“Ich glaube; hilf meinem Unglauben!” – Überlegungen zur Jahreslosung 2020.“

Theologie

 

In der Jahreslosung für das Jahr 2020 geht es um einen der zentralsten und meistdiskutiertesten Begriffe in der Bibel: Glauben. Und das in einer fast erschreckenden Offenheit, denn es geht nicht um einen starken und kraftvollen Glauben, sondern um einen gebrochenen und zweifelnden, ja verzweifelnden Glauben. Doch geht es eigentlich überhaupt um Glauben? Oder doch eher um Unglauben? Was bedeutet Glaube überhaupt? Und was passiert, wenn wir nicht mehr glauben können? Wenn wir zweifeln und verzweifeln und vielleicht sogar den eigenen Glauben verlieren? In drei Parts möchte ich der Jahreslosung aus Markus 9,24 nachgehen und dabei das widersprüchliche Wortpaar „Glaube und Unglaube“ in den Mittelpunkt stellen.

 

Part 1: Wenn der Glaube über den Unglauben siegt: Der verzweifelte Schrei der Hoffnung.

„Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten“. Karl Rahner

Der Glaube an Gott ist nicht selbstverständlich, ja, ist ein Wagnis. Schon der dänische Philosoph Sören Kierkegaard schrieb Anfang des 19. Jahrhunderts, dass der Glaube ein mutiger Sprung ins Ungewisse sei, der aus der Hoffnung lebt, dass Gott einen auffängt. Genau dies unterscheidet Glaube und Wissen: Es gibt keine absolute oder objektive Sicherheit. Glaube ist und bleibt ein Vertrauen auf einen Gott, der hält. Deshalb beschreibt der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel Glaube auch als ‚Ent-Sicherung’. Wir müssen unsere eigenen Sicherheiten loslassen und dem vertrauen, der uns ruft. Das war bei den Jüngern im Neuen Testament so und ist bei uns heute noch so und genau deshalb gehören Zweifel und Glauben auch zusammen, sind nicht trennbar, quasi Zwillinge, die aneinandergebunden sind und sich gegenseitig bedingen. Glaube ohne Zweifel wäre Wissen und Wissen braucht kein Vertrauen und letztendlich keinen Gott. Aber Glaube heißt vertrauen, im griechischen Text ist es sogar dasselbe Wort (pistis), das beides gleichermaßen beschreibt.

Die Zerbrechlichkeit des eigenen Glaubens

Die Jahreslosung führt uns einen verzweifelten Vater vor Augen, der seinen Sohn liebt. Der nicht mehr kann, alles probiert hat, von allen enttäuscht wurde und jetzt auf diesen Jesus setzt. Diese ganze Verzweiflung wird deutlich in dem Halbsatz „schrie der Vater des Kindes“ – in diesem letzten Schrei der Hoffnung. Glaube wird hier als Zerreißprobe mitten im Leben beschrieben: zwischen Wirklichkeit, Zweifel und der letzten Hoffnung. Hier geht es nicht um einen akademischen Laborglauben, der am Schreibtisch definiert und für richtig befunden wurde, sondern um die reale Alltagswirklichkeit einer verzweifelten Familie mit ihrem todkranken Kind. Der hier gezeigte Glaube setzt in Bewegung, verharrt nicht in und mit den Problemen: Der Vater macht sich auf den Weg zu Jesus. Glaube und Unglaube stehen hier nebeneinander und das wird nicht kritisiert, sondern Jesus fordert den Glauben des Vaters heraus, sucht dieses Senfkorn des Glaubens und ermutigt ihn mit den Worten: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“. Kierkegaard würde sagen: „Spring!“ Spring los, nur dann ist alles möglich! Spring mit deinem Unglauben und mit deinem Zweifel, setz deine Hoffnung und dein Vertrauen auf diesen Jesus. Denn Glauben heißt, dem zu vertrauen, der das Wunder tut. Die Jahreslosung zeigt hier auf wunderbare Weise das Zusammentreffen von menschlichem Glauben und göttlichen Handeln auf. Der Apostel Paulus hat dies in seinem Brief an die Philipper ganz ähnlich erzählt: „Arbeitet an euch selbst mit Furcht und Zittern, damit ihr gerettet werdet! Ihr könnt es, denn Gott selbst bewirkt in euch nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen, so wie es ihm gefällt.“ (Philipper 2,12) Glaube wird als Geschenk Gottes beschrieben, er ist der Handelnde, in dessen Nähe ich mich mit aller meiner Kraft begebe, so dass er an mir handeln kann. Gott handelt, nicht ich. Ich vertraue diesem Gott und stelle mich in seinen Handlungsbereich, setze mich in Bewegung, ihm entgegen. Letztendlich ist und bleibt Glaube mit seiner Wirkung aber ein Geheimnis Gottes, wie Paulus seinem Mentee Timotheus erklärt. (1. Timotheus 3) Denn so gut die Geschichte in der Jahreslosung mit der Heilung des Sohnes ausgeht, so oft erleben wir auch, dass die Heilung nicht eintrifft, dass das Vertrauen enttäuscht wird. Was, wenn am Ende plötzlich nur die Verzweiflung bleibt und kein Vertrauen mehr. Wie gehen wir damit um? Glaube bleibt ein Risiko und bei all dem bleibt dieser Gott souverän und lässt sich nicht instrumentalisieren. Und die Erfahrung des nicht-mehr-glauben-Könnens ist für viele eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Denn so tief der eigene Glaube in der eigenen Identität verwurzelt ist, so tief geht auch der Schmerz des eigenen Unglaubens.

