„Weite(r) sehen – Evangelische Kirche verändert sich.“ Mein Bericht von der 12. EKD Synode 2018

Theologie

Als Teil des Vorbereitungsteams zum Schwerpunktthema „Glaube junger Menschen“ habe ich dieses Jahr an der EKD-Synode in Würzburg teilgenommen. Es waren prall gefüllte und sehr spannende Tage, was an zweierlei Dingen lag. Zum einen an der angespannten Lage der Gesamtkirche, die nach zwölf Jahren „Kirche der Freiheit“ um einen neuen inhaltlichen Kurs ringt und zum anderen an den drei herausfordernden, ja existenziellen Schwerpunktthemen: Jugend, sexualisierte Gewalt und Digitalisierung.

 

Mit Christus voran: Ermutigend Glauben leben und gestalten

Auffallend durch die ganze Synode war die inhaltliche Rückbindung an Christus als gemeinsame Basis und Ausrichtung bei allem Tun. Dies wurde gleich zu Beginn im Ratsbericht deutlich, in dem der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm programmatisch sagte:

“Jesus Christus in den Hintergrund zu rücken, um relevant zu sein oder eine bestimmte institutionelle Form von Kirche zu sichern, ist der falsche Weg. Denn die Kirche lebt aus seiner Kraft.”

Neben all den vielfachen Aufgaben, die die EKD zu bewältigen hat, betonte Bedford-Strohm immer wieder die Perspektiven der Hoffnung und skizzierte wie er mutig seine Kirche in die Zukunft führen will. Auffällig, dass er dabei nicht nur die EKD im Blick hat, sondern alle Christinnen und Christen:

“Deswegen lasst uns über die unterschiedlichen Frömmigkeitsstile hinweg voneinander lernen. Wir sollten uns in unserem je eigenen Denken und Fühlen produktiv verunsichern lassen. Von den Charismatikern können wir lernen, wie Geisterfahrung durch BeGeisterung möglich wird. Von den Evangelikalen können wir lernen, dass für Christen immer Christus im Zentrum stehen muss. Von den nachdenklich Aufgeklärten können wir lernen, dass der Glaube da seine tiefsten Wurzeln findet, wo er durch die kritische Infragestellung gegangen ist und gerade in seiner Weiterentwicklung standgehalten hat. Von den in der Welt Engagierten können wir lernen, dass die frommen Lieder zum Geplärr und die Gebete zum Geschwätz werden, wenn der Glaube ohne Liebe und ohne Hinwendung zum Nächsten bleibt. Und von den Mystikern können wir lernen, dass das Engagement für die Welt seine Kraft verliert, wenn es sich nicht immer wieder nährt aus den geistlichen Lebensquellen Gottes.”

Hier der Ratsbericht zum Nachlesen.

Diese Haltung zog sich durch viele Themen und Diskussionen und wurde am Ende der Synode mit einer Art „Selbstverpflichtung“ für alle evangelische Christinnen und Christen einstimmig beschlossen:

„Als evangelische Christinnen und Christen verstehen wir unseren Glauben als Herzensangelegenheit und möchten ihn in dieser Form leben und gestalten. Aus diesem Verständnis heraus vertrauen wir darauf, dass der Heilige Geist uns und unsere Kirche bewegt und verändert. Wir wollen von unserem Glauben öffentlich erzählen, ihn bezeugen und das Evangelium voller Freude kommunizieren. Wir wollen allen auf Augenhöhe begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Dafür müssen wir einander mit unseren jeweiligen Anliegen ernst nehmen. Auf diese Weise eröffnen wir Räume, in denen Glaube und Spiritualität erlebt werden können. Generationenübergreifend stellen wir fest: wir wollen Kirche verändern!“

Ein wirklich starkes inhaltliches Zeichen. Überhaupt schwang das Thema Mission an vielen Stellen mit, ebenso die Forderung dem Heiligen Geist wieder mehr zutrauen. Um mich nicht falsch zu verstehen – Die Synode war kein Pfingstereignis, aber sie war inhaltlich und geistlich erstaunlich dicht.

