„Kinder brauchen die Liebe Gottes – ohne ‚aber’. Bericht vom Symposium zu christlichen Familie“

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Ohne Frage, in Zeichen des religiösen Traditionsabbruchs rückt die christliche Familie wieder neu in den Fokus von Kirchen und Gemeinden. Hat sie in den letzten Jahrzehnten eine eher untergeordnete Rolle gespielt, so entdeckt man nun, welchen Schatz man da eigentlich in den eigenen Reihen hat. Deshalb kommt die Studie „Zwischen Furcht & Freiheit. Das Dilemma der christlichen Erziehung“ gerade Recht, um eine inhaltliche Diskussion zu führen. Ein Beitrag war das am Samstag stattfindenden Symposium. Vor “ausverkauften” Haus wurden nicht nur die wichtigsten Ergebnisse der Studie vorgestellt, sondern diese auch von Expertinnen und Experten kommentiert und von den Teilnehmer*innen diskutiert wurden.

Schweitzer: Jedes Kind hat ein Recht auf eine Glaubenserziehung

So unterschiedliche die beiden Kommentatoren der Studie auch waren, so einig waren sie sich in ihrer Hauptaussage: Kinder brauchen die uneingeschränkte Liebe und Wertschätzung der Eltern und in der Glaubenserziehung von Gott und zwar ohne „aber“. Der Theologe Prof. Dr. Friedrich Schweitzer, ohne Zweifel zu den wichtigsten und bekanntesten Religionspädagogen Deutschlands, hat die Ergebnisse wissenschaftlich eingeordnet und religionspädagogisch kommentiert. Er stellte die besondere Zusammensetzung der Teilnehmenden an der Studie heraus und betonte den hohen Anteil an evangelischen freikirchlichen Teilnehmern (47%; ) und stellte fest, dass die Studie nicht auf den Protestantismus insgesamt zu übertragen sei, sondern den „hochreligiösen“ evangelischen Teil (37% Ev. Kirche, 12% Gemeinschaftsbewegung). Dies sei, so Schweitzer, Stärke und Schwäche der Studie zugleich. So sagte Schweitzer: „Ganz offenbar gehört die Familie zu den Bereichen, die besonders schwer zu erforschen sind. Gerade deshalb ist diese Forschung bemerkenswert und besonders zu begrüßen.“ Schweitzer lobte den Mut auch die Problematik von Strafen und Gewalt in der Studie zu behandeln. Es ist gut, dass die Studie auch heiklen Fragen nicht ausweicht, so Schweitzer, der feststellte, dass immerhin eine insgesamt abnehmende Tendenz zu beobachten sei. Gleichzeitig wird aber auch festgehalten, dass in einem Teil der freikirchlichen Elternschaft nach wie vor an körperlichen Strafen nicht nur faktisch festgehalten wird, sondern dass daran auch aus – vermeintlich – christlicher Überzeugung heraus gehandelt wird. Dies sei aber aus biblisch-theologischer Sicht definitiv abzulehnen. Kritisch merkte Schweitzer an, dass eine gesamtevangelische Perspektive interessant wäre, sowie eine Befragung aus Sicht der Kinder, da die Erwachsenensicht immer einseitig das Erziehungsgeschehen wiedergebe. Zum Schluss unterstrich Schweitzer die Notwendigkeit der Glaubenserziehung. Religiöse Erziehung sollte nicht nur als Anspruch der Eltern verstanden werden, sondern ganz von den Kindern her, dem Kind in der Mitte, wie Jesus es im Markus-Evangelium (Kap. 9) beschreibt. So schloss Schweitzer mit der Feststellung: „Wer einem solchen Kind dient, der dient mir; und wer mir dient, dient nicht mir, sondern dem, der mich gesandt hat – Gott selbst!“ Denn, so Schweitzer, jedes Kind hat ein Recht auf Religion.