Die Schmach des nicht-glauben-Könnens

Es ist erstaunlich, dass dieser Zweifel und der eigene Unglaube in vielen Kirchen und Gemeinden immer noch mit Scham belegt ist, was die Betroffenen oftmals in die Isolation treibt. Ein immer wieder vorkommendes Motiv in unserer Umfrage „Warum ich nicht mehr glaube“ war die fehlende Möglichkeit, seinen Unglauben und Zweifel in die Gemeinde einzubringen. Aber genau diese Situation fördert ein Zweifeln, Grübeln und ein In-sich-selbst-verlieren. Zweifel können, ja sollten ausgesprochen werden, brauchen Gemeinschaft, Verständnis und Raum. Denn viele Zweifel sind normal und entwicklungsbedingt. Unsere Persönlichkeit und unser Intellekt verändern sich, unser Glaube muss sich mit ihnen verändern. Dies ist oftmals (auch) ein schmerzhafter Akt, da wir uns dabei von manchen liebgewordenen Positionen verabschieden müssen – das ist völlig normal. Der eigene Glaube kann sich durch verschiedene Phasen des Lebens entwickeln und daran sowie in diesen Phasen reifen. Eine wertvolle Grundhaltung besteht dabei in der Einsicht, dass der eigene Glaube immer nur vorläufig und niemals perfekt oder fertig ist. Darum muss man sich immer wieder um ihn bemühen und sich den Lebenswirklichkeiten neu stellen. Dies bedeutet, dass sich auf der einen Seite lieb gewordene Gewissheiten und Gewohnheiten verabschieden können. Auf der anderen Seite kann aber auch ein neuer Raum des Glaubens betreten werden, der viel größer und schöner ist und in dem zum Beispiel auch Zweifel ihren Platz haben.

Dankbar sein für den Schatz des Zweifelns

So schmerzhaft der unterschiedlich Zweifel für die Einzelnen ist, so sehr kann er auch zum Gewinn werden. Der amerikanische Theologe Frederick Buechner beschreibt diesen Gewinn folgendermaßen: „Zweifel sind die Ameisen in der Hose des Glaubens; sie halten ihn wach und in Bewegung.“ Denn das Gegenteil des Zweifels ist eine falsche Selbstsicherheit des Glaubens, die zu Hochmut und Arroganz führt. Schon Luther erkannte das und nannte es die falsche securitas: „Gott wird dazu benutzt, um Sicherheit, Halt und Orientierung zu erlangen, und so wird die berechtigte Suche nach Gewissheit zu einem Götzen.“ Zweifel hält mich demütig und schützt vor plumper Besserwisserei und macht auch sensibel für die Begegnung mit Anderen. Im Zweifel begegne ich auch dem Ungläubigen mit seinen Fragen und Anfragen an Gott und dem Glauben. So kommt der katholische Priester Tomáš Halík in seinem Buch „Glaube und sein Bruder Zweifel“ zu der Antwort: „Glaube ohne kritische Fragen würde in langweilige und leblose Ideologie umschlagen {…} denn es geht im Glauben um ein Geheimnis. Deshalb dürfen wir nie vom Weg des Suchens und Fragens abkommen.“ Dass der Zweifel zum Antrieb in eine vertiefende Gottesbeziehung führen kann, erlebte der Schriftsteller Dostojewski: „Jedes Mal, wenn ich zweifel und mich nach allem hin und her wieder für Gott entschieden habe, komme ich ihm einen Schritt näher.“ Zweifel waren bei Dostojewski keine Spielerei, kein intellektuelles Kokettieren, sondern eine existenzielle Auseinandersetzung mit Gott. Genau das brauchen wir in unseren Gemeinden, damit wir mündige Nachfolgerinnen und Nachfolger werden in einer Zeit, in der immer weniger Menschen an Gott glauben.

Aber was passiert, wenn der Zweifel immer größer wird? Wenn das Vertrauen mehr und mehr schwindet und Menschen die Sicherung verlieren? Ins Bodenlose stürzen? Den Glauben verlieren? Diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben als Institut empirica für Jugend, Kultur & Religion Menschen befragt, denen genau das passiert ist, die einmal leidenschaftlich geglaubt haben, aber dann an den Punkt kamen, wo sie nicht mehr glauben konnten oder wollten.

 

Part 2: Wenn der Unglaube über dem Glauben siegt: Wenn alles zerbricht.

Ich segne dich, aber behüte dich nicht mehr.

Ich lasse mein Angesicht auf dir ruhen, aber du bist von nun an dir selber gnädig.

Ich erhebe mein Angesicht von dir und lasse dich von nun an in Ruhe.

Claudia Schreiber („Mein ständiger Begleiter“. Piper Verlag, 217)

 

Warum Menschen heute nicht mehr glauben können oder wollen

So wie man davon ausgeht, dass die Bekehrung das Leben eines Menschen verändert, so wurde uns ähnliches oft auch über die Entkehrung berichtet. Was alle Befragten unserer Umfrage „Warum ich nicht mehr glaube“ eint, ist das Erleben, dass es sich bei ihrer Entkehrung um einen längeren Prozess handelte. Zwar gab es bei Einzelnen auch bestimmte Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse, die einen gewissen Wendepunkt darstellten, aber meist hat sich der Prozess über mehrere Jahre hingezogen, bis es zur endgültigen Abwendung vom Glauben kam. Bei den meisten hat dies in der Folge eine direkte Auswirkung auf ihr Umfeld, also ihre Partnerschaft, Familie, den Freundeskreis und natürlich auf die Kirche und Gemeinde, in die sie bisher gegangen waren. Diese Auswirkungen wurden ganz unterschiedlich erlebt: von Zustimmung und Erleichterung über Entsetzen bis zum Zerbruch von Ehe und Familie.  So hat Nicolo[1] sich im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht, wie sein Umfeld wohl auf seine Dekonversion reagieren würde: Ich habe lange überlegt, wie meine Familie reagieren wird. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte mir das leichter vorgestellt. Also, ich hätte nie gedacht, dass die Beziehung zu meiner Frau so beschädigt werden könnte. Und noch weniger dachte ich von meinen Eltern, dass sie mich ab diesem Moment so anders sehen würden. Das waren schon gravierende Auswirkungen. Eigentlich dachte ich, dass es zwei, drei schwere Monate geben wird, aber dann ginge alles weiter. Aber das war nicht der Fall. Bei Nicolo hat sich sein ganzes Leben verändert, nichts blieb mehr so, wie es war: Insgesamt fanden wir drei unterschiedliche Arten, wie die eigene Entkehrung erlebt wurde. Am häufigsten erfahren die Betroffenen eine Befreiung und Erleichterung. Bei der zweiten Gruppe ist es ähnlich, jedoch entsteht durch  das Verschwinden des Glaubens ein (Sinn-)Vakuum, das erst neu gefüllt werden muss. Die dritte Gruppe erlebt einen eher unspektakulären Übergang vom Glauben zum Nicht-Glauben. Die Entkehrten entwickeln neue Strategien und Werte gewissermaßen fließend und haben keinerlei Probleme mit ihrem „neuen Leben“.

