“Lobpreis mit offenen Augen. Warum Lobpreis auch spiritueller Widerstand ist. Eine Meditation des Magnificat der Maria.”

Theologie

 

Maria preist Gott – Der Lobgesang Marias: Magnificat

Maria aber sprach: »Mein Herz preist den Herrn, alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter! 

Ich bin nur seine geringste Dienerin, und doch hat er sich mir zugewandt.

Jetzt werden die Menschen mich glücklich preisen in allen kommenden Generationen; denn Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur andern. 

Jetzt hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen weg samt ihren Plänen. Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. 

Er hat an seinen Diener Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt. Wie er es unsern Vorfahren versprochen hatte, Abraham und seinen Nachkommen für alle Zeiten.« (Lk 1,46b-55)

 

Was macht den Lobpreis der Maria aus?

  1. Die Richtung ist klar: Gott ist der Adressat: Er ist der Mächtige und Heilige.
  2. Die Einordnung der eigenen Person: Ich bin die geringste Dienerin.
  3. Die innere Haltung: Mein Herz preist den Herrn.
  4. Die offenen Augen: Stürzt die Mächtigen und gibt den Hungernden reichlich zu essen.
  5. Der Arm der verändert: Gott erbarmt sich, er stürzt, er schickt – nicht ich.

 

Der Lobpreis der Maria als spirituellen Widerstand

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer nennt das Magnificat das “leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen worden ist. Es ist nicht die sanfte, zärtliche, verträumte Maria, …, sondern es ist die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte Maria, die hier spricht.” Und wir müssen uns fragen, ob wir den Lobpreis oftmals die Kraft nehmen und verniedlichen und erniedrigen. Mir hat besonders die Auseinandersetzung mit dem Theologen Walter Wink inspiriert, der mich neu herausgefordert hat die Bibel nicht nur aus einem individualistischen Blick zu lesen, sondern auch zu fragen, welche gesellschaftspolitischen und systemkritischen Aussagen sie macht. Für den Lobpreis Marias möchte ich mir Worte von Walter Wink und Gedanken von Dietrich Bonhoeffer leihen und in ihrem Duktus den Lobpreis der Maria als spirituellen Widerstand verstehen:

Lobpreis erschafft eine gegenwärtige Zukunft, anders als die, welche vom Schicksal durch das Zusammenwirken gegenwärtiger Kräfte bestimmt ist. Lobpreis lässt die Luft einer kommenden Zeit in die erstickende Atmosphäre der Gegenwart hineinwehen. Die Zukunft gehört jedem, der die Vision einer neuen und erstrebenswerten Möglichkeit heraufbeschwören kann, einer Möglichkeit, die durch Glauben aufgegriffen und als unvermeidlich festgehalten wird. Die Gestaltgeber der Zukunft gehört dem Lobpreis, der die ersehnte neue Gegenwart aus der Zukunft hervorrufen. Lobpreis öffnet den Himmel und bindet uns ein in das Handeln Gottes. Das Gegenwart wird lichtdurchlässig, glühend wird, zu einem vibrierenden Kraftzentrum, das die Macht des Universums ausstrahlt.

Lobpreis mit öffnen Augen öffnet unseren Blick für über uns hinaus. Weil wir auf Gott sehen, können wir den Blick auf die Armen und Ausgegrenzten aushalten, wenden wir uns nicht ab und stehen für die ein, die  unterdrückt, vergessen und in akuter Not sind.

Lobpreis als spirituellen Widerstand öffnet unsere Augen und wir treten in der unsichtbaren Welt für die sichtbare Not ein. Bittend, singend und betend treten wir vor Gott und hoffen auf sein Erbarmen, sein Eingreifen und seine Macht. Gottes Handeln ist politisch und seine Autorität übertrifft die Macht der Mächtigen. Seine Zukunft verändert unsere Gegenwart.

Albert Frey hat das Magnificat vertont: “Meine Seele preist die Größe des Herrn”

https://youtu.be/6F6rlv9XH40

 

Bild: © N. Bach/Bonner Münster

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