nennen es Weihnachten und feiern es mit Weihnachtsbaum, Geschenken und Krippenfiguren. Vielen von uns geht es dabei sehr gut und dafür können und dürfen wir dankbar sein. Aber über all dieser Dankbarkeit sollen wir nicht vergessen, dass viele Millionen Menschen gerade heute auf der Flucht sind, alles verloren haben und sich verzweifelt und mit letzter Kraft zuflüstern: Wir schaffen das. Denn Heimat bedeutet in der Bibel nicht ideal, nicht perfekt, sondern unterwegs sein eher Zelt als Gemeindehaus. Und Gemeinde ist eher Notbehelf statt sicherer Heimat. Und genau darin besteht die Hoffnung, in diesem Übergang, in aller Unvollkommenheit, im gemeinsamen unterwegs sein. Darin liegt ein göttliches Geheimnis, das uns verheißt, dass wir durch teilen mehr bekommen, nicht unbedingt mehr Geld oder Güter, sondern mehr Vertrauen und Geborgenheit und Angenommen-Sein. Und dann werden wir endlich ankommen und Heimat finden in einer Zeit, in der nichts sicher scheint.

Diese Gedanken sind online bei bibletunes hörbar: “Merry Christmas Podcast”.

 

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