Ich möchte jetzt einen Blick auf die vier Leitmotive der Menschen legen, die nicht mehr Glauben wollen oder können. Es sind Geschichten von Menschen, die denen der Glaube über den Unglauben gesiegt hat. Es sind Geschichten, aus denen wir eine Menge lernen können.

 

„Ich kann an diesen Gott nicht glauben“: Beschreibung von Leitmotiven

Keine Lebensgeschichte gleicht der anderen und jeder Mensch ist ein einzigartiges Individuum. Dennoch gibt es in den Biografien unserer Gesprächspartner viele Gemeinsamkeiten. Wir haben beim Studieren und Auswerten der fünfzehn Interviews einerseits gestaunt, wie unterschiedlich die Lebenswege und Erfahrungen waren. Andererseits war es aber auch auffallend, wie viele ähnliche Situationen, Erfahrungen und Motive in den Erzählungen vorkamen. Es war sogar möglich, in der Geschichte jeder Person ein Leitmotiv auszumachen, das im Prozess des Glaubensverlustes die wichtigste Rolle gespielt hat. Insgesamt fanden wir vier diese Leitmotive, (1) Moral, (2) Intellekt, (3) Identität und (4) Gottesbeziehung, von denen es jeweils zwei verschiedene Ausprägungen (Typen) gab. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass das Leben nicht schematisch ist. Die von uns gefundenen Leitmotive tauchen so in der Realität fast nie in Reinform auf. Bei jedem Interviewpartner, wie auch bei jedem von uns, ist eine Vielzahl an Einflüssen und Persönlichkeitsfacetten zu beobachten. Doch auch wenn mehrere Aspekte gleichzeitig auftauchten, gab es letztlich immer ein besonders dominantes Motiv, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zog. Diese vier Leitmotive sollen nun etwas genauer beleuchtet werden (Ausführlich ist es im Buch “Warum ich nicht mehr glaube” nachzulesen).

 

a) „Christen sind nicht das, was sie singen“ – das Leitmotiv Moral

„Christen reden von Freiheit. Gott und Glaube machen frei, aber gleichzeitig stellen sie so viele Regeln und Gesetze auf, die man alle einhalten muss, weil man sonst nicht mehr bei Gott ist.“ Claudia

„Ich hatte ein Problem damit, dass die Christen nicht so sind, wie sie singen.“ Martina

Die Moral, also die Frage nach der richtigen Lebensführung, ist ein zentrales Motiv in allen Gemeinschaften, die sich auf gemeinsame Werte berufen und in einer mehr oder weniger verbindlichen Form Leben teilen möchten. Gerade in Kreisen, die Wert auf ein bewusstes Leben als Christen legen, wird sie oft zentral betont. Das heißt, dass die Änderung, die im Leben durch den Glauben angeregt wurde, auch im Handeln sichtbar werden soll. Dies kann sich in bestimmten Verhaltensweisen äußern – sowohl in dem, was man tut, als auch in dem, was man nicht mehr tun sollte. Diese an sich neutrale Tatsache kann in der Praxis immer wieder zu Problemen führen. So werden zum Beispiel Erwartungen nicht klar ausgesprochen, obwohl sie von allen unbewusst wahrgenommen werden. Häufig passen dann Einzelne ihr Verhalten aufgrund der Dynamiken in der Gruppe daran an. Es kann auch vorkommen, dass von der Leitung oder anderen Personen in Machtpositionen die Maßstäbe für das richtige Verhalten klar kommuniziert werden. In manchen Fällen werden aus diesen Vorstellungen und Leitbildern dann jedoch Gesetze, die als einengend empfunden werden. Zuletzt kann Moral, gerade auch in Verbindung mit Macht, dazu eingesetzt werden, Menschen zu kontrollieren und ihr Verhalten zu manipulieren. Nicht in allen Fällen geschieht dies allerdings bewusst und mit voller Absicht. In unseren Interviews tauchten im Zusammenhang mit dem Leitmotiv Moral vor allem im Kontext der moralischen Vorstellungen in ihrer christlichen Gemeinden auf. Dies betraf nicht nur das alltägliche Leben mit seinen vielen großen und kleinen Entscheidungen, sondern auch den Glauben selbst. Aus diesen Erfahrungen kristallisierte sich bei der Analyse der Gespräche der Typ der Eingeengten heraus. Beim zweiten Typ, den Verletzten, kam die Moral – und mit ihr häufig auch Macht – nicht nur einengend an die Persönlichkeit heran, sondern überschritten diese Grenzen sogar. In den Interviews tauchten alle möglichen Formen von Übergriffen und Verletzungen in Gemeinden und durch Christen auf. Diese waren teils geistlich, teil psychisch, aber auch körperlich und sexuell. Letztlich kann man zum Leitmotiv Moral festhalten, dass immer das Verhalten von anderen Christen und der jeweiligen Gruppe oder Gemeinde einen entscheidenden Einfluss darauf hatte, dass die betreffenden Personen nicht mehr glauben (können). Der Verlust bzw. das Ablegen des Glaubens geht einher mit einem Bruch mit den betreffenden Personen und dient auch dazu, wieder die Souveränität über das eigene Leben zu erlangen.

