„Tochter Zion“ als politisches Statement für Frieden singen.

Kultur & Glaube

Heute ist der erste Advent und natürlich haben wir im Gottesdienst „Tochter Zion“ gesungen, vielleicht das bekannteste Adventslied in Deutschland. Aber dieses Lied setzt mit seiner einzigartigen Geschichte und seinem herausfordernden Text ein starkes politisches Statement für Frieden in unruhigen Zeiten. Ursprünglich von Georg Friedrich Händel (1747) in Anlehnung an den jüdischen Freiheitskämpfer als Oratorium ‚Judas Maccabaeus’ komponiert und als kriegerisches Siegeslied „See, the Conqu’ring hero comes“ („Seht, er kommt mit Preis gekrönt“) getextet. Dieses Siegeslied wurde dann vor allem vom britischen Thron aufgenommen und wird als patriotischer Gesang bis heute gern gesungen (zum Beispiel jährlich auf der ‚Last Night of the Proms’).

1826 dichtete der evangelische Theologe Friedrich Heinrich Ranke (von dem übrigens auch das Weihnachtslied “Herbei, o ihr Gläubigen” stammt) den Text nach Sachaja 9,9+10 um:

Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

So entstand aus dem Sieges- und Kriegslied ein Friedenslied, aus einem Triumphalismus ein Gerechter und ein Helfer, aus Siegern und Besiegten ein Friedensstifter für alle Völker. Was ein Statement in einer Zeit von fast 50 kriegerischen Konflikten, verbaler Aufrüstung und triumphalistischen Gebärden. Es spiegelt dabei die Geschichte Gottes mit den Menschen wider, die sich in der Bibel besonders durch die Kleinen, Ohnmächtigen, Benachteiligten und Armen zeigt. Es gibt keinen Triumphalismus, dies zeigt sich schon bei der Erwählung des Volkes Israel als Licht für die übrigen Völker. Gott hat das Geringste und Kleinste ausgesucht um mit ihm Geschichte zu schreiben (5Mo 7,6-8) und hat durch den Kreuzestod Christi die Machtmaßstäbe dieser Welt auf den Kopf gestellt, indem er den Gewaltlosen gewaltsam am Kreuz sterben ließ und dadurch die Mächte und Gewalten durchbrochen hat. Gott schreibt seine Geschichte immer wieder vom Rand der Gesellschaft und vom Rand der Macht her. So ist es kein Wunder, dass Lied „Tochter Zion“ im Dritten Reich verboten wurde.

 

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst.

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!

Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

Sieh! er kömmt demüthiglich

Reitet auf dem Eselein,

Tochter Zion freue dich!

Hol ihn jubelnd zu dir ein.

Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Ewig steht dein Friedensthron, du des ewgen Vaters Kind.

Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

 

Inspiriert durch die heutige Predigt von Sabine Kalthoff.

1 Comment

  1. Ich fand immer, dass der Text gegenüber der Musik bei Tochter Zion sehr abfällt. Bei der vorgeschlagenen Alternativversion verstehe ich noch nicht einmal, wie ich sie eigentlich singen soll. Außerdem will sie nicht so richtig zum triumphalen Gestus der Musik passen. Also ich bleibe lieber beim Blechbläsersatz.

    Dass die Nazis das Lied verboten haben, beruht, glaube ich, nicht auf einer Erklärung mit irgendwie theologischem Hintergrund sondern schlicht auf der Titelzeile. Eine sich freuende, gar triumphierende Tochter Zion, das ging mal gleich gar nicht.

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