“Neumer & Ort: Lobpreis & Regen.”

Alltag, Kultur & Glaube

Lange waren sie untergetaucht, jetzt sind sie wieder da: Neuma & Ort, die ungleichen Geschäftsleute mit ihren alltäglichen Glaubensneurosen.

Der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe des Wagens, der von Ort sicher durch den Herbststurm gelenkt wurde. Ort mochte das stürmische Wetter, eigentlich mochte er jedes Wetter, aber das Jetzige war eben auch gut. Sein Lebensmotto war ja sowieso in jeder Situation das Positive sehen. Das gelang Ort leider oftmals nicht, weshalb er sich dann schuldig fühlte, aber manchmal gelang es ihm auch und sein Leben sollte schließlich ein Lobpreis Gottes sein. So wie jetzt, als die Regentropfen auf die Windschutzscheibe klatschten, da begann er Gott, den Schöpfer aller Dinge für Windschutzscheiben zu danken. Dies schien im logisch und schlüssig und er stellte sich vor, wie schwer er für ihn wäre, jetzt durch den Herbststurm, völlig durchnässt und durchfroren, ohne Windschutzscheibe zu fahren. Da musste man doch einfach dankbar sein. Er war so trocken und stellte die Heizung gleich noch Mal drei Grad wärmer und begann „Großer Gott wir loben dich“ zu singen. Jetzt war er auch schon fast da. Pünktlich würde er sein und seinen neuen Freund Neumer nicht warten lassen. Er fand es immer noch eine gute Idee an diesem Abend einen Abstecher nach Bremen zu machen, ja es wäre ja eine Sünde gewesen, wenn er so in der Nähe gewesen wäre und nicht vorbeischauen würde. „Sünde“ – Ort musste lächeln bei diesem Gedanken. Wie kam er jetzt darauf, als ob ein Besuch Sünde oder nicht sein könnte. Er lenkte den kantigen Wagen runter von der Autobahn und folgte der monotonen Stimme seines Navigationssystems, die ihm jetzt mitteilte, dass er sein Ziel in 800m erreichen würde. Ja, er freute sich Neumer, seit ihrer skurrilen Begegnung in Schanghai hatte er den massigen Charismatiker in sein Herz geschlossen obwohl er eigentlich kaum rationale Gründe dafür fand. Es reichte auf alle Fälle für diesen verkürzten Wochenendabstecher nach einer langen Geschäftswoche in Hamburg. Er fühlte sich plötzlich müde und hielt 200m vor seinem Ziel in einer Bushaltestelle an. Ort starrte durch seine geschätzte Windschutzscheibe. Der Reden prasselte gleichmäßig und Ort sinnierte über sich und seinen Freund Neumer und was dieser jetzt wohl denken würde, wenn er doch absagen würde. Eine kleine Ausrede, dass er nach der anstrengenden Woche jetzt doch zu Müde war und jetzt doch nicht kommen würde. Und dies ist gewisslich wahr und dass er 200m vor der Wohnung beim Telefonat steht, muss er ja nicht erwähnen. Ort fühlte sich schlecht. Es regnet immer noch und er weiß nicht was er tun soll. Vielleicht doch reingehen? 200m und Neumer würde sich sicher freuen. Sie würden Wein trinken und die neusten Entwicklungen ihrer Firmen austauschen. Es gab viel zu erzählen. Aber Ort wollte nicht über Nacht bleiben, eigentlich schon, aber er wollte nicht in die Gemeinde von Neumer, wer weiß, was da morgen wieder passiert. Neumer erzählt es sogar voll stolz, dass man nie genau wisse, was einem im Gottesdienst so erwarte. „Da hat der Geist noch richtig Raum“, pflegte Neumer zu sagen, was Orts Ängste spürbar ansteigen ließen. „Wundertütengottesdienste“ nannte es Ort und dass konnte er gar nicht leiden. Ihm gab es Sicherheit, wenn er wusste, dass als nächstes ein Lied kam, dann ein Gebet, die Lesung, drei Lieder Anbetung, auch wenn Neumer nicht müde wurde zu betonen, dass dies mit Anbetung nichts zu tun habe, dann die Predigt, danach die Gebetsgemeinschaft als Antwort auf die Predigt. Das hatte schon alles seine Richtigkeit. Natürlich nervte es ihm etwas, wenn immer dieselben Leute beteten und manche der Gebete sprach Ort in Gedanken wörtlich mit. Aber so ist dies nun und er erschrak am meisten bei dem Gedanken, wer alles seien Gebete leise mitbetete. Aber dies war ihm immer noch lieber als die „Heilig Geist Show“ im CCB. Er konnte nichts Erhebendes finden, wenn Neumer seinen stattlichen Körper mit erhobenen Armen wie im Tanze wiegte und der Heilige Geist oder wer auch immer, das machen konnte was er wollte. Nein, er blieb nicht über Nacht. Er wollte zurück nach Hamburg, dort im Hotel übernachten, was eh die Firma bezahlt hatte und dann morgen früh zurück in den geliebten Süden. Der Regen prasselte noch immer mit gleicher Regelmäßigkeit auf die Windschutzscheibe. Ort hob den Kopf. Was sollte er tun?

1 Comment

  1. Ich glaube kaum, dass Ort das mit seinem gewissen vereinbaren könnte, wieder zufahren. aber so ein charismatischer gottesdienst ist schon ein wagnis, das sehe ich ein 🙂
    danke für diese heitere abendlektüre 🙂

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