b) „Ich habe viel gekämpft und langsam merkte ich: Das passt alles nicht zusammen.“. Das Leitmotiv Intellekt

„Ich habe weiter als Christ gelebt und habe eigentlich mit niemandem darüber geredet. Ich wollte das mit mir und mit Gott ausmachen. Ich habe viele Bücher gelesen und viel in der Bibel gelesen, über Monate ging das so. Und ich habe viel gekämpft und langsam, langsam merkte ich: Das passt hier nicht. Hier ist was falsch. Und dann habe ich gesagt: Ich glaube nicht mehr an Gott.“ Nicolo

„Das hat mich immer fertig gemacht, diese Freudigen, die so glücklich sind, dass Gott ihnen schon wieder geholfen hat, indem er den Computer heil gemacht hat.“ Magdalena

Das zweite Leitmotiv hat weniger mit anderen Christen als mit einer inneren Auseinandersetzung zu tun. Die Betroffenen zweifeln an der christlichen Lehre, an einzelnen Glaubensaussagen, ihr christliches Weltbild gerät in Konflikt mit natur- oder geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. Mit der Zeit gelangen sie an einen Punkt, an dem sie den Glauben nicht mehr mit ihrem Denken in Übereinstimmung bringen, ja nicht einmal als getrennte Systeme nebeneinander stehenlassen können. Die beiden Gruppen, die sich bei diesem Leitmotiv herausschälten, sind die Zweifelnden und die Grübelnden. Während die Zweifelnden in einem gedanklichen Konflikt stehen, wie sie die christliche mit einer zweiten Weltsicht in Verbindung bringen sollen, sind die Grübelnden in ihrem Zweifel eher auf sich selbst bezogen und hinterfragen stärker ihre Erfahrungen und Erkenntnismöglichkeiten und wie diese mit bestimmten Lehraussagen zusammenpassen.

c) „Viele was ich früher gelernt habe, ergibt heute für mich keinen Sinn mehr.“ Das Leitmotiv Identität

„Viele ‚Glaubenssätze’, die ich früher gelernt habe, ergeben heute für mich keinen Sinn mehr. Persönliche Erfahrungen haben meinen Glauben nicht bestätigt, sodass ich auch ohne Glauben ein ethisch guter Mensch sein kann.“ Sabine

„Als Kind war das einfach: Ich habe meinen Glauben vorgesetzt bekommen von Schule, Verwandtschaft und Eltern, aber als ich angefangen habe, Dinge zu hinterfragen, wurde es sehr schnell still. … Dann habe festgestellt, dass ich als Einzelperson allein verantwortlich sein kann für das, was ich tue, und keine ‚fremde Macht’ als Hilfe brauche.“ Thomas

Ebenfalls und in noch viel stärkerem Maße in der Person der Interviewten begründet ist das Leitmotiv der Identität. Doch anders als bei beim Leitmotiv Intellekt spielt hier das Umfeld, in dem Glaube und Dekonversion stattfinden, eine größere Rolle. Natürlich betrifft die Identität zunächst einmal nur das Individuum, jedoch wird sie im Miteinander mit anderen geformt und tritt dabei überhaupt erst zutage. Das bewusste Erkennen der eigenen Identität kann deshalb dazu führen, dass man bemerkt, dass der bisherige Glaube gar nicht zur eigenen Person passt. Bei den Entwachsenen, wie wir die eine Erscheinungsform genannt haben, ist es meist so, dass die Betreffenden in ihren Teenager- oder Jungen-Erwachsenen-Jahren bemerken, dass der bislang wenig reflektierte Kinderglaube für sie keine tragfähige Basis mehr darstellt. Eine mögliche Reaktion darauf wäre es, einen reifen, selbstgewählten und reflektierten Glauben auszubilden. Doch entweder gelingt es den Entwachsenen nicht oder sie probieren es gar nicht erst. Für sie ist das Ablegen des Glaubens ein Schritt heraus aus der Kindheit. Das sagt nicht, dass ihr Kinderglaube nicht echt und ernsthaft war, er entspricht einfach nicht mehr der erwachsenen Identität. Bei den Zerrissenen geschieht die Auseinandersetzung mit dem Glauben in einer späteren Phase. Allerdings stehen hier der Glaube und die Art, wie er gelebt wird, im Widerspruch zum Erleben der eigenen erwachsenen Person und zu den Lebensentwürfen, die die Betroffenen für sich entwickelt haben. Meist wird daher zunächst die Gemeinschaft verlassen, was dann dazu führt, dass der Glaube und seine Praxis immer weniger wichtig und schließlich ganz aufgegeben werden.

 d) „Mein Problem ist, ich habe einfach kein Vertrauen zu Gott.“ Das Leitmotiv Gottesbeziehung

„Mein Problem ist, ich habe einfach kein Vertrauen zu Gott. Ich verstehe ihn nicht, ich verstehe seine Wege nicht, die ich verstehen möchte. Aber Gott hat sie mir nicht erklärt. Und so funktioniert eine Beziehung irgendwie nicht.“ Andreas

„Bin ich bereit, mich ganz auf Gott zu verlassen? Und ist der Glaube tatsächlich dieser Schritt ins Ungewisse, und habe ich mich dem überhaupt jemals wirklich ausgeliefert? Und auf der anderen Seite dieses: Wenn Glaube ein Geschenk ist, warum schenkt ihn mir keiner?“ Patrick