 

Jugend will die Kirche verändern

Das erste Schwerpunktthema war der Glaube junger Menschen (18 bis 26 Jahre). Dazu gab es als Auftakt am Sonntagabend eine Podiumsdiskussion mit acht jungen Erwachsenen aus ganz verschiedenen evangelischen Bereichen, außerdem Musik von Johannes Falk und eine Begegnung mit 60 jungen Erwachsenen aus Würzburg. Ziel war es, Begegnungsräume zwischen Synodalen und jungen Erwachsenen zu schaffen, um über den eigenen Glauben und die Kirche ins Gespräch zu kommen. Der Montag war dann eher klassisch geprägt. Nach einer Bibelandacht (Joh 16,21, Wieder-sehen) der EKD-Jugenddelegierten wurden zehn Thesen vorgestellt, die wir als Vorbereitungsteam (inkl. der EKD-Jugenddelegierten) ausgearbeitet hatten und die dann am Nachmittag mit den Synodalen diskutiert wurden. Dazwischen gab es drei Impulsreferate über die Altersgruppe und eine engagierte Aussprache, wie junge Erwachsene und Kirche in Zukunft vermehrt zusammenkommen sollen.

(Hier die Impulsreferate von Dr. habil. Anna-Katharina Lienau, Ulrich Schneekloth und Prof. Dr. Gerhard Wegner)

Hier wurde deutlich, wie schwer sich Kirche mit jungen Menschen tut. Auf der einen Seite wurde von einigen Synodalen kritisiert, dass nur „kirchliche junge Erwachsene“ zu den Begegnungen gekommen sind und auf der anderen Seite wurden die Bedürfnisse der jugendlichen Gäste nach einer Öffnung der Gottesdienste, neuerem Liedgut oder mehr eigenen Beteiligungsformen nur schwerlich aufgenommen. Trotzdem war es ein wichtiger und guter Tag, der auch einiges an konkreten Veränderungen mit sich brachte. Denn aus den Diskussionen des Themas und der zehn Thesen wurden sechs Themenbereiche ausgearbeitet, die ausgearbeitet und von der Synode angenommen und zur Umsetzung verabschiedet wurde. Hier sind sie zu finden. Exemplarisch möchte ich den fünften Themenbereich anführen, der auch für viele Diskussionen gesorgt hat, da er das Kirchenverständnis verändern wird:

Vielfalt kirchlicher Orte und Zugehörigkeit: Unsere Gesellschaft und vor allem die Lebensphase junger Erwachsener ist durch eine hohe Mobilität und Flexibilität in Alltag, Ausbildung, Studium und Arbeit gekennzeichnet. Dies wirkt sich auch auf das Verhältnis zur Kirche und die Frage nach der Kirchenzugehörigkeit aus.

  • Wir wollen Gestaltungsräume öffnen, in denen junge Erwachsene ihre eigenen Vorstellungen einbringen können, damit Glaube in der jeweiligen Ausdrucksform (Sprache, Musik, Verkündigung, etc.) gelebt werden kann. Dazu gehört auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Kunst- und Kulturschaffenden.
  • Wir wollen die Vielfalt kirchlicher Orte fördern, weil diese Orte ganz Kirche sind, ohne die ganze Kirche abzubilden.
  • Wir wollen neue kirchliche Orte ausprobieren. Das braucht zuweilen Vertrauen und Mut zum Risiko. Experimente dürfen auch scheitern.
  • Wir wollen eine strukturelle Vernetzung von neuen und bestehenden kirchlichen Orten und Projekten, sowie deren organisatorische, juristische und finanzielle Einbindung. Nur so kann die Vielfalt kirchlicher Orte auch in der Fläche umgesetzt werden.

Jetzt gilt es, in den einzelnen Gliedkirchen, diese Vorgabe umzusetzen und ich bin darauf gespannt, was sich die nächsten Monate und Jahre daraus entwickelt. Die Hoffnung, die auf der Synode spürbar war, dass Kirche sich vielfältiger, mutiger, offener und jünger zeigen wird, muss nun auch in Strukturen und Organisationsformen umgesetzt werden.

 

Weitere wichtige Themenbereich

Bericht zur Kinder- und Jugendarbeit: Interessant war auch der Bericht des Generalsekretärs der aej zur Kinder- und Jugendarbeit. Es lohnt sich, mal reinzuschauen. Der Tenor auch hier: Kein „Weiter so”, sondern zurück zum Kern: Glaube/Evangelium kommunizieren! Junge Menschen suchen in der Kirche Glaube und Religion.

