“Covid19 und die Macht der Verschwörungsmythen.” Nachgefragt beim Religionswissenschaftler Michael Blume.

Nachgefragt

 

1. Du hast dich viel mit Verschwörungstheorien befasst? Was ist bei Corona gerade aktuell?

Ja, schon bevor ich als junger Erwachsener Christ wurde, habe ich darüber gestaunt, dass Menschen nicht nur an gute Mächte glauben. Manche erzählten mir, dass die Welt von einer großen, weltumspannenden Verschwörung regiert werde und Hitler eigentlich richtig gehandelt habe oder auch selbst Teil dieser bösen Verschwörung sei. Später habe ich das Thema dann als Religionswissenschaftler vertieft und meine Doktorarbeit über Religion und Hirnforschung geschrieben. Und auch da zeigte sich, knapp gesagt, dass Menschen durchaus so geboren sind, “dass” sie an höhere Mächte glauben. Aber sie lernen dann durch die Kultur, was. Deswegen handelt es sich auch eigentlich nicht um wissenschaftliche Theorien und ich empfehle, lieber von “Verschwörungsmythen” zu sprechen. Wer Glück hat, wächst im Glauben an einen guten Gott auf. Aber andere lernen zu glauben, dass ganze Welt von bösen Mächten beherrscht wird.

In Zeiten von Covid19 bricht das natürlich wieder massiv auf: Die einen besinnen sich auf Liebe und Vernunft, orientieren sich an den Empfehlungen von Wissenschaft und Politik und helfen einander. Aber die anderen steigern sich nun erst Recht in den Glauben rein, das Böse verderbe die Welt. So hat sich auch zum Beispiel Xavier Naidoo zum sogenannten QAnon-Glauben daran bekannt, auf der ganzen Welt würden Kinder von einer satanischen Weltverschwörung gefoltert, um aus ihrem Blut eine Hexensalbe – Adrenochrom – zu gewinnen. Und Donald Trump werde in wenigen Tagen diese weltweite Verschwörung zerschlagen und auch in Deutschland Leute verhaften. In wenigen Fällen kann so ein Glaube auch psychische und soziale Probleme verschärfen und sogar zu Gewalt führen.

2. Was ist das eigentlich Schlimme daran?

Am Anfang fühlt sich Verschwörungsglauben total erregend an: Du hast den Eindruck, Du blickst jetzt endlich durch, alles macht Sinn und Du hast auch eine Erklärung für alles, was in Deinem Leben schiefläuft.

Aber wenn Du wirklich glaubst, dass die ganze Welt von bösen Verschwörern regiert wirst, dann vergiftet sich dein Herz mit Misstrauen und Angst. Am Anfang glaubst Du vielleicht, dass Politikerinnen und Juden Dich bedrohen. Dann richtet sich Deine Angst auch gegen Zuwanderer – denn die hälst Du für Invasoren – gegen die Wissenschaften und gegen die Medien. Schließlich glaubst Du, dass auch die Kirchen und überhaupt die Religionen von den Verschwörern kontrolliert werden und Deine Angst und Dein Hass richten sich auch gegen Freunde und Familie. Rückhalt findest Du nur noch in extremen Kreisen, vor allem im Internet. In Einzelfällen führt die Verzweiflung zu Selbstverletzungen oder gar zu Gewalt. Verschwörungsglauben funktioniert wie eine umgekehrte Religion, die Dich nicht nach oben hebt, sondern nach unten zieht.

3.Was kann man tun, wenn man sowas in seinem Freundeskreis/Arbeitskollegen/ Bekanntschaft hat?

Am Anfang kann man noch viel verhindern. Wir alle finden Verschwörungserzählungen spannend, Darth Vader und das Imperium wecken bei vielen mehr Faszination als Luke Skywalker und die Rebellion. Aber die Grenze ist halt, wenn man das Glauben an das Böse ins echte Leben lässt.

Wenn Du Christ bist, würde ich Dir klar empfehlen, deutlich zu machen, dass Du an einen guten Gott als den Vater Jesu Christi glaubst. Sicher gibt es Herausforderungen und auch Böses, aber die Welt ist eine gute Schöpfung und wir können einander und auch den seriösen Wissenschaften und Medien vertrauen. Und Jesus, seine Mutter, seine Jünger – das waren alles selbst Juden. Der Antisemitismus greift auch die Wurzeln des christlichen Glaubens an. Zeige klar, dass das nicht Dein Weg ist.

Menschen, die schon jahrelang im Verschwörungsglauben verstrickt sind, kannst Du vielleicht nicht mehr erreichen. Gerade auch im Internet bringt es meistens sehr wenig, sich darüber zu streiten, weil sich die Verschwörungsgläubigen untereinander vernetzen und radikalisieren. Dann ist es auch okay zu erklären: Als Mensch respektiere ich Dich, aber diesen Verschwörungskram will ich nicht mehr hinnehmen. Ich bin für Dich wieder da, wenn Du da raus willst – aber bis dahin ziehe ich mich zurück.

Auch hierbei möchte ich, wenn ich darf, noch einmal auf eine tiefe Erkenntnis des christlichen Glaubens verweisen: Der Glaube an einen guten, liebenden Gott ist eine Gnade, ein Geschenk. Das kann man annehmen, aber nicht erzwingen. Auf meinem Blog diskutiere ich teilweise seit Jahren mit extremen Verschwörungsgläubigen. Und muss mir dennoch klarmachen, dass ich sie auch als Wissenschaftler bestenfalls informieren, aber nicht retten kann. Dann bleibt mir noch, für sie zu hoffen – und zu beten.

Vielen Dank Michael Blume!

 

Mehr zum Michael Blume und dem Thema Verschwörungstheorien gibt es auf seinem Blog.

 

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