Das letzte Leitmotiv fand sich erstaunlicherweise weniger häufig als die anderen. Für viele Christen ist eine persönliche Beziehung zu Gott der zentrale Punkt des Glaubens. Ist diese Beziehung aus Sicht der Gläubigen gestört, kann es ähnlich wie in einer menschlichen Beziehung zur Trennung kommen. Das für viele am Beginn ihres Glaubens wichtige und tröstende Bild eines Gottes, der sich jedem persönlich zuwendet, ließ sich nicht durchhalten. Die Enttäuschten hatten die Sehnsucht, die Beziehung zu Gott auch emotional, im täglichen Leben spüren zu können, nun fühlen sie sich getäuscht. Entweder erschüttert dies ihren Glauben so sehr, dass sie ihn aufgeben, oder sie führen ein Leben, in das sie den fernen Gott nicht mehr miteinbeziehen, dadurch immer mehr Abstand gewinnen und schließlich den Glauben ganz ablegen. Die Geplagten werden hingegen durch verschiedene Schicksalsschläge in ihrem eigenen Leben oder auch in ihrem Umfeld in ihrer Gottesbeziehung erschüttert. Dabei geht es nicht nur um eine gedankliche Auseinandersetzung mit der Theodizee-Frage, sondern um ein persönliches (Mit)Leiden. Manche werfen das Konzept eines Gottes generell über Bord, andere distanzieren sich schrittweise in ihrem Denken und Handeln von dem angeblich liebevollen Gott, bis er in ihrem Leben keine Rolle mehr spielt.

 

Part 3: Wie Glauben und Unglauben zusammenkommen? Weil ich für dich glaube!

„Jesus spricht zu Petrus: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Lukas 22,32

 

Wie schwierig die Diskussion über Entkehrungen, Zweifel und Unglaube ist, zeigte sich in diesem Jahr vor allem in den USA, aber auch hier in Deutschland. Am Beispiel mehrerer prominenter Christen wurde monatelang auf zum Teil sehr unschöne Weise diskutiert. Beispielhaft sei hier auf den bedeutenden amerikanischen Autor und Jugendarbeiter Joshua Harris (einige seiner Besteller wie „Ungeküsst und doch kein Frosch. Warum sich Warten lohnt – radikale Einstellungen zum Thema Nr. 1“ sind auch in Deutschland erschienen) hingewiesen, der nach Scheidung, Lebenskrise und Glaubenskrise viele seiner bisherigen Lehren verworfen hat und sich bei seinen Leserinnen und Lesern dafür entschuldigt hat. „Ich durchlaufe gerade massive Veränderungen, was meinen Glauben an Jesus betrifft. Die zurzeit gängige Bezeichnung dafür ist ‘Dekonstruktion’. Die biblische Bezeichnung ist wohl ‘Abfallen’. Nach allen Kriterien, die ich kenne, um sagen zu können, ob jemand ein Christ ist, bin ich keiner mehr. Es gibt viele, die mir beteuern, dass man seinen Glauben auch auf eine andere Art leben kann, und ich bin dafür wirklich offen, aber im Moment weiß ich noch nicht, wie das aussehen soll. Ich habe in den vergangenen Jahren ständig Buße getan: für meine Selbstgerechtigkeit, für meine angstbezogene Sicht auf das Leben, für die Lehren in meinen Büchern, für meine Ansichten bezüglich der Frauen in der Gemeinde und für meine Haltung in Erziehungsfragen.“ Ein weiteres Beispiel ist Marty Sampson aus der Gründergeneration von Hillsong, Sydney. Der Musiker hat auch in Deutschland gesungene Worshiplieder wie  „Carry Me“, „Better Than Life“ und „King of Majesty“, „Forever“ oder „Came to My Rescue“ geschrieben und dadurch eine ganze Generation junger Christinnen und Christen mitgeprägt. Jetzt zweifelt er an seinem Glauben und vor allem an den Verhalten von seinen Mitchristen und er sagt: „Mein Glaube steht auf unglaublich wackeligen Füßen… Christen sind oft am schnellsten darin, andere Menschen zu verurteilen. Sie können aber auch die schönsten und liebevollsten Menschen sein. Das ist nichts für mich.“ Die Reaktionen auf die beiden waren riesig und exemplarisch für die Konservativen steht Franklin Graham, das evangelikale Aushängeschild in den USA und prominentester Unterstützer von Präsident Trump. Er sagte zu den beiden: “Das waren keine echten Christen. Sie waren jung. Ihr Glaube war nicht sehr stark. Vielleicht waren es sogar Atheisten. Sie hassen Gott. Und sie wollen einfach nur öffentliche Aufmerksamkeit. …Naja, zunächst mal… Irgendjemand hat sie Leiter genannt. Ich nicht. Ich betrachte sie nicht als Leiter. Das sind sehr junge Leute, und ich bezweifle, dass sie überhaupt einen sehr starken Glauben gehabt oder ob sie überhaupt jemals geglaubt haben. …Aber nein, sie haben eine große Sache daraus gemacht. Und sie versuchen, andere dazu zu bewegen, ihnen zu folgen. Und dazu sage ich einfach: schämt euch. Eines Tages werdet ihr vor Gott stehen und werdet ihm Rechenschaft ablegen müssen.”

Die konservative Bloggerin und Autorin Alisa Childers schlägt zwar nicht so grobe Töne an, vergleicht aber Christinnen und Christen, die sich ihrem fest definierten evangelikalen Glauben zweifeln oder gar kritisch gegenüberstehen mit Atheisten. Da gibt es nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch, eben eine wahre Lehre und eine schlüssige Antwort und eine richtige Moral. Wer davon abweicht, der zweifelt nicht nur, sondern der wird gleich in die Kategorie Atheist eingestuft. Auf Deutsch erschien der Artikel im Blog der Schweizer Paul und Peter Bruderer. Das sind nur einige Beispiele, die für viele stehen und für die Diskussion empfehle ich den Hossa Talk „Wenn Helden vom Glauben abfallen“ und vor allem die Kontroverse in den Kommentaren. Ebenfalls einen interessanten inhaltlichen Einblick gibt es in der in der empirischen Arbeit „Dürfen Pastoren zweifeln?“ am Beispiel von sechs Interviews aus dem icf Movement von Alan Cereghetti. Hier bekommt man einen guten Einblick in die Herausforderung und auch Zerrissenheit junger Pastoren zwischen zeitgemäßer Gemeinde und konservativem Glauben.