Aufklärung der EKD im Bereich sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch: Die Bischöfin der Nordkirche, Kerstin Fehrs, hielt eine beeindruckende Rede (unbedingt anhören) und stellte am Ende klar: „Eine Kirche die sich nicht gegen sexuelle Gewalt stellt, verliert ihre Legitimation, Kirche zu sein.“ Der Ratsvorsitzende Bedford-Strohm wandte sich direkt an die Betroffenen: “Ich bitte alle Menschen, denen solches Leid im Raum der ev. Kirche widerfahren ist, im Namen des EKD-Rates um Vergebung. Wir werden alles tun, was möglich ist, um das, was geschehen ist, konsequent aufzuarbeiten & aus den Fehlern zu lernen.”

Es bleibt zu hoffen, dass die Aufklärung genau in diesem Duktus durchgeführt wird.

Das dritte große Thema war Digitalisierung. Hier gibt es vier Leitlinien für die Zukunft:

  1. Menschen werden von Kirche im digitalen Raum erreicht und Kirche wird in diesem Raum von den Menschen erreicht.
  2. Effektivität und Effizienz der Verwaltung und IT der EKD und der Gliedkirchen sind gegenüber dem Ist-Zustand durch Zusammenarbeit und Vernetzung gesteigert.
  3. Die Evangelische Kirche nutzt digitale Instrumente in ihren Leitungs- und Organisationsstrukturen und agiert damit in einer neuen analog-digitalen Leitungs- und Kommunikationskultur.
  4. Die EKD ist zusammen mit den Gliedkirchen kompetent hinsichtlich der theologisch-ethischen Reflexion der Digitalisierung in der öffentlichen Debatte und der Digitalisierung kirchlicher Handlungsfelder.

Hier der Bericht des Medienbischofs Volker Jung und der Beschluss.

Hier alle Beschlüsse der EKD Synode 2018.

Hier ein paar Berichte über die Synode:

Welt, Süddeutsche, TagesschauPro Medienmagazin, evangelisch.de, EKD Jugenddelegierten, Magazin Eule

 

Zum Abschluss sagte die Synodenpräses Irmgard Schwaetzer: “Es ist der Beginn eines Weges, und dieser Weg wird lang.” Ja, so wird es wohl sein, aber es war ein hoffnungsfroher und klarer Beginn. Das Abschlussstatement soll dem Ratsvorsitzenden gehören, der gestern auf seiner Facebookseite schrieb:

„Nun ist die Synode in Würzburg mit vielen konkreten Beschlüssen, die auf der EKD-Seite zu finden sind, und einem Gottesdienst gestern Abend, zu Ende gegangen. Wegen des Themas der sexualisierten Gewalt war es eine sehr intensive, nachdenkliche und selbstkritische Synode. Gleichzeitig wurden wichtige Weichen für die Zukunft gestellt – etwa beim Thema Digitalisierung. Endlich haben wir richtig Fahrt aufgenommen. Es wird – um nur zwei Dinge zu nennen – eine zentrale App geben, bei der man, egal, wo man sich befindet, schnell alle wichtigen Informationen und Angebote der Kirche findet, etwa die nächsten Gottesdienste. Und ein Innovationsfond soll eine schnelle Reaktion auf gute Ideen ermöglichen, die jetzt hoffentlich umso zahlreicher kommen. Wir sind in diesen Tagen, gerade auch bei den schwierigen Themen, zusammengewachsen und haben den Geist Jesu Christi, der die Liebe mit der Buße verbindet, unter uns gespürt…“

 

 

Was ist die EKD Synode?

Über die Synode der EKD: Die Synode der EKD ist neben Rat und Kirchenkonferenz eines der drei Leitungsorgane der EKD. Sie tagt vom 11. bis 14. November in Würzburg. Nach der Grundordnung der EKD besteht die 12. Synode aus 120 Mitgliedern. Zu den Aufgaben der Synode zählen die Erarbeitung von Kundgebungen und Beschlüssen zu Fragen der Zeit sowie die Begleitung der Arbeit des Rates der EKD durch Richtlinien. Die Synode berät und beschließt aber auch den Haushalt und die Kirchengesetze. Geleitet wird die Synode vom Präsidium unter dem Vorsitz von Präses Irmgard Schwaetzer. Sie ist zugleich Mitglied des 15-köpfigen Rates der EKD. Vorsitzender des Rates der EKD ist Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die EKD ist die Gemeinschaft von 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen. 21,5 Millionen evangelische Christinnen und Christen in Deutschland gehören zu einer der 13.900 Kirchengemeinden.

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