Hebel: Die christliche Doppelbotschaft des „aber“ schadet Kindern

Der Theologe und Gründer der Blu:Boks in Berlin Lichtenberg betonte in seinem Vortrag Wichtigkeit der Wertschätzung und Anerkennung als Grundlage aller Erziehung. Das „Dilemma“ in der Glaubenserziehung entstehe vor allem durch das „aber“, so Hebel. Es sei eine ambivalente Botschaft, die Kindern oftmals gegeben wird, Gott liebe sie bedingungslos, aber sie seien Sünder und gehen verloren. Diese Doppelbotschaft sei schädlich für die Entwicklung der Kinder und Hebel rief dazu auf, auf das „aber“ in der Glaubenserziehung zu verzichten: Gott liebe Kinder bedingungslos. Punkt. Und Hebel erklärte auch, wie dies praktisch bei ihrer Arbeit in der Blu:Boks aussehe, in einem Viertel, in dem es wenig Hoffnung für Kinder gebe und sie das Ziel haben Kinder stark zu machen und das kreative Potenzial von Kindern und Jugendlichen, um ihr Selbstwertgefühl zu entwickeln und zu stärken. Weil Gott jedes ihrer Kinder bedingungslos liebe, nehmen sie auch jedes Kind bedingungslos an und so würde kein Kind rausgeschmissen werden, ganz egal was es mache. Nur Liebe und Wertschätzung haben eine transformierende Kraft und Torsten Hebel forderte die Teilnehmenden auf, dass sie Familie genau zu solchen Orten machen.

Workshops: Wir brauchen „Räume“ um über Glaubenserziehung zu reden

Am Nachmittag wurde in sechs verschiedenen Workshops zum einen das gehörte vertieft und zum anderen in die Praxis im Kontext von Familie und Gemeinde übertragen. So wurde unter der Leitung der Diplom-Psychologin Katharina Brudereck über Sexualpädagogik in der christlichen Familie diskutiert oder wie man Kinder gesunde Grenzen setzt. Es wurde viel diskutiert, über die Ergebnisse, aber auch über die Kommentare von Schweitzer und Hebel. Alexander Pollhans aus Freiburg kam für sich zu dem Schluss: „Die Antwort des Dilemmas der christlichen Erziehung ist nicht in der Pädagogik zu finden, sondern in der Theologie.“ Während Katharina Kümmel aus Fulda ermutigt für die eigene Erziehung feststellte: „Das Symposium hat mich erneut darin bestärkt, Wertschätzung und Anerkennung im Zentrum meiner Erziehung (als Mutter und Erzieherin) gegenüber den Kindern zu pflegen und einen Raum für Diversität zu schaffen.“ Abgeschlossen wurde der Tag mit einer Podiumsdiskussion, in der es zum einen darum ging, was dies jetzt für die Kirchen und Gemeinden bedeutet und zum anderen für die Familien selbst. Viel zu lange wurde die Familie nur als apologetische Speerspitze frommer und politischer Diskussionen vorgeschoben, aber wie es in christlichen Familien aussieht, was sie brauchen, das hat fast niemanden interessiert! Das muss sich meiner Meinung nach dringend ändern. Zum einen die unangenehmen Themen ansprechen, wie das Thema Gewalt in der Erziehung (und wer denkt, dass dies kein Thema ist, der sollte mal bei Facebook, die Kommentare bei einigen Berichten über das Symposium lesen) und zum anderen sollten wir die Familie mehr feiern! Denn es ist ein wichtiger Ort der Sicherheit und Prägung in einer sich wandelnden Gesellschaft und die Studie zeigt, dass für einen Großteil der Eltern die christliche Erziehung ein Ort voller Wärme, Hingabe und Wertschätzung ist.

 

Bericht vom Symposium:

Links  rund um das Buch:

das Buch

Themenseite

Erziehungstest: Welcher Erziehungstyp bist du?

Forschungsbericht zur Studie, für alle die an dem wissenschaftlichen Vorgehen interessiert sind

Weitere Hinweise auf die Studie und das Buch:

Eine ausführliche Rezension zum Buch gibt es hier:

Ein vertiefendes Interview hier:

Die Ergebnisse kurz & knapp im Radiointerview:

Bericht der Hessische/Niedersächsische Allgemeine:

Rezension bei evangelisch.de

8 Comments

  1. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann geht es Torsten Hebel hier nicht um die Veränderungen von biblischen Geschichten, sondern um ein pädagogisches Prinzip. Dieses Prinzip hängt aber anthropologisch an der Frage, welches Bild habe ich vom Kind. Und hier sagt er, dass es zunächst darum geht, das Kind uneingeschränkt zu lieben – ohne wenn und aber…..