Aber wie sollen wir jetzt mit dem eigenen Zweifel und Unglauben umgehen? Was hilft denn, gerade wenn es so existenziell ist und tief in die eigene Identität hineingeht?

 

Über den Umgang mit Glaube, Unglaube und Zweifel

Wie im Part 2 gesehen, sind die Gründe für Zweifel und Unglaube sehr unterschiedlich, deshalb gibt es nicht die eine Lösung oder gar das eine Patentrezept und doch gibt es einige Ansätze, die mir wichtig erscheinen. Natürlich haben wir im Team empirica im Kontext der Umfrage überlegt, was dies für Christen und Gemeinden heißen kann und wie diese Ergebnisse zu deuten sind. Teilweise haben wir auch die Interviewten gefragt, was sie darüber denken und sich von Christen und christlichen Gemeinschaften wünschen würden. Einige der Konsequenzen dieser Überlegungen möchte ich kurz skizzieren.

Ein eigener mündiger Glaube ist die Grundlage dafür, dass er auf gesunde Weise eine wohltuende Wirkung im Leben entfaltet. Aber ein eigener, selbstdurchdachter und mündiger Glaube entsteht nicht allein dadurch, dass man jeden Sonntag im Gottesdienst sitzt. Glaube braucht Freiraum um zu wachsen, bei allem Wissen, dass das eigene Gottesbild auch von der eigenen Sozialisation und Erfahrung geprägt ist und sich deshalb in der Beziehung zu Gott, den Menschen und sich selbst weiterentwickeln darf. Ein gesunder Glaube wirkt nicht kompensatorisch. Das heißt: Er dient nicht dazu, Defizite in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zuzudecken. Ein Mensch mit einem mündigen Glauben befindet sich in einer Entwicklung, in der er immer weniger darauf angewiesen ist, sich selbst und anderen etwas vorzumachen. Ein gesunder Glaube lässt sich nicht in ein starres und festes Regelwerk pressen, sondern braucht Freiheit, sich zu entfalten.

Den Menschen ernst zu nehmen, klingt so simpel und die einfache Formel ‚Beziehungen vor Perfektion’ klingt nicht nur biblisch, sondern ist es auch. Aber es gibt nach Angaben der Befragten zu viel menschliche Religiosität und Gesetzlichkeit und zu wenig christliche Annahme. Am deutlichsten wurde dies, wenn es um die Begriffe Gnade, Liebe, Vergebung etc. ging, hier wurde immer wieder beklagt, dass dies nur fromme Vokabeln seien, die bei unterschiedlichen Meinungen oder Lebensweisen außer Kraft gesetzt werden.

Gerade junge Menschen müssen in Umbruchsituationen begleiten werden. Verstärkende Umstände im Entkehrungsprozess waren oftmals Umzug, Heirat, Auslandsaufenthalt etc. Gerade da hat der Leib Christi große Möglichkeiten, Menschen über die Ortsgemeinde hinweg zu begleiten. In einer Zeit in der viele Netzwerke entstehen und Kirchen und Gemeinden starken Veränderungsprozessen unterworfen sind, wäre es hilfreich, wenn diese Netzwerke auch zu Auffangnetzen für junge Erwachsene werden, die diese besonders in Umbruchsituationen brauchen.

Dazu gibt es einige ganz praktische Fragen, die im Kontext von Gemeinde, Jugend und Hauskreise umgesetzt werden können. Ausführlich haben wir uns in dem Nachfolgebuch “Warum wir mündig glauben dürfen” damit beschäftigt:

  • Wird das Thema Unglaube und Zweifel in unserer Gemeinde/Kirche offen thematisiert oder eher verdrängt? Wie könnte es mehr ins Gespräch kommen und konstruktiv diskutiert werden? Und ganz allgemein: Gibt es in unserer Gemeinde/Kirche vertrauensstiftende Räume, eine einladende Kultur und eine offene Kommunikation? Wie könnten diese entstehen?
  • Wie gehen wir in unserer Gemeinde/Kirche mit den betroffenen Menschen um? Respektieren wir ihre komplexe Geschichte mit Gott, mit Kirche/Gemeinde und mit anderen Christen?
  • Nehmen wir unsere Verantwortung gegenüber den Betroffenen ernst? Ist uns bewusst, dass diese Verantwortung nicht darauf enggeführt werden kann, dass sie wieder zum Glauben zurückkehren?
  • Bringen wir Zweifelnden und Nicht-mehr-Glaubenden ehrliches Interesse an ihrer Person, ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen entgegen? Hören wir ihnen vorurteilsfrei zu? Können wir ihre Entscheidung zunächst einmal stehen lassen?
  • Wenn Mentoring und Begleitung in Umbruchs- und Reifungsphasen für junge Erwachsene so wichtig sind – wie könnten wir in unserer Gemeinde/Kirche verstärkt solche Angebote initiieren? Wie könnte auch für ein Miteinander der Generationen geworben werden?
  • Für viele ist der Zweifel an Gott und/oder der Bibel mit Scham belegt und sie getrauen sich nicht darüber zu reden. Doch gerade diese Isolation fördert häufig den Zweifel und lässt ihn wachsen. Wo sind ‚sichere Räume’? Welche Atmosphäre herrscht in unseren Gottesdiensten? Was vermitteln unsere Predigten?

