„Weihnachten 2018: Hilflosigkeit statt Triumphalismus. Oder: Warum es vor der Krippe keine Unterschiede gibt.“

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„Wenn Gott selber in die Hilflosigkeit kam, dann ist Hilflosigkeit kein Makel, dann ist Schwäche nicht schlimm; beide sind von Gott geheiligt.“ Ulrich Bach

 

Die Weisen wussten es, konnten es aber nicht glauben und gingen zunächst zum Königspalast, ehe sie zur Krippe kamen. Die Schriftgelehrten wussten es, sind aber nicht hingegangen. Nur die Hirten sind direkt angekommen. Sicher, wir haben uns an die Krippe gewöhnt. Sie gehört Weihnachten einfach dazu, aber an diesem Futtertrog, zu dieser unscheinbaren Krippe, kommen die Reichen und Weisen genauso wie die Armen und Ausgegrenzten. Die Krippe bringt die Menschen zusammen, alle sind willkommen, alle werden angenommen. Niemand wird weggeschickt, niemand ist zu reich oder zu arm. Alle Unterschiede, alle Zweifel und Unsicherheiten werden unterbrochen, spielen für einen Moment keine Rolle – der Friedefürst nimmt sie alle an.
Kein Königsthron, sondern die Einfachheit der Krippe und die Hilflosigkeit eines Babys sind das Zeichen, an dem der neue Herrscher erkannt wird. Und an dieser Krippe zählt kein Status, keine Macht, sondern wir können so kommen, wie wir sind. Der Theologe Ulrich Bach brachte dies einmal wunderbar auf den Punkt, als er sagte: „Wenn Gott selber in die Hilflosigkeit kam, dann ist Hilflosigkeit kein Makel, dann ist Schwäche nicht schlimm; beide sind von Gott geheiligt“ (Bach 1986:100). Und so stehen wir vor dieser Krippe mit all unserer Hilflosigkeit gegenüber den Kriegen dieser Welt, den Konflikten in der eigenen Familie und den persönlichen Unzulänglichkeiten. Wir glauben, dass das Baby in der Krippe die Hoffnung für diese Welt, für unsere Familien und für uns selbst ist. Paradoxer geht es kaum. Aber es ist kein Zufall, denn mit Christus beginnt das neues Reich Gottes, das so ganz anders ist als alles, was wir bisher kennen. Das „Reich Gottes“ (oder bei Matthäus das „Himmelreich“) beschreibt die anbrechende Herrlichkeit Gottes hier auf Erden. In Jesus und seinem Wirken erfüllen sich die alttestamentlichen Prophezeiungen. Dies wird auch an den Stellen zu Beginn der Wirkungstätigkeit Jesu deutlich, wie beispielsweise in Mk 1,15: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist in Reichweite. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mt 4,17 par). Und damit werden die großen Linien Gottes mit den Menschen weitergeschrieben, denn Gott schreibt seine Geschichte besonders durch die Kleinen, Ohnmächtigen, Benachteiligten und Armen (5Mo 15 & 16; Jes 6 & 54 etc.). Es gibt keinen Triumphalismus. Dies zeigt sich schon bei der Erwählung des Volkes Israel als Licht für die anderen Völker. Gott hat das geringste und kleinste Volk ausgesucht, um mit ihm Geschichte zu schreiben (5Mo 7,6-8), und selbst das Königtum Israels hat Gott eigentlich abgelehnt. Im Neuen Testament wurde dieser Weg der Kleinen durch Krippe und Kreuz Christibestätigt –  ja erweitert – indem die meist von Macht geprägten/definierten Maßstäbe dieser Welt auf den Kopf gestellt wurden. Und das, indem Gott den Gewaltlosen gewaltsam am Kreuz sterben ließ und dadurch die Mächte und Gewalten durchbrochen hat. Miroslav Volf merkt zu Recht an, dass Gott seine Geschichte immer wieder vom Rand der Gesellschaft und vom Rand der Macht her geschrieben hat (Volf 2012:367ff.). Immer dann, wenn die Christenheit in der Geschichte diesen unbequemen Rand verlassen hat und ins Zentrum der Macht gerückt ist, gab es nicht nur Gewissenskonflikte, sondern zumeist große Probleme. Deshalb war im Neuen Testament die Bedingungslosigkeit der Liebe Gottes für die Nachfolger Christi von zentraler Bedeutung. Gott ist Liebe und schafft Liebe unter den Menschen. Dies ist die Grundvoraussetzung jeglichen Christseins. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass eine wichtige Grundlage des christlichen Glaubens die Feindesliebe Christi ist (Mt 5,43-48) – eine christliche Tugend, die heute oft vergessen wird, vor allem wenn es um Rechthaberei, Macht und Durchsetzung geht.
Doch Weihnachten kann uns erinnern, dass Hilflosigkeit gegen Triumphalismus steht; dass die Hoffnung dieser Welt nicht im Königpalast zu finden ist, sondern in einer unscheinbaren Futterkrippe.

In diesem Sinne: Gesegnete Weihnachten allen Blogleserinnen und Bloglesern.

 

Bild: (c) Licht der Krippe von Christel Holl

 

 

3 Comments

  1. Lilli Wiebe

    Danke Tobias! Hoffnungsvolle und erinnernde Worte hineingesprochen in unsere Zeit. Ein super Weihnachtsgeschenk !

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