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    • Naja, der Satz “Hebel rief dazu auf, auf das „aber“ in der Glaubenserziehung zu verzichten” klingt für mich schon aber nach der “Veränderungen von biblischen Geschichten”.
      Für mich gehört zur “Glaubenserziehung” halt auch die Vermittlung der biblischen Inhalte. Vielleicht werden auch zwei Dinge zusammengeworfen, die im Vortrag getrennt waren – das weiß ich ja nicht, habe den Vortrag nicht live gehört.

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      • ja, klar gehören biblische Inhalte zu einer christlichen Erziehung, aber zwei Dinge scheinen mir zumindest wichtig: a) eine altersgerechte Glaubenserziehung und b) die Haltung in der erzogen wird und an diesem Punkt hat Torsten Hebel angesetzt (und Schweitzer auch), dass hier die Liebe und Wertschätzung an erster Stelle stehen sollte….

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  2. Holger Lahayne

    “Es sei eine ambivalente Botschaft, die Kindern oftmals gegeben wird, Gott liebe sie bedingungslos, aber sie seien Sünder und gehen verloren. Diese Doppelbotschaft sei schädlich für die Entwicklung der Kinder und Hebel rief dazu auf, auf das „aber“ in der Glaubenserziehung zu verzichten”. Sind Kinder Sünder und gehen verloren? Wenn man daran festhält, dann gibt es eigentlich keinen Grund, auf die Rede darüber ganz zu verzichten. Torsten sollte sich endlich klar zum Universalismus oder was auch immer bekennen. Dann würde aber eben auch deutlich werden, dass er auf einem anderen Dampfer unterwegs ist.

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    • Ja, ich kenne deine “Fehde” mit Torsten, aber lassen wir diese mal weg, dann hast du deinen fünfjährigen Kindern auch nicht gesagt, dass sie Sünder sind und ewig verloren sind, oder? Damit würde ja ein unglaublicher Druck aufgebaut, der meines Erachtens dem Evangelium nicht entspricht. Das Evangelium besteht auch nicht nur aus dem gesprochenen Wort, sondern speist sich in der Erziehung gerade auch aus der Haltung der Eltern heraus und den entwicklungspsychologischen Bedingungen, oder?

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  3. Bei mir hinterlässt die “Aber”-Nummer aber viele Fragen. Denn natürlich schaue ich meine Tochter mit den liebenden Augen eines Vaters an. Aber – und hier brechen sich Realitäten mit einen kleinem Wörtchen die Bahn – weiß ich, dass sie auch immer Mensch ist und bleibt. Es wird mir schwer bis unmöglich fallen, in all den Jahren, die noch vor mir liegen mit ihr, diese Komponente komplett auszublenden. Spätestens Kar-Freitag oder beim der Erklärung des Abendmahls usw. wird sich das “aber” Stück für Stück die Bahn brechen. Und letztlich, so hoffe ich, erschließt sie es selbst.

    Ich weiß nicht, ob ich Herrn Hebel einfach falsch verstehe. Aber das christliche Menschenbild, dass beide Elemente des Menschseins (geliebter Sünder) benennt, wird sich auch pädagogisch nicht aufgeben lassen.

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    • ja, ich finde das auch nicht einfach. Im Kontext der Studie, auf die sich Herr Hebel bezogen hat, ging es um die Furcht der Eltern, dass sie in der Glaubenserziehung was falsch machen und ihr Kind verloren geht. Seine Antwort war: Gott liebt das Kind und die Eltern sollten es auch tun. Auf dieser Grundlage entsteht Bindung, Wertschätzung etc., wenn das Kind älter wird (siehe mein Kommentar oben) können die unterschiedlichen theologischen Fragen diskutiert werden. Und dann müssten wir auch mal klären, was jeder von uns unter “Sünder” etc. versteht…. 😉

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