Mit was jetzt anfangen? Der Publizist Jürgen Mette hat in seiner Rezension zu unserer Studie etwas sehr Wichtiges erkannt und beschrieben: „Diese Lektüre kann nur zur Buße und zu neuer Empathie mit denen führen, die auf der Strecke geblieben sind, aber vielleicht freier sind als wir, dichter an Gott selbst und seinem Wort. Wir lernen zu verstehen und werden still, ganz still. Und dann setzt vielleicht ein fruchtbarer Lernprozess ein, der im schönsten Fall zu einem versöhnten Treffen der Entkehrten führt. Wer sich entkehrt, entkernt sich nicht zwangsläufig. Die Distanz zu meiner Bekehrungsgeschichte könnte den Kern meiner Existenz aufdecken: mein Glück als Geliebter Gottes, die Freude über die Amnestie, die mir der Heiland Jesus Christus schenkt.“ Glaube und Unglaube fängt bei mir selbst an. Gehört zu meinem Leben. Zu glauben ist auch ein Geschenk und kein Verdienst. Deshalb wendet sich der verzweifelte Vater in der Jahreslosung an Jesus, denn er sieht keine Hoffnung mehr für seinen Sohn. Er hat auch keinen Glauben mehr, aber er vertraut diesem Jesus, diesem Rabbi, wenn nicht er, wer dann. In diesem Vertrauen ruft er: “Ich glaube; hilf meinem Unglauben!” Und Jesus? Er sieht das Vertrauen, den Glauben, den Unglauben, die Verzweiflung und die letzte Hoffnung des Mannes und er heilt den Jungen und treibt den bösen Geist aus.

Auch im Unglauben. Am Ende bleibt die Hoffnung

Manches hat mich in den zwei Jahren während der Studie und auch in vielen Gesprächen danach durchgeschüttelt und vieles beschäftigt mich immer noch. Gerade weil es auch unfertig, unangenehm und ernüchternd war. Und doch hatte ich bei vielen Interviews den Eindruck, dass die Geschichte Gottes mit den Menschen noch nicht fertig ist, aber dass viele Verletzungen die Betroffenen daran hindern, überhaupt weiter an einen Gott glauben zu können. Bei manchen war die Entkehrung gar eine Art Therapie, da sie in einem tiefen Gestrüpp aus geistlich missbräuchlichen Situationen gelebt hatten. Gott selbst können wir zum Glück weder empirisch untersuchen, noch kontrollieren, er bleibt bei all dem souverän, das ist meine Hoffnung. Und es gilt neben aller Analyse das Wort Jesu zu Petrus „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ (Lukas 22,32), das uns motiviert für die einzustehen, die gerade am Zweifeln und Verzweifeln sind, für sie zu beten, für sie zu glauben und ihren Unglauben mitzutragen. Und bei all dem möchte ich auch sagen: “Ich glaube; hilf meinem Unglauben!”

 

Bild: Petra Krzeminski

Der mittlere Teil erschien zuerst hier und in der Zeitschrift “Echt”.

22 Comments

  1. Jürgen Kern

    Lieber Tobias,

    Vielen Dank für deine ausführliche Ausarbeitung der Jahreslosung.

    Das wir Menschen leichter an etwas glauben was wir sehen ist bekannt.

    Gott gab uns einen freien Willen und dieser Wille etscheidet auch über unseren Glauben.
    Wenn wir Frieden damit gefunden haben dass wir Menschen sind und das wir als Menschen zweifeln an dem was wir nicht sehen können.
    Dann sind wir in der Lage uns zu entscheiden glauben zu wollen.
    Warum?
    Weil es vernünftig ist.
    Weil die Naturwissenschaft auch nur ein Glaube ist der mein Leben nicht durch Hoffnung reicher macht.
    Weil es zu viele Zeugen gibt die Gott bezeugen oder für ihn sterben.
    Und wenn er uns geschaffen hat
    Dann ja dann ist es auch logisch, dass er Freude an uns haben möchte.
    Jeder der etwas herstellt tut es um Freude daran zu haben.

    Nun wenn wir so leben dass wir Freude an ihm, seiner Schöpfung und an uns gegenseitig haben und diese Freude auch pflegen, sind wir auf einem guten Weg.

    Ich wünsche allen ein Inspirationreichen Übergang in das neue erntereiche Jahr 2020
    Liebe Grüße
    Jürgen Kern

    Antworten
    • …dass er vernünftig ist, kann ich auch nicht behaupten.
      Ich habe früher geglaubt, weil der Glaube so viele Beweise hatte. Weil es so viele gab, die sagten, „Die Bibel hat Recht“ (meistens in naturwissenschaftlichem Sinn). Bis ich meinen Glauben verloren habe.
      Euer Buch „Warum ich nicht mehr glaube“ hat mir damals geholfen, zu sehen, dass ich nicht alleine bin, dass viele andere dasselbe erlebt haben und erleben wie ich.
      Allerdings wusste ich damals noch nicht, dass es einen Folgeband gibt 🙂 und so habe ich meinen Glauben erst einmal komplett ruhen lassen und dachte: Das war jetzt das Ende.
      Und dann ist mir Gott begegnet. Unerwartet, ungewöhnlich, unbegreiflich. Gott ist einfach mit seiner Realität in mein Leben „geplatzt“ und hat alles gesprengt, was ich vorher von ihm dachte.
      Heute glaube ich nicht mehr, weil es vernünftig ist und weil es so viele rationale Beweise für Gott gibt. Sondern weil es so unvernünftig war, was Gott in Jesus getan hat, weil es alle menschliche Vorstellungskraft übersteigt und weil Gott eine Wahrheit ist, die viel tiefer ist als das, was wir oft unter Wahrheit verstehen (und das ist zutiefst paulinisch, s. 1Kor1&2, u.a. „…die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind“ 1Kor1,25).
      Ich habe gelernt, dass der wichtigste Schritt in der Gottesbeziehung nicht der ist, dass ich mich für Gott entscheide, sondern dass er sich längst für mich entschieden hatte (Röm 5,8).

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  2. Welch gute, ehrliche, nachdenkliche, tiefgründige und reale Gedanken und Wahrheiten zum Thema der Jahreslosung 2020!

    Vielen Dank dafür!

    Ich hab mich darin so wiedergefunden, es hat mich mit tiefem Verständnis für meine Situation beschenkt und mir Mut gemacht für 2020!

    Eine ehrliche, mutige Auseinandersetzungen mit dem Thema Glauben, Unglauben und Zweifel!

    Danke Dir Tobias! Gott segne Dich!
    Liebe Grüße
    Hille Oberbüscher

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  3. Schön, dass du zur Webseite der Künstlerin verlinkst. Wenn du sie um Erlaubnis gefragt hast, ob du das BIld verwenden darfst, dann ist es nicht schlecht eine Bemerkung wie “Verwendung mit Erlaubnis” dazu zu schreiben. Wenn du sie nicht um Erlaubnis gefragt hast, dann ist es eine Urheberrechtsverletzung. Der Link alleine genügt nicht.

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    • Vielen Dank für den Hinweis, weil das sehr wichtig ist. Ich habe die schriftliche Erlaubnis von Frau Krzeminski das Bild so zu nutzen… Grüße Tobias

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  4. Vielen Dank für diesen sehr ausführlichen und guten Beitrag zur Auslegung der 2020er Jahreslosung.

    Mir persönlich kam allerdings der Aspekt Konflikt mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu kurz. Er wird in der Rubrik Leitmotiv Intellekt zwar als Stichwort erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Für mich war das immer und ist es bis heute der härteste Knackpunkt. Wenn man a) die Existenz von Naturgesetzen (ausnahmefreien Regelmäßigkeiten in der Natur) annimmt und b) der Auffassung ist, dass unsere Formulierungen dieser Naturgesetze inzwischen in vielen Bereichen die Realität gut abbilden, kann man bestimmte biblisch berichtete Wunder nicht mehr glauben.

    Hier verläuft für mich ein tiefer Graben, der selbst mit vielen liberalen Theologen nicht wirklich überbrückbar ist. Ganz zu schweigen von Glaubenspraktikern, die mir rundweg den Glauben absprechen, wenn ich erkläre, dass ich bestimmte zentrale biblisch berichtete Wunder nicht mehr als real so passiert glauben kann und will.

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    • Danke, ja, der Aspekt “Naturwissenschaft” kommt in der Umfrage in zwei Motiven zum tragen, zum einen beim erwähnten Motiv “Intellekt” und zum anderen bei der Auseinandersetzung mit dem (neuen) Atheismus. Im Buch gehen wir da auch ausführlicher drauf ein, das hier ist ja nur eine sehr sehr knappe Zusammenfassung…..

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    • Johannes

      Hallo Thomas Jakob, ich möchte doch noch anmerken, dass die Naturwissenschaft bei weitem nicht so streng ist wie Sie. Das Kausalitätsprinzip ist zwar in vielen Situationen hilfreich hat sich aber auch als begrenz erwiesen.Eine Internetsuche nach “Kausalität” und “Physik” gibt hier weitere Hinweise. Insofern haben auch die Naturgesetze ihre Grenzen. Und damit sind auch Wunder denkbar. Der Begriff “Wunder” bezieht sich auf unser “wundern” bzw. unsere mangelnde Vorstellungswelt.
      Gerade in der Beschäftigung mit der Natur(wissenschaft) erkennen wir unsere Beschränktheit als Menschen.
      Und in der Begegnung mit Jesus erkennen wir seine Liebe und Realität. Und dann wundern wir uns immer mehr 😉

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  5. Unser Glaube ist heute recht oberflächlich weil wir allein gelassen wurden, als wir uns bekehrten. Immer wieder hörten wir nur alte Geschichten, wurde uns unverstandenes Bibelwort serviert. Das musst Du einfach glauben! So steht es in der Bibel!
    Wir wurden nicht von geheiligten Personen, die man in einem anderen Kulturkreis “Guru” nennt, im erlösten Leben unterrichtet. Wir wurden nicht zur Meditation angeleitet. Man entwickelte kein spirituelles Weltbild, das die Erschütterungen durch die naturalistische Weltsicht in schöpferische Bahnen hätte lenken können.

    Jeder muss sich selbst auf den Weg machen sollte nicht denken, er habe die Wahrheit gefunden, nur weil er eine Gemeinschaft gefunden hat, die seine Ansichten teilt oder ihm innere Kämpfe durch falsche Versicherungen erspart.

    Der in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsene Nietzsche sagte: “Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.”

    Damit wir bessere Christen werden: https://manfredreichelt.wordpress.com/2018/03/20/die-logik-der-erloesung/ (und alle anderen Beiträge meines Blogs)

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  6. Hallo Tobias,

    Vielen Dank für Deine tiefen und ehrlichen Gedanken zur Jahreslosung. Ich würde gerne ein paar Auszüge v.a. aus dem ersten Teil für eine Andacht zum Elternabend verwenden – überwiegend nichtchristliche Zuhörer und möchte Dich dafür um Erlaubnis bitten. Wäre das OK für Dich?

    Vielen Dank und Gottes Segen!
    Stefan

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  7. Warum Menschen heute nicht mehr glauben können oder wollen.

    Weil viele Christen keine Nächstenliebe mehr besitzen.
    Die gibt es zwar noch, allerdings recht selten.

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  8. Hallo Tobias,
    Danke für diesen Blogeintrag. Könntest du hier auch einmal die Studie oder das Buch, von dem du im Text und auch in einigen Kommentaren schreibst, verlinken? Würde es gerne kaufen, aber habe keinen expliziten Titel gefunden.
    Danke und Gruß!

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